Malalas 18.21 1–21 = 74–94 (Thurn)

Inhalt

Kapitel XVIII 21 beschreibt den Kampf mehrerer magistri militum gegen einen von Malalas als hunnisch bezeichneten Verband, der in Skythien und Moesien eingefallen ist. Zunächst gelingt es den römischen Militärführern, die Oberhand innerhalb des Kampfgeschehens zu gewinnen, dann jedoch treffen sie auf einen anderen hunnischen Verband, der die Römer in die Flucht schlag und zwei magistri militum gefangen setzt.

Philologisch-Historischer Kommentar
Parallelüberlieferung
Literatur

1 (74)
Ἐπὶ δὲ τῆς αὐτοῦ βασιλείας δύο στρατηγοὶ Οὕννων ἐπιρρίψαντες
 
μετὰ πλήθους εἰς τὴν Σκυθίαν καὶ τὴν Μυσίαν, ὄντος ἐκεῖ στρατηλάτου
 
Ῥωμαίων Βαδουαρίου καὶ Ἰουστίνου, καὶ ἐξελθὸντων αὐτῶν κατὰ τῶν
 
Οὕννων καὶ συμβολῆς γενομένης ἐσφάγη Ἰουστῖνος ἐν τῷ πολέμῳ· καὶ
5 (78)
ἐγένετο ἀντ' αὐτοῦ Κωνσταντίολος ὁ Φλωρεντίου στρατηλάτης τῆς
 
Μυσίας. καὶ ἦλθον οἱ Οὗννοι πραιδεύοντες ἕως τῆς Θρᾴκης· καὶ ἐξελθὼν
 
κατ’ αὐτῶν ὁ στρατηλάτης Κωνσταντίολος καὶ Γοδιλᾶς καὶ ὁ τοῦ Ἰλλυ-
 
ρικοῦ στρατηλάτης Ἀσκοὺμ ὁ Οὗννος, ὃν ἐδέξατο ὁ βασιλεὺς Ἰουστινια-
 
νὸς ἐν ἁγίῳ βαπτίσματι, καὶ μεσολαβηθέντων τῶν Οὕννων ἐν τῷ πο-
10 (83)
λέμῳ, καὶ πολλῶν ἐξ αὐτῶν πιπτόντων, ἀπέφυγεν ἡ πραῖδα πᾶσα, καὶ
 
ἐγένοντο Ῥωμαῖοι ἐπικρατέστεροι, φονεύσαντες καὶ τοὺς δύο ῥῆγας. καὶ
 
ὡς ὑποστρέφουσιν, ὑπηντήθησαν ὑπὸ ἄλλων Οὕννων· καὶ συμβαλόντες
 
ἀπὸ κόπου καὶ ἀσθενέστεροι ὄντες οἱ Ῥωμαίων στρατηγοὶ δέδωκαν
 
νῶτα· καὶ καταδιώξαντες οἱ Οὗννοι ἐσόκευσαν φεύγοντας τοὺς ἐξάρχους
15 (88)
Ῥωμαίων. καὶ ὁ μὲν Γοδιλᾶς ἀποσπάσας τὸ ἴδιον ξίφος ἔκοψε τὸν σὸκον
 
καὶ ἐξείλησεν, ὁ δὲ Κωνσταντίολος ἠνέχθη ἀπὸ τοῦ ἵππου ἐπὶ τὸ ἔδαφος·
 
καὶ ὁ Ἀσκοὺμ δὲ συνελήφθη. καὶ λαβόντες τοὺς δύο αἰχμαλώτους, τὸν
 
μὲν Κωνσταντίολον ἀνέδωκαν, λαβόντες παρὰ τοῦ βασιλέως Ῥωμαίων
 
νομίσματα μύρια, καὶ ἀνῆλθεν ἐν Κωνσταντινουπὸλει· τὸν δὲ Ἀσκοὺμ
20 (93)
τὸν Οὗννον κρατήσαντες ἀνεχώρησαν ἐπὶ τὴν χώραν αὐτῶν μετὰ καὶ
 
