Historisch-philologischer Kommentar zur Chronik des Johannes MalalasBuch 17, Kapitel 5die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der HAdW-Forschungsstelle MalalasExport vom 20240328-000004daffi/HAdW20240328Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Forschungsstelle Malalas-KommentarCC BY-NC-SA 4.0
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20240328-000004die Mitarbeiter der HAdW-Forschungsstelle
In Mal. XVII 5 wird vom Rückruf des früheren Usurpators
Vitalian aus dem Exil berichtet. Vitalian wird von Justin zum magister militum praesentalis ernannt und erhält damit ein
hohes, unmittelbar in Konstantinopel angesiedeltes Amt.
Theoph. 166,6--8; Cedr. 638,3--5
Vgl. EI 170,23--26: καὶ εὐθέως εἰσῆλθεν ἐν Κωνσταντινουπόλει
Βιταλιανός, καὶ ἐγένετο στρατηλάτης καὶ ἀπὸ ὑπάτων τὴν ἀξίαν καὶ ὕπατος ὀρδηνάριος
μεταχειρισθεὶς ὑπὸ Ἰουστίνου βασιλέως μετὰ παρακλήσεως καὶ ὅρκων. Die Parallelstelle in
den EI weicht wieder stark vom O-Text ab: s. dazu den Kommentar
zu XVII 1.
Wie auch die vorangehenden Kapitel ist der Abschnitt chronologisch nur
vage eingeordnet. Anzumerken ist, dass die von O sehr abweichende
Textstelle aus den EI die Rückkehr
Vitalians ebenfalls mit εὐθέως (‚sofort‘) zeitlich einordnet.
Tatsächlich wurde Vitalian schon auf dem Konzil von Tyros am 16. Sept.
518 als patricius und στρατηλάτης
akklamiert (AOC III S. 86,22--23). Laut
Marcellinus Comes c. 519 wurde Vitalian am 7. Tag nach seiner Rückkehr
zum magister militum ernannt: Vitalianus Scytha Iustini principis pietate ad rem
publicam revocatus Constantinopolim ingressus est septimoque
receptionis suae die magister militum ordinatus (zur Datierung
dieser Episode bei Marcellinus s. Croke (1995), 121).
Johannes von Nikiu (LXXX 5--9 = XC 5 Charles), der von der
Malalas-Tradition abhängig ist, assoziiert die Himmelerscheinung von
XVII 4 mit dem Rückruf von Vitalian: ‚And in the beginning of the reign
of Justin there rose in the east a fearful and terrible comet. And for
this reason the emperor Justin sent and recalled Vitalian who had been
the enemy of the emperor Anastasius, and appointed him a master of the
forces‘ (Übers. Charles).
(Olivier Gengler)
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Vitalian (16, 16) hatte Ende 513/Anfang
514 gegen Anastasios rebelliert (17, 5)
und seitdem eine konstante Bedrohung für dessen Regierung gebildet.
Die Rückberufung Vitalians aus seinem Exil in Anchialos am Schwarzen
Meer und seine Ernennung zum magister militum
prasentalis (17, 5) entsprechen dem
zu Beginn von Buch XVII stark präsenten Thema der Machtsicherung,
welche Justin mit einer Doppelstrategie aus Abschreckung (Hinrichtung
des Amantios: XVII 2) und Milde (Rehabilitierung von Exilierten: XVII
3) bestritt: Dazu Vasiliev
(1950), 108–114. Der Fall Vitalians sticht dabei
angesichts der besonderen Vorgeschichte des Generals heraus: Sein
chalkedonisches Bekenntnis näherte ihn Justin (und mit ihm Justinian)
an (s. dazu Stein
(1949), 223--225); gleichzeitig war er als
ehemaliger Usurpator für den Kaiser potentiell außerordentlich
gefährlich. Sein Rückruf bildet den Beginn einer vielfach
dokumentierten, raschen Rehabilitierung (die jedoch lediglich seiner
Ermordung im Jahr 520 voranging: Malal. XVII 8); s. etwa Zach. HE VIII 2. Bestätigt wird die Ernennung u.a. in
Jord. Rom. 361 und Evagr. HE IV 3. Ziel der Maßnahmen, die schließlich in
der Ernennung zum Konsul für das Jahr 520 gipfelten (Malal. XVII 8),
war offensichtlich eine enge Bindung dieses bedrohlichen Akteurs an den
neuen Kaiser: Begass
(2018), 259f.; vgl. Evagr. HE IV 3, der die Rückberufung mit der Furcht
Justins vor Vitalians Einfluss und Verbindungen begründet; der Kaiser
habe demnach dem ehemaligen Usurpator nur durch falsche Freundschaft
beikommen zu können geglaubt. Offensichtliches Misstrauen insbesondere
auf Vitalians Seite führte dazu, dass das Übereinkommen durch
gegenseitige Eide abgesichert wurde, die Vitalian allerdings nicht viel
nützen sollten (vgl. Vasiliev
(1950), 109f. und Greatrex (2007),
105f.); s. dazu auch die Parallelüberlieferung zu Malalas in EI (170,23–26), die (mit kritisch anmutendem
Unterton) bestätigt, dass der wie selbstverständlich wieder im Palast
verkehrende Vitalian von Justin mit "Bitten" und "Eiden" empfangen
worden sei (μεταχειρισθεὶς ὑπὸ Ἰουστίνου βασιλέως μετὰ παρακλήσεως καὶ
ὅρκων). Diese Version, die durch Ps.-Zach. HE VIII 2 bestätigt wird, betrachtet Greatrex (2007), 106
als sehr negativ gegenüber Justin -- im Gegensatz zur O-Version, die
dementsprechend ein expurgiertes offizielleres Narrativ widerspiegeln
soll. Die ebenfalls abweichende Version von Theophanes überzeichnet die
Annäherung von Justin und Vitalian aus religiösen Gründen noch
deutlicher (Greatrex
(2007)ibid. mit
Mango, Scott
(1997) 251 Anm. 4 und 7; dazu 17, 8).
