Malalas 18.36 1–3 = 88–90 (Thurn)

Inhalt

Hermogenes' Ankunft beim persischen Kaiser. (Brendan Osswald)

Philologisch-Historischer Kommentar
Parallelüberlieferung
Literatur

1 (88)
δὲ τῶν Περσῶν βασιλεὺς Κωάδης δεξάμενος Ἑρμογένην μάγι-
 
στρον, ἐν φιλίᾳ πρεσβείας πεμφθέντα μετὰ καὶ δώρων τῆς ἀναγορεύσεως
 
τοῦ βασιλέως Ἰουστινιανοῦ ἐν μηνὶ ἰουλίῳ.
Philologisch-Historischer Kommentar
1/1 Ὁ δὲ τῶν Περσῶν βασιλεὺς Κωάδης: Protagonist dieser Passage ist erneut der persische König Kabades/Kavades/Kavadh I., persischer Großkönig sassanidischer Abstammung von 488 bis 496 und wieder von 499 bis 531 (PLRE II (Cavades 1), 273f.). Über seine exakten Lebensdaten herrscht Uneinigkeit, Malalas setzt seinen Tod im Alter von 82 Jahren und drei Monaten für das Jahr 531 n. Chr. an und ergänzt, dass Kavadh 43 Jahre und zwei Monate König gewesen sei, vgl. Malal. XVIII 68. (vgl. Schippmann 1990, 45ff. und Greatrex 1998, 49ff. sowie die Ausführungen ad Malal. XVIII 4). In Konflikt mit dem Römischen Reich brachten Kavadh I. vor allem finanzielle Engpässe, die durch Tributzahlungen an auswärtige Verbände, z.B. die Hephthaliten (zu den Hephtaliten vgl. Kim 2013, 35ff.), verursacht wurden (vgl. Theoph. 144, Procop. Pers. I 7,1–2). Eine Option, die Staatskassen wieder zu füllen und den Hungersnöten sowie Missständen im eigenen Reich etwas entgegensetzen zu können, waren die Ausplünderung oströmischer Städte, die entweder eingenommen oder unter Ausübung von Druck durch Furcht zu Zahlungen bewogen werden konnten (Greatrex 1998, 52). Ende 502 brachen folglich heftige Kämpfe mit dem Oströmischen Reich aus, in denen nach wochenlanger Belagerung die Festung Amida im Januar 503 durch die Perser eingenommen und zahlreiche Gefangene gemacht wurden. Nach wechselvollen Kämpfen konnte im Jahr 506 ein Waffenstillstand geschlossen werden, der zunächst auf sieben Jahre angelegt war (zum gesamten Kriegsgeschehen vgl. Procop. Pers. I 7,12ff., Malal. XVI 9 mit der Beschreibung des Feldzuges Kavadhs, bei dem neben Amida auch Theodosiupolis in Armenien im Jahr 502 erobert wurde, sowie detailliert Schippmann 1990, 50 mit einer Auflistung der einzelnen Feldzüge und Greatrex 1998, 73ff. mit Angaben zu den diesen Zeitraum beschreibenden Quellen. Nachdem sich die persisch-römischen Beziehungen zwischenzeitlich verbessert hatten, was sich u.a. darin äußerte, dass Kavadh Kaiser Justin I. um 525 darum bat, seinen Sohn und späteren Nachfolger Chosroes I. (PLRE II (Chosroes I), 293) zu adoptieren (wahrscheinlich in der Hoffnung, dass Chosroes‘ Herrschaft von Ostrom zukünftig unterstützt würde, vgl. Procop. Pers. I 11,6ff.), flammte der Konflikt um 526 erneut auf, was den Bogen zur in Malal. XVIII 4 beschriebenen Situation schlägt. Der Krieg dauerte auch nach dem Tod Justins 527 weiter an, wie Malal. XVIII 26 beschreibt. Im Jahr 528 kam es erneut zu Auseinandersetzungen zwischen Römern und Persern, was von Justinian mit der Entsendung von Senatoren zum Schutz der römischen Städte, die in der Nähe der persischen Grenze lagen (Amida, Edessa, Kontantina, Beroia und Sura), beantwortet wurde. Um diesen Auseinandersetzungen ein Ende zu setzen, wurden sowohl von römischer als auch von