ἄλλων πολλῶν αἰχμαλώτων· καὶ εἰρήνευσε λοιπὸν τὰ Θρᾳκικὰ μέρη.
Philologisch-Historischer Kommentar
1ff./1 Ἐπὶ δὲ τῆς αὐτοῦ βασιλείας δύο στρατηγοὶ Οὕννων ἐπιρρίψαντες μετὰ πλήθους εἰς τὴν Σκυθίαν καὶ τὴν Μυσίαν, ὄντος ἐκεῖ στρατηλάτου Ῥωμαίων Βαδουαρίου καὶ Ἰουστίνου καὶ ἐξελθὸντων αὐτῶν κατὰ τῶν Οὕννων καὶ συμβολῆς γενομένης ἐσφάγη Ἰουστῖνος ἐν τῷ πολέμῳ: Bei der in Kapitel 21 beschriebenen militärischen Aktion gegen einen hunnischen Verband handelt es sich eigentlich um die Reaktion Ostroms auf einen Bulgareneinfall in Moesien und Skythien im Jahr 528/29 n. Chr. Die Schwierigkeit der exakten Einordung des an dieser Stelle geschilderten Geschehens ergibt sich zum einen aus der Tatsache, dass Malalas hier eine andere Terminologie in Bezug auf die von ihm beschriebenen Verbände verwendet als andere Chronisten (vgl. Theoph. 218, der in diesem Zusammenhang von „Bulgaren“ spricht), zum anderen aus der Tatsache, dass Theophanes diese Begebenheit auf einen späteren Zeitpunkt, in das Jahr 538/539, datiert. Auf beide Unstimmigkeiten soll kurz eingegangen werden.
Die Frage nach der korrekten Bezeichnung des hier beschriebenen Verbandes rührt ein komplexes Problem der Zuordnung von Verbandsbezeichnungen an, das gerade im Kontext von Hunnen und Bulgaren stark hervorsticht. Kernproblem dabei ist die Frage, welche Verbindung zwischen beiden Verbänden bestanden hat. Teile der älteren Forschung ordneten die Bulgaren den Hunnen zu und begründeten dies u.a. mit der Terminologie Prokops, der statt von Bulgaren von Hunnen spricht, bzw. mit einer Äußerung Cassiodors, der behauptet, die Bulgaren stammten von den Hunnen ab, vgl. Cassiod. Var. VIII 10,4: egit de Hunnis. Auch gab und gibt es Überlegungen, den Bulgarenherrscher Irnik, der in der berühmten bulgarischen Fürstenliste erwähnt wird, mit dem Attilasohn Hernac gleichzusetzen (zur Forschungsdiskussion über die Zugehörigkeit der Bulgaren vgl. ausführlich Ziemann 2007, 50ff., zur bulgarischen Fürstenliste Pritsak 1955). Die Gegner dieser These argumentieren, dass erst im 6. Jh. schreibende Autoren wie Euagrios, Prokop und Agathias den Sammelnamen „Hunnen“ verwendeten, während frühere Chronisten Hunnen von Bulgaren unterschieden, man so also kaum von identischen Verbänden sprechen könne. Als Erklärung für die durchgehende Bezeichnung „Hunnen“ bei Prokop (vgl. Procop. Goth. VIII 3,5) wird angeführt, dass dieser alle als Hunnen bezeichne, die in der ersten Hälfte des 6. Jh. zwischen Don und Dnjepr lebten, wohingegen Autoren wie Ennodius, Cassiodor, Jordanes, Marcellinus Comes u.a. zwischen Bulgaren und Hunnen unterschieden hätten (Ziemann 2007, 53f.). Auslöser für die Überlegung, Hunnen und Bulgaren in einen ethnischen Zusammenhang zu bringen, ist dabei die Tatsache, dass