(Jonas Borsch)
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τυραννέω (Lampe s.v. 9) bezeichnet hier wie häufig in der spätantiken
Literatur das Rebellieren: 6, 3. Die
Person oder die Macht, gegen welche eine Rebellion gerichtet ist,
steht, falls genannt, im Akk. (vgl. z.B. VIII 25,5: Ἀρσάκους τοῦ Πάρθου
τοῦ τυραννήσαντος αὐτὸν) oder im Gen. mit der Präp. κατά (XVIII 57,2:
τυραννήσαντος τοῦ ἰδίου ἐξαδέλφου κατ’ αὐτοῦ). Die hiesige Verwendung
des Dativs ist ungewöhnlich.
Vitalian ist in allen Abschnitten der Chronographia, in denen er erwähnt wird, als
Rebell dargestellt. Vgl. XVI 16,1: ἐτυράννησε Βιταλιανὸς; XVI 16,64:
Βιταλιανοῦ τοῦ τυράννου; XVII 8,4: Βιταλιανὸς... ὡς τυραννήσας
Ῥωμαίους. S. dazu Greatrex
(2007), 105f.
(Olivier Gengler)
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magister militum praesentalis (MMPr). Seit
der Reform von Theodosius I. gab es im Oströmischen Reich zwei MMPr,
die sich den Oberbefehl über die in der Reichshauptstadt stationierten
Truppen teilten (Boak
(1915), 124; vgl. Procop. Bell. I 8,2: τῶν ἐν Βυζαντίῳ στρατιωτῶν und 17, 5). Laut der Notitia
dignitatum Or. V--VI hatte jeder MMPr 12 vexillationes, 6 Legionen und 18 auxillia unter seinem Kommando. Manche Truppen,
die dem MMPr unterstanden, waren jedoch in den Provinzen stationiert
und wurden (zumindest unter Justinian) teilweise anderen Offizieren
zugeordnet (Nov. Edikt 13,2).
Es sieht außerdem so aus, dass in der 2. Hälfte des 5. Jhs. zumindest
einer der MMPr -- den Malalas στρατηλάτης τοῦ μεγάλου πραισέντου nennt
-- größere Kontingente befehligte (15, 3).
Es ist nicht bekannt, ob Vitalian dieses Kommando innehatte bzw. ob es
nach Anastasios' Zeit beibehalten wurde. Kein Zweifel besteht in jedem
Fall daran, dass Vitalian als MMPr eines der wichtigsten Ämter des
Staates bekleidete (Stein
(1949), 224--225).
(Olivier Gengler)
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Gr. Wort mit einem auf dem lat. praesens
basierten Stamm. Neben dem viel selteneren Adj. πραισεντάλιος (Lehnwort
aus dem lat. praesentalis) ist der Gen.
πραισέντου die übliche Bezeichnung des Kommandobereiches von den (im
Ostreich seit einer Reform Theodosius' I.) zwei Generälen, die nicht
für die Armee einer Provinz sondern für die direkt an den Kaiserhof
gebundenen Truppen verantwortlich waren (17,
5). Unter πραισέντον sind also diese Truppen (die praesentales, d.h. Truppen, die in praesenti bei dem Kaisers standen: TLL s.v.praesentalis) zu verstehen (Avotins (1992), 175;
LSJ Suppl. s.v. πραισέντον; es sind aber
keine ‚bodyguards‘ wie James
(1990) 223 nach Lampe s.v. πραισέντον behauptet;
dazu 18, 10 und 16,
9). Der Ausdruck gehört der offiziellen administrativen Sprache
an: vgl. Nov. 22 (536) 186,43--187,7, wo
drei στρατηγοί τοῦ θείου πραισέντου genannt werden (der dritte MMPr
wurde wahrscheinlich durch Justinian eingeführt: Stein (1949), 431 und
Anm. 4). Eine ähnliche Umschreibung für das Amt des Vitalianos bietet
Evagr., HE IV 3 (154,14--15
Bidez-Parmentier): στρατηγὸν αὐτὸν ἑνὸς τῶν καλουμένων πραισέντων.
(Olivier Gengler)
Avotins (1992): Avotins, Ivars:
On the Greek of the Novels of Justinian. A Supplement to Liddell-Scott-Jones together with Observations on the Influence of Latin on Legal Greek.
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Begass (2018): Begass, Christoph:
Die Senatsaristokratie des oströmischen Reiches, ca. 457-518. Prosopographische und sozialgeschichtliche Untersuchungen.
München 2018
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Croke (1995): Croke, Brian:
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