Malalas 18.26 1–25 = 53–77 (Thurn)
Kapitel 26 handelt von den Auseinandersetzungen zwischen Römern und Persern im Jahr 528 n. Chr. Kaiser Justinian entsendet nach einer römischen Niederlage zum Schutz der römischen Städte, die in der Nähe der persischen Grenze liegen, Senatoren aus Konstantinopel. Amida, Edessa, Kontantina, Beroia und Sura sollen auf diese geschützt werden, nachdem die drei zuerst genannten Städte bereits im Perserkrieg unter Anastasios (502–506 n. Chr.) in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Es fällt auf, dass die Ereignisse aus der Sicht Konstantinopels bzw. des Kaisers berichtet werden (1 Ἐν αὐτῷ δὲ τῷ χρόνῳ ἀπηγγέλθη Ἰουστινιανῷ τῷ βασιλεῖ; 13f. καὶ ἀπηγγέλθη τὰ γενόμενα τῷ βασιλεῖ Ἰουστινιανῷ; 17f. Ἔπεμψεν δὲ ὁ αὐτὸς βασιλεὺς συγκλητικοὺς ἀπὸ Κωνσταντινουπόλεως) – möglicherweise ein Hinweis auf die von Malalas an dieser Stelle verwendete Quelle, bei der es sich um eine Verlautbarung aus der Hauptstadt gehandelt haben könnte.
Philologisch-Historischer Kommentar
Parallelüberlieferung
Literatur
Auch in den römisch-persischen Auseinandersetzungen des 6. Jh. wurde die Stadt, deren Mauern in den frühen 370ern von Kaiser Valens wieder aufgebaut worden waren, zum Schauplatz militärischer Auseinandersetzungen. Nach mehrwöchiger Belagerung wurde Amida im Jahr 503 vom Perserkönig Kavadh I. eingenommen und erst 505 wieder unter römische Kontrolle gebracht. Kaiser Anastasios bemühte sich um den Wiederaufbau der Stadt, auch Justinian sorgte für die Instandhaltung der Stadtmauern (Procop. Aed. II 3,27). Die drei Hauptquellen zur Belagerung Amidas in den Jahren 502–503 sind die Schriften von Josua Stylites, Prokop und Ps.-Zachrias (Diskussion der Quellen v.a. bei Greatrex 2010a, 227–251 und Greatrex/Lieu 2002, 63–67; zur Belagerung 502–503 vgl. außerdem Greatrex 1998, 83–115; Haarer 2006, 54–56; Lenski 2007, bes. 223f.; Meier 2009, 194–201). Malalas erwähnt die Eroberung Amidas im 16. Buch (XVI 9), das von der Regierungszeit des Anastasios handelt.
Die Stadt wurde zu Beginn des 6. Jh. von zahlreichen Schicksalsschlägen heimgesucht; neben einer Reihe von Naturkatastrophen sind die bereits erwähnte Belagerung durch die Perser 502/503 sowie die anschließende Phase der Rückeroberung durch die Römer hervorzuheben (einen Überblick bieten AshbrookHarvey 1990, 59–65; AshbrookHarvey 1980, 1–3). Auch wenn die Stadt von weiteren persischen Angriffen verschont blieb, muss schon aufgrund ihrer Lage in der Nähe der persischen Grenze während der Perserkriege Justins I. und Justinians eine gewisse Unsicherheit unter der Bevölkerung geherrscht haben (vgl. Meier 2004a, 413). Vor diesem Hintergrund ist die Reaktion der Amidener im Jahr 560 zu betrachten, als die falsche Nachricht von einem unmittelbar bevorstehenden persischen Angriff auf die Stadt drang. Es soll – so Johannes von Ephesos – eine Massenhysterie ausgebrochen sein, die ein Jahr lang die Bevölkerung befallen habe (vgl. AshbrookHarvey 1980, 3f., zu den Quellen s. bes. Anm. 11). Das auf den ersten Blick wahnsinnige Verhalten der Menschen weist allerdings gewisse Gesetzmäßigkeiten auf und lässt sich als Ausdruck einer Negation der gängigen christlichen Normvorstellungen, aber auch der Staatsgewalt, die beim Schutz der Stadt versagt hatte, interpretieren (vgl. Meier 2004a, 412–426).