der Name „Bulgaren“ relativ plötzlich im 5. Jh. in den Gebieten des einstigen Hunnenreiches auftaucht. Die Quellen erwähnen die Bulgaren im Gebiet zwischen Donau und Wolga, wo sie z.B. von Kaiser Zeno in einer Kampagne gegen die Ostgoten eingesetzt wurden (Joh. Ant. Frg. (Roberto) Nr. 303, S. 516, Z.72–75), nachdem sich die beiden im Wettstreit befindlichen Theoderiche versöhnt hatten (Ziemann 2007, 44f.). Auch Ennodius berichtet von den Bulgaren im Zusammenhang mit Theoderich d. Gr., der den Anführer dieses ansonsten unbezwingbaren Verbandes ernsthaft habe verwunden können, vgl. Ennodius Paneg. 5 (20). Für den Zeitraum 488–489 findet sich eine Erwähnung der Bulgaren bei Paulus Diaconus, in der Theoderich auf seinem Zug nach Italien auf einen Verbund aus Bulgaren und Gepiden getroffen sei und den Anführern beider Verbände den Tod beigebracht habe, vgl. Paulus Diac. Hist. Rom. XV 15. Darüber hinaus kommen sie auch bei Marcellinus Comes (Chron. a. 499) mit der Erwähnung einer Schlacht der Bulgaren gegen den magister militum per Illyricum Aristus vor (für die Nennungen sämtlicher Quellenbelege aus dieser Zeit vgl. Ziemann 2007, 44ff.). Die Bulgaren erscheinen in dieser ersten Phase ihrer Erwähnung einerseits als Verbündete der Römer gegen die Goten, andererseits als Eindringlinge in römisches Gebiet. Als ihr Aktionsgebiet wird der illyrische Raum und Thrakien angegeben, mitunter auch Pannonien (Ziemann 2007, 49f.). Damit fällt ihr Aktionsradius in die Gebiete des einstigen Hunnenreiches, was antike Historiker wie heutige Forscher zu der Annahme bewegt hat, bulgarische Gruppen seien möglicherweise in den hunnischen Herrschaftsverband integriert gewesen, was wiederum eine Identifizierung mit den Hunnen ermöglicht habe (zum Ursprung der Bulgaren, zum Entstehen des Bulgarisches Reiches, zum Verhältnis der Bulgaren zu Byzanz sowie ihrer zeitweiligen Eingliederung in das Reich der Awaren vgl. Ziemann 2007, passim; Browning 1975, passim. Vieles scheint tatsächlich für politische und kulturelle Verflechtungen zwischen Hunnen und Bulgaren zu sprechen, womit die Subsumierung der Bulgaren unter die Bezeichnung ‚Hunnen‘ (wie auch im vorliegenden Beispiel bei Malalas) lediglich dem Wunsch der Chronisten nach Systematisierung aus byzantinischer Perspektive ähnlich lokalisierter Gruppen entsprechen würde (Ziemann 2007, 55).
