Malalas 18.94 1–4 = 22–25 (Thurn)

Inhalt

Kapitel XVIII 94 beschreibt den Austausch eines Standbildes des Arkadios gegen die bekannte Reiterstatue Justinians auf dem Augusteion.

Philologisch-Historischer Kommentar
Parallelüberlieferung
Literatur

1 (22)
Καὶ τῷ αὐτῷ χρόνῳ ἀνηνέχθη ἔφιππος στήλη τοῦ βασιλέως Ἰου-
 
στινιανοῦ πλησίον τοῦ παλατίου ἐν τῷ λεγομένῳ Αὐγουστεών· ἥτις
 
στήλη ἦν Ἀρκαδίου τοῦ βασιλέως, πρῴην οὖσα ἐν τῷ Ταύρῳ ἐν
Philologisch-Historischer Kommentar
1/2 τῷ αὐτῷ χρόνῳ: Die übliche relative chronologische Formel τῷ αὐτῷ χρόνῳ, hier ein einfacher Dativus Temporis (XVIII 45, 1), bezieht sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf die Datierungsangabe im vorangegangenen Abschnitt (XVIII 93), d.h. auf die siebte Indiktion (543/544), womit der September 543 den terminus post quem bildet. Die nächste Datierungsangabe folgt erst in XVIII 96, wo die Malalas-Version in O nur den November spezifiziert (während die Indiktionsangabe ausgefallen ist?), sich über die Sekundärüberlieferung bei Theophanes aber wahrscheinlich November bis Februar 545/46 als chronologische Angaben fixieren lassen (XVIII 96, 1), woraus sich der terminus ante quem für die hiesige Begebenheit ergibt. (Jonas Borsch mit Laura Carrara, Olivier Gengler)
1/5 ἀνηνέχθη: Statuenstiftungen und -zerstörungen gehören zu den in auffälliger Weise hervortretenden Themengebieten in der Chronographia: Dazu allgemein Saliou 2006, 69–73; vgl. XVIII 82, 1f..
1/7 στήλη: Zum Bedeutungsspektrum des Terminus στήλη bei Malalas XVIII 82, 1.
1f./6 ἔφιππος στήλη τοῦ βασιλέως Ἰουστινιανοῦ: Die eine Säule bekrönende Reiterstatue Justinians auf dem Augusteion wird in der schriftlichen Überlieferung außerordentlich häufig erwähnt: Vgl. zu Säule und Statue Müller-Wiener 1977, 248f.; Stichel 1982, 105–112 (105–108 nur die Liste der relevanten Schriftquellen); Bauer 1996, 158–164. Eine ausführliche Beschreibung bietet Procop. aed. I 2,1–12: Die Säule erhob sich demnach über einem siebenstufigen Unterbau und war (vermutlich unter Justinian: Bauer 1996, 160–162) mit einer Bronzeverkleidung eingefasst worden, die nicht näher definierte bildliche Darstellungen zeigte. Die Statue selbst war laut Prokop nach Osten ausgerichtet, wobei das Pferd den linken Vorderhuf erhob und dynamisch ausschritt. Der Kaiser hielt einen Globus mit Kreuz in der Linken und streckte die rechte nach vorne: Darin sieht der Kommentator einen Gestus, der den (sasanidischen) Feinden im Osten Einhalt gebieten sollte. Eine in Budapest befindliche Zeichnung des 15. Jahrhunderts entspricht im Wesentlichen dieser Darstellung (vgl. Bauer 1996, Taf. 19,1). Da Prokop die Statue speziell auf die "Perser" bezieht, könnte ihre Aufstellung möglicherweise mit militärischen Aktionen gegen die Sasaniden zusammenhängen: Bauer 1996, 159 führt in diesem Zusammenhang Belisars Erfolge beim Vorgehen gegen die Perser 540/41 an (siehe Procop. BP II 16–21, insbes. die enkomiastischen Ausführungen zu Belisars Erfolgen II 21,28–29).
3/1 στήλη ἦν Ἀρκαδίου τοῦ βασιλέως, πρῴην οὖσα ἐν τῷ Ταύρῳ ἐν βωμίσκῳ: Arcadius war oströmischer Kaiser von 395–408, vgl. Malal. XIII 37. Bei dem hier von Malalas erwähnten Standbild des Arcadius auf dem Forum Tauri (auch Theodosiusforum; dazu: XV 11, 3) handelte es sich vermutlich um eines von zwei Reiterstandbildern, die die dortige Statue Theodosius' I. flankierten: Bauer 1996, 201. Der Begriff στήλη bezeichnet hier wohl (wie häufig bei Malalas belegt: XVIII 82, 1) die Statue selbst. Ob die Statue eingeschmolzen und neu gegossen oder einfach wiederverwendet wurde, spezifiziert Malalas nicht. Zonaras zufolge ersetzte sie ein früheres Standbild Theodosius' I. an derselben Stelle: Zon. III 157,8–13. Diese Statue ist, ebenfalls auf einer Säule stehend, bereits in früheren Quellen bezeugt (u.a. Marc. Com. ad ann. 390); möglicherweise war ihr bereits ein Standbild Konstantins I. an derselben Stelle vorangegangen: Vgl. Bauer 1996, 159, der davon ausgeht, dass Justinian das Aufstellungskonzept seiner Vorgänger übernahm. (Jonas Borsch)