persischer Seite diplomatische Offensiven gestartet, die schließlich im sogenannten Ewigen Frieden des Jahres 532 gipfelten (vgl. Malal. XVIII 76). Diese Verhandlungen zogen sich zunächst aber über einige Jahre hin, so dass Kavadh selbst das Ende der Auseinandersetzungen mit Ostrom nicht mehr erlebte: Er verstarb im Jahr 531. Sein dritter Sohn Chosroes I. trat seine Nachfolge an, vgl. Malal. XVIII 68. Die in Malal. XVIII 36 beschriebene Situation stellt nun eine in diesen Gesamtkontext eingefasste diplomatische Aktion dar: der persische Großkönig empfängt einen römischen Gesandten für mögliche Friedensverhandlungen. Zur Geschichte der römisch-partischen/-sassanidischen Auseinandersetzungen im Allgemeinen vgl. u.a. Greatrex 1998; Greatrex/Lieu 2002, Landskron 2005, 25–56; Howard-Johnston 2006, Fisher 2011 sowie die Ausführungen ad Malal. XVIII 32.
1f./8 Ἑρμογένην μάγιστρον: Zu dieser Figur: XVIII 34, 8. (Brendan Osswald)
2/2 ἐν φιλίᾳ πρεσβείας πεμφθέντα: Hier findet sich eine möglicherweise auf den Ur-Malalas zurückgehende Ergänzung bei Theoph. 178,27–29 mit der Erwähnung, dass es sich um Friedensverhandlungen handele.
Die Kasusfunktion von πρεσβείας ist schwer zu bestimmen. Handelt es sich um einen attributiven Genitiv mit dem Bezugswort φιλίᾳ oder um einen Genitiv, der das Verb ergänzt? Thurn/Meier 2009, 466 denken an ersteres und übersetzen: „im Rahmen der freundschaftlichen Beziehung auf Gesandtschaft ausgeschickt“. Jeffreys denkt an letzteres und übersetzt: „on an embassy of friendship“, wobei Beziehungswort und Attribut vertauscht sind; so bereits Wolf 1912, 37: "Statt eines Adjektivs steht das übergeordnete Substantiv in Wendungen wie (...) ἐν φιλίᾳ πρεσβείας". Keine der beiden Varianten ist glatt. Anders Malal. XVIII 73 πρεσβευτὴς... κατεπέμφθη – „als Gesandter ausgeschickt“. Theophanes hat πρεσβεύοντα statt πεμφθέντα, was das Problem umgeht.
(Fabian Schulz)
2/5 πεμφθέντα μετὰ καὶ δώρων: An die Stelle der Präposition „mit“ traten im klassischen Griechisch häufig die Partizipien ἔχων, φέρων und λαβών, um auszudrücken, dass eine Person etwas „bei sich hat“. Auch Malalas benutzt diese Partizipien („einen Dolch mit sich führend“ – φορῶν βοῦγλιν XVIII 141,16), gibt aber tendenziell der Präposition μετά den Vorzug (vgl. Rüger 1895, 43; auch in XVIII 73,2 wird ein Gesandter „mit Geschenken ausgeschickt“ – μετὰ δώρων κατεπέμφθη), selbst wenn das wie an dieser Stelle zu einer Genitivkette führt: Von dem Genitiv nach Präposition hängt nämlich ein kausaler Genitiv ab, dem wiederum ein mehrgliedriges Genitivattribut folgt. Eine Genitivkette dieser Länge hätte das Stilempfinden der Klassik gestört und wäre eher vermieden worden. Καί, das Thurn/Meier 2009, 466 mit „auch“ übersetzen, hebt hervor, dass der Bote nicht nur Geschenke bei sich trug; eine Information, die etwas entbehrlich erscheint. Der Einschub von adverbiellem καί zwischen Präposition und Substantiv ist im klassischen Griechisch nicht unbekannt, aber selten, vgl. Denniston/Dover 1996, 325f. mit Beispielen aus der Dichtung. Möglicherweise ist der Gebrauch von μετὰ καί in der Chronik auch phraseologisch. Denn in Malal. XVIII 23,2f. heißt es bei der Beschreibung von Eulalios’ Unglück, dass dieser, als sein Haus niederbrannte, nackt mit (μετὰ καί) seinen drei Töchtern fliehen musste, wobei der Kontext die Bedeutung „unter anderem mit“ ausschießt. In Anbetracht dieses Befunds lässt sich die Entscheidung von Jeffreys, καί hier unübersetzt zu lassen, nachvollziehen. (Fabian Schulz)