Bei den hier in das politische Geschehen involvierten Verbänden handelte es sich vermutlich um die sogenannten ‚Protobulgaren‘, die ethnologisch betrachtet der türkisch-ogurischen ‚Familie‘ angehörten und die im 6. Jh. zu wachsender Einheitlichkeit fanden. Dieser in der älteren Literatur häufig verwendete Begriff der „Protobulgaren“ ist dabei jedoch nicht unproblematisch, da er eine klare Unterscheidungsmöglichkeit zwischen den hier auftretenden vorslawischen und den späteren slawischen Bulgaren, aus denen sich die spätere bulgarische Nation entwickelte, suggeriert. Diese bulgarische Nation etablierte sich ab dem 7. (und bis zum 10. Jh.) und erstreckte sich über das Territorium der ehemaligen römischen Provinzen Moesia Inferior und (teilweise) Moesia Superior, Scythia minor sowie Thracia, also über den östlichen und südöstlichen Teil der Balkanhalbinsel; gewachsen war sie dabei aus einer Verschmelzung dreier Ethnien, der Thraker, Slaven und eben jener Protobulgaren (vgl. Dujcev 1983, 914ff.). Im 6. Jh. kann jedoch noch nicht von einer ethnischen Homogenität ausgegangen werden, sondern lediglich von einer Vereinheitlichung zahlreicher Verbände unter der Bezeichnung „Bulgaren“: Bedeutung für die bulgarische Ethnogenese vom 5. bis ins 6. Jh. hatten dabei Reste ehemaliger Attila-Hunnen, so genannte pontische Hunnen und die Gruppen der Oguren, Onoguren und Saguren (Meier 2009, 139ff.).
Die vorliegende Stelle charakterisiert sehr deutlich das Verhältnis zwischen Ostrom und den immer wieder in oströmisches Gebiet einfallenden (Proto)Bulgaren: Die großangelegten Expansionsbewegungen Justinians in Richtung Italien, Nordafrika, die iberische Halbinsel und Persien banden wichtige Kräfte, die bei der Verteidigung der Balkanprovinzen fehlten. Zwar fällt der hier geschilderte Vorfall noch nicht in diese Zeit, die spätere Entwicklung lässt sich aber schon erkennen: Die römischen Truppen können unter den Anführern Baduarios und Iustinus die bulgarischen Truppen zunächst schlagen (wobei Iustinus sein Leben lassen muss), werden dann aber von einem anderen Stamm der gleichen Ethnie und in anderer Besetzung erneut angegriffen und z.T. gefangengenommen. Malalas zufolge ereignete sich dies im Jahr 528/529, Theophanes verlegt das Geschehen in das Jahr 538/539. Diese Datierung beruht jedoch wahrscheinlich auf einer Verwechslung des bei Malalas genannten Iustinus (PLRE IIIA (Iustinus 1), 748) mit dem Sohn des Germanus, Iustin (PLRE IIIA (Iustinus 4), 750-754), vgl. dazu Mango/Scott 1997, 317.
Es offenbart sich, dass die einfallenden Verbände auf wenig Widerstand seitens der Römer trafen und das Kriegsglück mal auf Seiten der Byzantiner, mal auf Seiten der bulgarischen Feldherrn lag, was einer deutlich römischen Dominanz entgegensteht (vgl. dazu Ziemann 2007, 89f.). Zudem werden die römischen Truppen in der hier vorliegenden Textstelle als erschöpft beschrieben, was auf zahlreiche andere militärische Aktionen zur gleichen Zeit hindeutet.