Dass die Stadt aufgrund ihrer Lage im römisch-persischen Grenzgebiet besonders gefährdet war, war spätestens während des Perserkrieges des Anastasios deutlich geworden. Nachdem Kabades I. im Januar 503 die Belagerung Amidas (s.o.) erfolgreich abgeschlossen hatte, zog er über Konstantina (s.u.) in Richtung Edessa. Es folgten langwierige Verhandlungen um die Bedingungen für einen Freikauf der Stadt und zwei Belagerungen, allerdings wagte es der Perserkönig nicht, in die Stadt einzudringen, und zog sich im Herbst 503 zurück (vgl. Meier 2009, 204–206; Greatrex 1998, 103–105). Edessa wurde – wie viele römische Städte im Osten – im 6. Jh. von einer Reihe von Katastrophen heimgesucht, unter denen ein schlimmes Hochwasser des Skirtos (525; das Ereignis, der Wiederaufbau der Stadt sowie ihre Umbenennung in Justinopolis durch den Kaiser bei Malal. XVII 15) sowie drei persische Angriffe (503, 540 und 544) hervorgehoben seien (vgl. Segal 1970, 112–114; 154–160; 187–189). Dass diese und ähnliche bedrückende Ereignisse einen wichtigen Stellenwert im öffentlichen Diskurs einnahmen, verdeutlicht eine zentrale Quelle für die Geschichte der Stadt, die bis zum Jahr 540 reicht, die in syrischer Sprache verfasste Chronik von Edessa, die eine Auflistung von Katastrophen bietet (vgl. Meier 2004a, 387). Militärischen Angriffen auf die Stadt kam auch eine große symbolische Bedeutung zu, da man Edessa unter dem besonderen Schutz Christi glaubte, wie etwa deutlich wird, wenn Prokop in Zusammenhang mit dem Ansturm des Chosroes und der anschließenden Belagerung 544 von einem Angriff gegen Gott spricht: αὕτη δὲ ἡ ἐσβολὴ τῷ Χοσρόῃ τούτῳ οὐ πρὸς Ἰουστινιανὸν τὸν Ῥωμαίων βασιλέα πεποίηται, οὐ μὴν οὐδὲ ἐπʼ ἄλλων ἀνθρώπων οὐδένα, ὅτι μὴ ἐπὶ τὸν θεὸν ὅνπερ Χριστιανοὶ σέβονται μόνον (Procop. Pers. II 26,2). Die beiden Hauptquellen zur Belagerung des Jahres 544, Procop. Pers. II 26–27 und Evagr. HE IV 27, führen das Scheitern des persischen Angriffs auf den Schutz Christi zurück. Während Prokop berichtet, dass in dem berühmten Briefwechsel zwischen dem Edessener Abgar und Christus Letzterer nicht nur die Heilung des erkrankten Abgar, sondern auch den Schutz der Stadt für die Zukunft zugesichert habe (Procop. Pers. II 12,8–30, anlässlich des Angriffs 540), spricht Euagrios von einem Christusbild, das die Perser abgewehrt habe (die Überlieferung der Abgar-Legende ist sehr komplex; die Legende um Abgar und die Geschichte vom wundertätigen Christusbild, die zuvor unabhängig voneinander kursierten, wurden wohl erst nach der erfolglosen Belagerung Edessas 544 miteinander verwoben, vgl. die Diskussion bei Meier 2004a, 387–401). Die Eroberung der Stadt gelang den Persern schließlich im Jahr 608, doch wurde sie von Herakleios wieder zurückerobert, bis sie 639 von den Arabern eingenommen wurde. (Jonas Borsch)