2f./10 ἀναγορεύσεως τοῦ βασιλέως: ἀναγόρευσις bedeutet „öffentliche Ausrufung“ (DGE s.v. ἀναγόρευσις). Das Substantiv ist bei Malalas nur hier belegt, das Verb ἀναγορεύω kommt hingegen etwa zwanzigmal vor, immer mit dem Objekt βασιλέα (bzw. mit dem Subjekt βασιλεύς im Passiv). Es handelt sich also um einen terminus technicus. Zu den ausrufenden Akteuren zählen βασιλεύς (XIII 32,1; XIII 36,7; XVII 9,11; XVIII 68,4), σύγκλητος (X 17,3; XIII 34,3), στρατός (XII 49,1; XIII 24,5; XIII 37,2f.) sowie konkurrierend στρατός und σύγκλητος (XII 19,3 und 21,4). Auch Georgios von Sykeon (7. Jh.) spricht von βασιλέως ἀναγορεύσεως, freilich in Bezug auf Herakleios (ebd. vita sancti Theodori Syceotae 152,9). (Fabian Schulz)
Parallelüberlieferung
Theoph. 178,27–29
Literatur
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Denniston/Dover (1996): Denniston, John D. and Dover, Kenneth J.: The Greek particles, London, 1996.
Fisher (2011): Fisher, Greg: Between empires: Arabs, Romans, and Sasanians in late antiquity, Oxford, 2011.
Greatrex (1998): Greatrex, Geoffrey: Rome and Persia at war, 502–532, Leeds, 1998.
Greatrex/Lieu (2002): Greatrex, Geoffrey/Lieu, Samuel N. C.: The Roman Eastern Frontier and the Persian Wars. Part II: AD 363–630. A narrative sourcebook, London/New York, 2002.
Howard-Johnston (2006): Howard-Johnston, James: East Rome, Sasanian Persia and the End of Antiquity, Padstow, 2006.
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Jeffreys/Croke/Scott (1990): Jeffreys, Elizabeth/Croke, Brian/Scott, Roger: Studies in John Malalas, 1990
Kim (2013): Kim, Hyun Jin: The Huns, Rome and the birth of Europe, Cambridge, 2013.
Landskron (2005): Landskron, Alice: Parther und Sassaniden. Das Bild der Orientalen in der römischen Kaiserzeit, Wien, 2005.
Leppin (2011a): Leppin, Hartmut: Justinian. Das christliche Experiment, Stuttgart, 2011.
Meier (2004a): Meier, Mischa: Das andere Zeitalter Justinians. Kontingenzerfahrung und Kontingenzbewältigung im 6. Jahrhundert n. Chr., Göttingen, 2004.
Nechaeva (2014): Nechaeva, Ekaterina: Embassies – Negotiations – Gifts. Systems of east Roman Diplomacy in Late Antiquity, Stuttgart, 2014.
Rüger (1895): Rüger, Anton: Studien zu Malalas. Präpositionen und Adverbien. Das 18. Buch. Die konstantinischen Excerpte. Die tuskulanischen Fragmente, Bad Kissingen, 1895.
Schippmann (1990): Schippmann, Klaus: Grundzüge der Geschichte des sasanidischen Reiches, Darmstadt, 1990.
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Shepard/Franklin (1992): Shepard, Jonathan and Franklin, Simon: Byzantine Diplomacy. Papers from the Twenty-fourth Spring Symposium of Byzantine Studies, Cambridge, March 1990, 1992
Wiesehöfer (2009): Wiesehöfer, Joseph: Kawad, Khusro I and the Mazdakites. A new proposal, 2009, 391–409.
Wolf (1912): Wolf, Karl: Studien zur Sprache des Malalas, Tl. 2: Syntax, Diss. München, 1912.