1ff./6 δύο στρατηγοὶ Οὕννων ἐπιρρίψαντες μετὰ πλήθους εἰς τὴν Σκυθίαν καὶ τὴν Μυσίαν, ὄντος ἐκεῖ στρατηλάτου Ῥωμαίων Βαδουαρίου καὶ Ἰουστίνου, καὶ ἐξελθόντων αὐτῶν κατὰ τῶν Οὕννων καὶ συμβολῆς γενομένης ἐσφάγη Ἰουστῖνος: Für Malalas typische Satzkonstruktion mit zahlreichen Partizipialkonstruktionen unter Nichtbeachtung klassischer Regeln: 1) Absolutes Partizip im Nominativ (δύο στρατηγοὶ Οὕννων ἐπιρρίψαντες), 2) genitivus absolutus bezogen auf das Subjekt des Satzes (ὄντος ἐκεῖ στρατηλάτου Ῥωμαίων Βαδουαρίου καὶ Ἰουστίνου ... ἐσφάγη Ἰουστῖνος). (Johann Martin Thesz)
3/2 Βαδουαρίου: Baduarius war vermutlich magister militum und dux Scythiae im Jahr 528 n. Chr. (PLRE IIIA, 163). Wahrscheinlich zusammen mit dem auch hier erwähnten Godilas (PLRE IIIA (Baduarius 1), 539f.) leitetet er zunächst eine von Justinian entsandte Truppe zu Land zur Unterdrückung der aufständischen kimmerischen Hunnen unter ihrem Anführer Mougel, vgl. die Anmerkungen ad Malal. XVIII 14 und die dortigen Ausführungen. In XVIII 21 tritt er erneut zur Bekämpfung eines vermeintlichen Hunnenverbandes gemeinsam mit Iustinus (PLRE IIIA (Iustinus 1), 748) in Erscheinung, wobei es sich hier (der Parallelüberlieferung folgend) um einen bulgarischen Verband gehandelt haben dürfte, vgl. die obigen Ausführungen sowie die Parallelüberlieferung bei Theoph. 176 sowie 217f., Joh. Nik. 90,69 und Cedr. I 645.
Die Unterscheidung der hier vorliegenden Ämter dux Scythiae und dux Moesiae wird durch die Angabe bei Theophanes möglich (Theoph. 217,28), dem Iustinos habe Moesien, dem Baduarios Skythien unterstanden. Bei der Bezeichnung Skythien ist hier die seit der Neuaufteilung unter Kaiser Diocletian bestehende Provinz Scythia minor gemeint, deren Grenzen in etwa der heutigen Dobrudscha entsprechen, die teilweise in Rumänien und Bulgarien liegt (vgl. Kretschmer 1964, 946).
3/4 Ἰουστίνου: Magister utriusque militiae und dux Moesiae Secundae 528 n. Chr (PLRE IIIA (Iustinus 1), 748). Gemeinsam mit Baduarios (PLRE IIIA (Baduarius 1), 163) unternahm er im Jahr 528 einen Feldzug gegen einen bulgarischen Verband, der in Skythien und Moesien eingefallen war. Er wurde Malalas zufolge in diesem Kampf getötet, sein Nachfolger wurde Konstantiolos, s.u.
4ff./10 καὶ ἐγένετο ἀντ' αὐτοῦ Κωνσταντίολος ὁ Φλωρεντίου στρατηλάτης τῆς Μυσίας: Bei Konstantiolos handelt es sich um den magister utriusque militiae und dux Moesiae secundae im Jahr 528 n. Chr. (PLRE IIIA (Constantiniolus), 352f.), den Nachfolger des Iustinus (PLRE IIIA (Iustinus 1), 748) (von Theophanes als Constantinus bezeichnet, vgl. 218), der nach Iustinus‘ Ausscheiden an der Seite von Askum (siehe Kommentar zu Zeile XVIII 21,8) und Godilas (siehe Kommentar zu Zeile XVIII 21,7) eine römische Truppe gegen die nach Moesien und Skythien eingefallenen Bulgaren anführte. Nach anfänglichem Sieg wurde er in der zweiten bei Malal. XVIII 21 beschriebenen Schlacht zusammen mit Askum gefangen