3/4 τοῦ: Die alten Ausgaben von Chilmead 1691, II, 225 und Dindorf 1831, 482 haben diesen Artikel versehentlich ausgelassen. Auf der Handschrift O (f. 313) ist er klar zu lesen und wurde dementsprechend von Bury 1897, 230 wiederhergestellt.
4/1 βωμίσκῳ: βωμίσκος ist Diminutiv von βωμός, gebildet durch Hinzufügung der geläufigen Verkleinerungsform -ίσκος (vgl. z.B. σατυρίσκος, ναΐσκος, auch möglich bei Eigennamen: Ἠρακλίσκος). Die Bedeutung 'kleiner Altar' sensu proprio für βωμίσκος ist allerdings – anders als 'kleiner Tempel' für ναΐσκος – weder in der Chronik des Malalas (dies ist der einzige Beleg für das Substantiv, siehe Festugière 1978, 223; Thurn 2000, 516) noch sonst in der griechischen Literatur verbreitet. Das eher seltene Substantiv kommt vorwiegend bei mathematischen Schrifstellern vor (Nicomachus, Ptolemaus, Heron) und ist dort terminus technicus für eine trapezoide Körperform mit ungleichen Maßen (vgl. die sehr klare Beschreibung bei Heron Deff. 114, 1 Heibert Σφηνίσκος δέ ἐστι τὸ ἔχον ἄνισα ἀλλήλοις τό τε μῆκος καὶ τὸ πλάτος καὶ τὸ βάθος. τινὲς δὲ καὶ βωμίσκον καλοῦσι τὸ τοιοῦτον σχῆμα, "ein Σφηνίσκος ist das, was miteinander ungleiche Länge und Breite und Tiefe hat; einige nennen diese Körperform auch βωμίσκος"; das konkrete Aussehen eines 'kleinen Altars' ist immerhin bei der geometrischen Verwendung des Substantives vorausgesetzt).
Parallelüberlieferung
Theoph. 224, 13–15 de Boor; Cedr. 408.2, 12–19 Tartaglia; Leo Gramm. 129, 3–7 Bekker; Zon. 3, 157, 8–18 Büttner-Wobst; Georg. Cod. De Sign. 28, 18–19 Preger; Anecd. Par. 322, 24–29 Cramer; vgl. Proc. Aed. I 2,7–12.
Literatur
Bauer (1996): Bauer, Franz Alto: Stadt, Platz und Denkmal in der Spätantike. Untersuchungen zur Ausstattung des öffentlichen Raums in den spätantiken Städten Rom, Konstantinopel und Ephesos, Mainz, 1996.
Bury (1897): Bury, John B.: Johannes Malalas: The Text of the Codex Baroccianus, ByzZ, 1897, 219–230.
Chilmead (1691): Chilmead, Edmund: Johannis Antiocheni cognomento Malalae Historia Chronica … nunc primum edita cum Interpret. & Notis Edm. Chilmeadi …, Oxonii, 1691.
Dindorf (1831): Dindorf, Ludwig: Iohannis Malalae Chronographiae ex recensione L. Dindorfii, Bonn, 1831.
James (1990): James, Alan: The language of Malalas, 1: General survey, Jeffreys, Elisabeth/Croke, Brian/Scott, Roger, Studies in John Malalas, 6, Sydney 1990, 217–224.
Müller-Wiener (1977): Müller-Wiener, Wolfgang: Bildlexikon zur Topographie Istanbuls. Byzantion, Konstantinupolis, Istanbul bis zum Beginn des 17. Jahrhundert, Tübingen, 1977.
Saliou (2006): Saliou, Catherine: Statues d'Antioche de Syrie dans la Chronographie de Malalas, Agusta-Boularot, S. and Beaucamp, J. and Bernardi, A.-M. and Caire, E., Paris 2006, 69–96.
Stichel (1982): Stichel, Rudolf H. W.: Die römische Kaiserstatue am Ausgang der Antike. Untersuchungen zum plastischen Kaiserporträt seit Valentinian I. (364-375 n. Chr.), Rom, 1982.
Thurn (2000): Thurn, Johannes: Ioannis Malalae Chronographia, Berolini et Novi Eboraci, 2000.
Wolf (1911): Wolf, Karl: Studien zur Sprache des Malalas, Tl. 1: Formenlehre, Diss. München, 1911.