Malalas 18.7 1–3 = 61–63 (Thurn)

Inhalt

Kapitel 7 beschränkt sich auf den kurzen Hinweis, dass unter der Herrschaft Justinians einige Häresien unterdrückt und bekämpft wurden.

Philologisch-Historischer Kommentar
Parallelüberlieferung
Literatur

1 (61)
Ἐν δὲ τῇ αὐτοῦ βασιλείᾳ ἐκωλύθησαν αἱρέσεις διάφοροι, καὶ ἀπε-
 
σπάσθησαν αἱ ἐκκλησίαι παρ' αὐτῶν δίχα τῶν λεγομένων Ἐξακιονιτῶν
 
Ἀρειανῶν.
Philologisch-Historischer Kommentar
1/6 ἐκωλύθησαν κωλύω hier im Sinne von verbieten (vgl. WNT s.v. κωλύω 2.) In der speziellen Bedeutung ‚verbieten‘ bereits bei Philochoros, FGrH 328 Fr. 169a: Φιλόχορος δὲ ἱστορεῖ καὶ κεκωλῦσθαι Ἀθήνησιν ἀπέκτου ἀρνὸς μηδένα γεύεσθαι, ἐπιλιπούσης ποτὲ τῆς τῶν ζώιων τούτων γενέσεως. (Johann Martin Thesz)
1/8 διάφοροι Im Sinn von ‚diverse‘. Vgl. LSJ s.v. διάφορος I. 1. b. (Johann Martin Thesz)
1f./10 ἀπεσπάσθησαν αἱ ἐκκλησίαι παρ᾿ αὐτῶν ἀποσπάω im klassischen Griechisch meist mit separativem Genitiv oder mit ἀπό τινος. (Johann Martin Thesz)
2/5 αὐτῶν sc. die Häretiker. Möglicherweise ist der Text hier verkürzt. Vgl. die etwas ausführlichere Darstellung bei Theoph. 176,17–19: ὁ δὲ βασιλεὺς Ἰουστινιανὸς ἀπέσπασε πάσας τὰς ἐκκλησίας τῶν αἱρετικῶν καὶ ἀπέδωκεν αὐτὰς τοῖς ὀρθοδόξοις δίχα τῶν Ἐξακιονιτῶν Ἀρειανῶν. Vgl. außerdem Cedr. 645,7–8: Ὁ δὲ βασιλεὺς Ἰουστινιανὸς πάσας τὰς ἐκκλησίας τῶν αἱρετικῶν δέδωκε τοῖς ὀρθοδόξοις, χωρὶς τῶν ἐξωκιονιτῶν Ἀρειανῶν. (Johann Martin Thesz)
2f./9 Ἐξακιονιτῶν Ἀρειανῶν: Die Bezeichnung Ἐξακιονίται bzw. Ἑξακιονίται für die ‚Arianer‘ stammt aus der Zeit Theodosius‘ des Großen, als es diesen verboten wurde, Gottesdienste innerhalb der Stadtmauern abzuhalten und sie auf einen außerhalb liegenden Platz, das Ἑξακιόνιον, ausweichen mussten. Vgl. Thdt. haer. 421: Οἱ αὐτοὶ δὲ καὶ Ἐξακιονῖται προσαγορεύονται, ἀπὸ τοῦ τόπου τὴν ὀνομασίαν δεξάμενοι, ἐν ᾧ ποιεῖσθαι εἰώθασι τὴν συνέλευσιν. Im Zuge seines Vorgehens gegen Häretiker (u.a. Versammlungverbot, Cod. Theod. XVI 5,6) verwies Theodosius den arianischen Bischof Demophilos der Stadt, nachdem sich dieser geweigert hatte, das nicänische Glaubensbekenntnis anzunehmen. (Vgl. Soz. VII 5 und Socr. V 6).
Der Terminus, der in der Gesetzgebung nicht verwendet wird, ist außerdem belegt bei Malal. XIII 17 (Ἐξακιονίτης, ὅ ἐστιν Ἀρειανός), XIII 34, XIV 41, XV 10; Theoph. 496,28. 176,19; Chron. Pasch. 561, 597, 605; Cedr. I 645 (bei Cedrenos und im Chonicon Paschale steht ἐξωκιονίται).
Schon während der kurzen Zeit, in der Justinian und Justin gemeinsam regierten (1. April 527–1. August 527), wurde ein umfangreiches Gesetz gegen Häretiker, Manichäer und Samaritaner erlassen (Cod. Iust. I 5,12); zahlreiche weitere Gesetze sollten in den folgenden Jahren folgen, vgl. Cod. Iust. I 5,12–22. Die Bestimmungen betreffen verschiedene als häretisch geltende Gemeinschaften – wobei der Terminus Häretiker nicht explizit ausgedeutet wird (vgl. Leppin 2011a, 105). In diesem Zusammenhang sollte betont werden, dass die antihäretischen Gesetze der frühen Regierungszeit Justinians nicht gegen die Miaphysiten gerichtet waren, zu denen Justinian eine Annäherung suchte, sondern gegen gemeinsame theologische Gegner. „Die Identifizierung gemeinsamer Feinde sollte wohl eine gemeinsame Identität begründen“ (Leppin 2011b, 91).
Die einzelnen von Justinian getroffenen Regelungen sind von unterschiedlicher Härte. Während gegen die Manichäer besonders rigoros vorgegangen wurde (I 5,12,3: Ἀλλὰ τοὺς μὲν Μανιχαίους, ὥσπερ εἰρήκαμεν, οὕτω καὶ ἀπελαύνεσθαι δεῖ καὶ μηδὲ τὴν προσηγορίαν αὐτῶν ὑπομένειν μηδένα μηδὲ περιορᾶν, εἴπερ ἐν τῷ αὐτῷ διάγοι τοῖς ἄλλοις ὁ τὴν ἀθεΐαν ταύτην νοσήσας ἄνθρωπος, ἀλλὰ καὶ ταῖς εἰς ἔσχατον τιμωρίαις ὑπάγεσθαι τὸν ὁπουδὴ γῆς φαινόμενον Μανιχαῖον), wurden bei anderen Gruppierungen etwa das Bekleiden von öffentlichen Ämtern oder das Abhalten von Versammlungen verboten. Auch Fragen des Vermögens- und Erbrechts wurden so geregelt, dass Vermögen innerhalb häretischer Familien kaum weitervererbt werden konnte und somit deren Elite geschwächt wurde (Leppin 2011a, 105). Ferner wurden der Bau von Gotteshäusern verboten, Weihe- und Lehrverbote verhängt und einige weitere Regelungen getroffen (zur frühen Religionspolitik Justinians in Bezug auf Häretiker und Heiden vgl. Meier 2004a, 198ff.; allgemein zur frühen Religionspolitik vgl. Leppin 2011b).
Parallelüberlieferung
Theoph. 176, 17–19; Cedr. 645,7–8; Leo Gramm. 125, 8–9; Cramer, Anecd. Paris. 2, 320, 17–18; Slav. 27,1–3.
Literatur
Leppin (2011a): Leppin, Hartmut: Justinian. Das christliche Experiment, Stuttgart, 2011.
Leppin (2011b): Leppin, Hartmut: Zu den Anfängen der Kirchenpolitik Justinians, Justinian, 2011, 78–99.
Meier (2004a): Meier, Mischa: Das andere Zeitalter Justinians. Kontingenzerfahrung und Kontingenzbewältigung im 6. Jahrhundert n. Chr., Göttingen, 2004.