Malalas 18.43 1–3 = 25–27 (Thurn)

1 (25)
Ἐν αὐτῷ δὲ τῷ καιρῷ ἠγανακτήθη ἀπὸ ὑπάτων Πρίσκος, ὁ ἀπὸ
 
νοταρίων τοῦ αὐτοῦ βασιλέως, καὶ δημευθεὶς ἐγένετο διάκονος καὶ ἐπέμ-
 
φθη ἐν Κυζίκῳ.
Kapitel-Kommentar
Mal. 18.43
Kapitel 43 berichtet von Priskos (PLRE IIIB (Priscus 1), 1051), dem ehemaligen Sekretär Justinians und Ehrenkonsul des Jahres 529 n. Chr., der in Ungnade fiel, und enteignet wurde. Er wurde gezwungen, Kleriker zu werden, und wurde als Diakon nach Kyzikos geschickt; vgl. dazu auch Theoph. I 186,15–17, die Excerpta de Insidiis 171,35–172,5 sowie Procop. Anecd. 16,7.
Den Quellen zufolge geriet er in einen Konflikt mit Theodora, die er in der Version der Excerpta de Insidiis 171,35–172,5 unziemlich behandelt hatte bzw. die ihn in der Version Prokops daraufhin bei ihrem Ehegatten anschwärzte (vgl. Procop. Anecd. 16,8; diese Vorinformation fehlt in der Chronographia), woraufhin Priskos nach Kyzikos verbannt wurde. Vor allem Prokop schmückt die Geschichte um Priskos mit weiteren Details aus: Seinen Ausführungen zufolge wurde Priskos nicht auf Geheiß Justinians dazu gezwungen, die Priesterweihe zu empfangen um fortan ein Leben als Kleriker zu führen, sondern musste auf Wunsch Theodoras (bei Unwissenheit Justinians) eine Tonsur vornehmen lassen, vgl. Procop. Anecd., 16,9–10. Prokop ergänzt auch Details zum Charakter des Übeltäters: Er sei von übler Art gewesen und habe seinem Herrn Justinian in Nichts nachgestanden, vgl. Procop. Anecd., 16,7. Allen Versionen gemeinsam ist die Erwähnung, dass das Vermögen des Priskos konfisziert wurde. Die Excerpta de insidiis, die möglicherweise eine ältere Version der Chronographia bewahren (vgl. Mango/Scott 1997, 306f. Anm. 1), bezeugen für die Verbannung selbst einen etwas anderen Verlauf: Demnach sei Priskos zunächst in Kyzikos festgesetzt worden, von dort jedoch ins benachbarte Artake geflohen, wo er Schutz in einem Heiligtum suchte. Erst daraufhin habe man seine Priesterweihe erzwungen und ihn nach Nikaia (Bithynien) geschickt.
Philologisch-Historischer Kommentar
1/1 Ἐν αὐτῷ δὲ τῷ καιρῷ: Noch immer werden Ereignisse des Jahres 529 n. Chr. geschildert.
1/6 ἠγανακτήθη: Passiver Aorist des Verbes ἀγανακτέω, i.e. „sich den Zorn jemandes zuziehen“, „Opfer jemandes Zornes sein“; dazu: XV 15, 4.
1f./7 ὁ ἀπὸ ὑπάτων […] ὁ ἀπὸ νοταρίων: ὁ ἀπὸ + Genitiv Plural eines Amtsnamens bezeichnet einen ehemaligen Inhaber eines solchen Amtes: TLL Bd. 5,2 Sp. 1101, s. auch Rüger 1895, 36f. mit weiteren Beispielen aus der Chronographia (darunter am auffallendsten, weil nicht wie sonst auf Staatsämter bezogen ist X 31 Διονύσιος ὁ ἀπὸ φιλοσόφων: Dionysius Areopagita ist ein ‚ehemaliger Philosoph‘, nun aber Bischof und Christ). Diese Übertragung ins Griechische ist seit dem Prinzipat geläufig (DGE ἀπό B VIII).