genommen, anschließend von Justinian jedoch freigekauft, woraufhin er nach Konstantinopel zurückkehrte. Er spielte in der Folgezeit weiterhin eine wichtige Rolle im oströmischen Heer: so wurde er im Jahr 531 nach der Niederlage Belisars in Kallinikon entsandt, um die Lage und die Umstände dieser Begebenheit zu prüfen. Nach einem Aufeinandertreffen mit römischen Heerführern berichtete er Justinian bei seiner Rückkehr von seinen Ergebnissen, woraufhin dieser Belisar seines Postens enthob und ihn durch Mundos (PLRE IIIB (Mundus), 903-905) ersetzte, vgl. Malal. XVIII 60ff. Schließlich taucht Konstantiolos auch im Zusammenhang des Nika-Aufstandes auf, in dessen Verlauf er zur Beruhigung der Volksmengen ausgesandt wurde, die Gründe für ihren Unmut und ihre Forderungen in Erfahrung brachte und sie Justinian mitteilte, vgl. Malal. XVIII 71 und Chron. Pasch. s.a. 532. Er wird darüber hinaus als Mitglied einer Palastwache zusammen mit Mundos erwähnt, die während der Abwesenheit Justinians, die dieser im Zusammenhang des Nika-Aufstandes in Erwägung gezogen haben soll, eingesetzt werden sollte (Theoph. 184–185), sowie außerdem im Zusammenhang der Attacke gegen die aufständischen Volksmassen im Hippodrom (Malal. XVIII 71).
6/6 πραιδεύοντες: Vom Lehnwort πραῖδα (< Lat. praeda, 'Beute') abgeleitet: II 7, 15. (Olivier Gengler)
7/7 Γοδιλᾶς: Bei Godilas handelt es sich vermutlich um einen magister utriusque militiae per Thracias oder vacans des Jahres 528 n. Chr. (PLRE IIIA (Godilas 1), 539f.). Er taucht bei Malalas nur in XVIII 21 eindeutig auf, im Zusammenhang der Kriegshandlungen mit Baduarius zur Unterdrückung der aufständischen kimerischen Hunnen unter ihrem neuen Anführer Mougel ist er nur bei Johannes von Nikiu in der Form Tutilan belegt, vgl. Joh. Nik. 90,68–9. Im vorliegenden Abschnitt XVIII 21 gelingt es ihm als einzigem der drei Feldherren sich aus der Gefangenschaft durch die Bulgaren zu befreien.
8f./3 Ἀσκοὺμ ὁ Οὗννος, ὃν ἐδέξατο ὁ βασιλεὺς Ἰουστινιανὸς ἐν ἁγίῳ βαπτίσματι: Askum (PLRE IIIA (Ascum), 136), magister utriusque militiae per Illyricum im Jahr 528 n. Chr., der Malalas als Hunne beschreibt, genauso wie Theophanes 218 (und Cedr. 651, 19 nach ihm), wobei dieser die Gegner der Römer hier nicht als Hunnen sondern als Bulgaren identifiziert (vgl. oben). Askums Rekrutierung als Anführer entspricht einer traditionellen römischen Strategie, die Justinian am Anfang seiner Regierung mehrmals im Balkan einsetzt: → XVIII 46 über Askums Nachfolger Moundos. Die Taufe scheint (zumindest in der Vorstellung Malalas), eine Etappe der Romanisierung zu sein, die ebenfalls für andere Anführer barbarischer Herkunft erwähnt wird: XVIII 6,3 und 14,3. Die Erwähnung von Askums Taufe lässt vermuten, dass er einen ähnlichen Werdegang wie diese barbarische Herrscher durchlaufen hatte ( → XVIII 46, 1ff.).
9/6 μεσολαβηθέντων: μεσολαβέω ist nachklassisch, zuerst in der hellenistischen Prosa belegt. Hier in der Bedeutung ‚umgeben‘ (vgl. Lampe s.v. 5: ‚place in the middle‘) gebraucht, vgl. die Übersetzungen von Thurn („Und die Hunnen wurden im Kampf in die Zange genommen“ [454]) und Jeffreys („The Huns were surrounded in the fighting“ [254]). In diesem Sinn bereits bei Vett. Val. VI 2, 98f.: ἐπὰν δὲ δικτύου τρόπον ὑπὸ τῶν ἐναντίων περιφρουρηθῇ, ἀδιεξόδους τὰς εὐθείας ἔχων καὶ μεσολαβηθεὶς ἀπόλλυται und Eus. Is. I 77, 71f.: μεμεσολαβημένον δὲ τὸ Ἰουδαίων ἔθνος, ποτὲ μὲν ὑπὸ Σύρων ἐπολεμεῖτο, ποτὲ δὲ ὑπὸ τῶν Πτολεμαίων. (Johann Martin Thesz)
10/9 πραῖδα: Wie das Verb πραιδεύω 'pündern' (Z. 6) ein Lehnwort aus dem Lateinischen: II 7, 15. (Florian Battistella)
11/1 ἐγένοντο Ῥωμαῖοι ἐπικρατέστεροι: 'gewannen die Oberhand', der Ausdruck findet sich bereits in der klassischen Prosa bei Th. VI 88, 1: ἐπικρατέστεροι τῇ μάχῃ ἐγένοντο; vgl. außerdem D.C. 55, 30, 1 : ἐπικρατέστερος αὐτοῦ ἐν παρατάξει γενόμενος. (Johann Martin Thesz)
11f./9 καὶ ὡς ὑποστρέφουσιν, ὑπηντήθησαν ὑπὸ ἄλλων Οὕννων: Vgl. Theoph. I 218,9: „Rückmarsch in fröhlicher Stimmung“. (Johann Martin Thesz)
12/3 ὑπηντήθησαν: Futur- und Aorist-Passivformen von ὑπαντάω – ‚begegnen‘ sind erst im kaiserzeitlichen Griechisch anzutreffen, außer Ptol. Harm. 2, 8, 27 (ὑπαντηθῆναι), erst ab dem 6. Jh. Bei Malalas noch XII 35 (ὑπηντήθη); XIII 19 (ὑπηντήθη); XVI 6 (ὑπηντήθησαν). Außerdem bei Simp. in Ph. 9, 515, 25 (ὑπαντηθήσονται); Ps.-Cyr.S. Vita Gerasimi 182, 7 (ὑπηντήθη); David Prol. 57, 5 (ὑπαντηθέντες); Io.Mosch. Pratum spirituale 2968, 38f. (ὑπηντήθη). (Johann Martin Thesz)
13/2 κόπου: κόπος – hier im Sinne von ‚Mühsal‘, ‚Anstrengung‘, vgl. LSJ s.v. II. (Johann Martin Thesz)
14/6 ἐσόκευσαν: σοκεύω – ‚mit dem Lasso einfangen‘, von σόκ(κ)ος – ‚Lasso‘. Die Etymologie des Wortes ist unbekannt, nach Chantraine IV 1029 handelt es sich um ein Wort „d’origine barbare“. Es findet sich außer in diesem Kapitel nur noch Olymp.Hist. 457 D. Malalas verwendet das Verb σοκ(κ)εύω noch XIV 23, außerdem findet es sich noch bei Georg. Mon. 607, 9. (Johann Martin Thesz)
16/2 ἐξείλησεν: ἐξειλέω – ‚herausschlüpfen‘, ‚sich herauswinden‘, ‚entfliehen‘, sehr selten, außerdem noch bei Luc. Merc.Cond. 41, M.Ant. 10, 36, PAmh. 2, 142, 9 (4. Jh. n. Chr.). Der Begriff stammt aus der Sprache des Ringens, vgl. Tim. Lex. 985b 18: Ἐξειλῆσαι: Τοῦτο λέγουσιν οἱ Ἀλεξανδρεῖς ἐπὶ τοῦ ἐκφυγεῖν. Ἐοίκασι δὲ μεταφορικῶς λέγειν, ἀπὸ τῶν ἐν τῷ παλαίειν ἀναλυόντων ἑαυτούς. Λέγει γὰρ Πλάτων ἐν ἑβδόμῳ Νόμων περὶ πάλης οὕτω· Τὰ δὲ ἀπ’ ὀρθῆς πάλης, ἀπ’ αὐχένων καὶ χειρῶν καὶ πλευρῶν ἐξειλήσεως, μετὰ φιλονεικίας τε καὶ καταστάσεως διαπονούμενα [Pl. Lg. 796a]. (Johann Martin Thesz)