Der nun in Ungnade gefallene Priskos war also Ex-Konsul und Ex-Sekretär. Während die Bezeichnung als Ex-Konsul mehrfach in der Chronographia belegt ist, lässt sich für ἀπὸ νοταρίων nur eine weitere Stelle zitieren, die allerdings eine Ergänzung von Thurn aus Chron. Pasch. 618,11–12 ist (XVIII 4 Πέτρου στρατηλάτου <τοῦ ἀπὸ νοταρίων τοῦ βασιλέως>). Zur Institution des Honorarkonsulats X 1, 6. Zum Latinismus νοτάριος: IV 16, 10. (Laura Carrara)
2f./5 καὶ δημευθεὶς ἐγένετο διάκονος καὶ ἐπέμφθη ἐν Κυζίκῳ: Vgl. die sprachlich sehr ähnliche Passage XVIII 89, 2: Die Ähnlichkeit beider Passagen kann - entgegen der These von [L:Croke+1990, 17–25] – ein Hinweis auf die Einheitlichkeit des Werkes sein.
2f./10 ἐπέμφθη ἐν Κυζίκῳ: Zu Kyzikos: IV 8, 6. Ortsbestimmungen mit ἐν + Dat. da, wo man klassisch Richtungsangaben mit εἰς + Akk. erwartet hätte, d.h. nach ganz geläufigen Verben der Bewegung („gehen (nach)“, „schicken/geschickt werden (nach)“ usw.), finden sich sehr oft in der Chronographia, vgl. z.B. XVIII 17 εἰσαγαγεῖν ἐν αὐτῇ, 18 ἠνέχθησαν ἐν Κωνσταντινουπόλει und 35 εἰσελθὼν ἐν Νεαπόλει; alle relevanten Stellen sind gesammelt bei Thurn 2000, 504 im Index graecitatis. Auch das umgekehrte Phänomen – d.h. εἰς + Akk. statt ἐν + Dat. für das Verweilen an einem Orte – ist in der Chronographia sehr häufig (s. ebd.). Horrocks 2010a, 246f. erklärt diese „locative/allative ‚confusion‘ between [en] + dative and [is (eis)] + accusative“ als eine Folge der inneren Unbestimmtheit solcher spatialen Präpositionalausdrücke, bei denen die zwei Aspekte einer jeden Bewegung („zu einem Ort gehen“ und „dort sein“) zumindest gedanklich immer präsent sind; s. auch die ähnliche Erklärung von Browning 1983, 36–37.
Parallelüberlieferung
Procop. Anecd. 16,7–10; Theoph. I 186,15–17; Exc. de ins. 171,35–172,5
Literatur
Akurgal (1976): Akurgal, E.: Kyzikos (Belkis or Balkiz) Turkey, The Princeton Encyclopedia of Classical Sites, 1976, 473–474.
Browning (1983): Browning, Robert: Medieval & Modern Greek, Cambridge, 1983.
Burrell (2002): Burrell, Barbara: Temples of Hadrian, not Zeus, Greek, Roman, and Byzantine Studies 43, 2002, 31–50.
Ehrhardt (1983): Ehrhardt, Norbert: Milet und seine Kolonien, Frankfurt, 1983.
Festugière (1978): Festugière, André-Jean: Notabilia dans Malalas. I, Revue de Philologie, 1978, 221–241.
Hasluck (1910): Hasluck, F. W: Cyzicus, Cambridge, 1910.
Horrocks (2010a): Horrocks, Geoffrey: Greek: A History of the Language and Its Speakers, Malden, MA/Oxford/Chichester, 2010.
James (1990): James, Alan: The language of Malalas, 1: General survey, Jeffreys, Elisabeth/Croke, Brian/Scott, Roger, Studies in John Malalas, 6, Sydney 1990, 217–224.
Jeffreys (1990e): Jeffreys, Michael: The language of Malalas, 2: Formulaic phraseology, Jeffreys, Elisabeth/Croke, Brian/Scott, Roger, Studies in John Malalas, 6, Sydney 1990, 225–231.
Körting (1879): Körting, Gustav: De vocibus latinis quae apud J. Malalam chronographum Byzantinum inveniuntur, Münster, 1879.
Mango/Scott (1997): Mango, Cyril and Scott, Roger: The Chronicle of Theophanes Confessor. Byzantine and Near Eastern History AD 284–813, Oxford, 1997.
Marquardt (1836): Marquardt, J.: Cyzicus und sein Gebiet, Berlin, 1836.
Psaltes (1913): Psaltes, Stamatios B.: Grammatik der byzantinischen Chroniken, Göttingen, 1913.
Rüger (1895): Rüger, Anton: Studien zu Malalas. Präpositionen und Adverbien. Das 18. Buch. Die konstantinischen Excerpte. Die tuskulanischen Fragmente, Bad Kissingen, 1895.
Schwertheim (1980/1983): Schwertheim, E.: Die Inschriften von Kyzikos und Umgebung (Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien), Bonn, 1980.
Thurn (2000): Thurn, Johannes: Ioannis Malalae Chronographia, Berolini et Novi Eboraci, 2000.