17/1 καὶ ὁ Ἀσκοὺμ δὲ συνελήφθη: Die Verwendung der Partikel δέ weicht an dieser Stelle vom klassischen Sprachgebrauch hinsichtlich der Wortstellung ab (klassisch: ὁ δ᾿ Ἀσκοὺμ συνελήφθη). (Johann Martin Thesz)
19/7 τὸν δὲ Ἀσκοὺμ... ἀνεχώρησαν ἐπὶ τὴν χώραν αὐτῶν: Im Gegensatz zu Konstantiolos wurde Askum wahrscheinlich wegen seiner ethnischen Herkunft nicht gegen Lösegeld freigelassen. Vgl. Sarantis 2016, 25. Über seinen weiteren Verbleib existiert keine Nachricht. 529 stellt Justinian den Gepiden Moundos als neuen magister militum per Illyricum ein (→ XVIII 46).
21/5 εἰρήνευσε: εἰρηνεύω findet sich klassisch nur Pl., Tht. 180b und Arist., Rh. 1359b39, im hellenistischen und kaiserzeitlichen Griechisch dann sehr häufig, z.B. Plb. V 8, 7; LXX, 3 Reg. 22, 45; LXX, 2 Paral. 14, 4–5; LXX, Iob 3, 26; D.S. XXI 16, 1; NT Marc. 9, 50; Rom. 12, 18; 2 Cor. 13, 11; 1 Thess. 5, 13; I. AI 11, 214; 20, 49. 133. 205; I. BI 2, 367; 3, 4; 4, 441; 6, 300; App. BC 2, 19, 141; 5, 3, 19. 22; 5, 14, 134. 135; Clem.Al. Paed. 3, 12, 95, 3; Clem.Al. Strom. 2, 9, 42, 3; Iul. Ep. 30, 42; Gr.Nyss. Flacill. 477, 18; Gr.Nyss. Perf. 184, 15. 19; Gr.Nyss. V.Mos. 1, 72; Eus. PE 14, 4, 5; Eus. HE 3, 8, 7; 5, 24, 13. 14. 16; 7, 22, 11; DE 10, 1, 17. 34; Gr.Naz. De pace 1 35, 740, 37. 44; 35, 749, 1; Gr.Naz. De pace 2 35, 1133, 29. 40; 35, 1149, 2. 16; Gr.Naz., Supremum vale 36, 473, 8. 10; 36, 492, 23; Chrys., Adversus Judaeos 48, 863, 29; Chrys., De proditione Judae 49, 392, 21; Chrys., Quales ducendae sint uxores (=Encomium ad Maximum) 51, 240, 53. (Johann Martin Thesz)
Parallelüberlieferung
Theoph. 217, 26–218, 17; Cedr. 651, 17–23
Literatur
Browning (1975): Browning, Robert: Byzantium and Bulgaria. A comparative study across the early medieval frontier, London, 1975.
Dujcev (1983): Dujcev, Ivan: s.v. Bulgarien, LMA, 1983, 914–928.
Kretschmer (1964): Kretschmer, Konrad: s.v. Scythia minor, RE, 1964, 946.
Mango/Scott (1997): Mango, Cyril and Scott, Roger: The Chronicle of Theophanes Confessor. Byzantine and Near Eastern History AD 284–813, Oxford, 1997.
Meier (2009): Meier, Mischa: Anastasios I. Die Entstehung des Byzantinischen Reiches, Stuttgart, 2009.
Pohl (1988): Pohl, Walter: Die Awaren. Ein Steppenvolk in Mitteleuropa 567–822 n. Chr, München, 1988.
Pritsak (1955): Pritsak, Omeljan: Die bulgarische Fürstenliste und die Sprache der Protobulgaren, Wiesbaden, 1955.
Sarantis (2016): Sarantis, Alexander: Justinian's Balkan Wars: Campaigning, Diplomacy and Development in Illyricum, Thrace and the Northern World A.D. 527-65, Prenton, 2016.
Ziemann (2007): Ziemann, Daniel: Vom Wandervolk zur Grossmacht. Die Entstehung Bulgariens im frühen Mittelalter (7.–9. Jahrhundert), Köln/Weimar/Wien, 2007.