Malalas 18.57 1–21 = 34–54 (Thurn)

Inhalt

Malalas widmet das Kapitel 57 seines 18. Buches den Ereignissen in Afrika. Er berichtet von den Auseinandersetzungen zwischen Vandalen und Mauren und der Usurpation gegen den letzten legitimen Vandalenkönig Hilderich. Die Kunde von diesen Begebenheiten habe bei Kaiser Justinian große Empörung ausgelöst und dazu geführt, dass dieser den Ostgoten Athalarich aufgefordert habe, die Herrschaft des Usurpators Gelimer nicht anzuerkennen. Das Thema Afrika wird erst wieder im 81. Kapitel desselben Buches aufgegriffen, als berichtet wird, dass Gelimer in Konstantinopel vorgeführt wurde – Malalas beschreibt folglich die Ursachen und das Ergebnis des Krieges in Afrika, doch der Vandalenkrieg an sich findet keinerlei Erwähnung.

Philologisch-Historischer Kommentar
Parallelüberlieferung
Literatur

1 (34)
Ἐν αὐτῷ δὲ τῷ χρόνῳ κατεπέμφθη δέησις παρὰ Ἰλδερίχου, ῥηγὸς
 
τῶν Ἀφρῶν, ὡς τυραννήσαντος τοῦ ἰδίου ἐξαδέλφου κατ᾽ αὐτοῦ, καὶ
 
πόλεμον τῶν Μαυρουσίων κατὰ τῶν Ἀφρῶν συμβαλόντων παρέλαβον
 
πολλὴν αὐτοῦ χώραν, ἐν οἷς παρελήφθη ἡ παρ᾽ αὐτοῖς λεγομένη Τρίπο-
5 (38)
λις καὶ Λεπτωμὰ καὶ Σαβαθὰ καὶ τὸ Βυζάκιν, αἰχμαλωτίσαντες †έπὶ μονὰς†
 
δέκα. καὶ ἐπεστράτευσε κατ᾽ αὐτῶν ὁ αὐτὸς ῥὴξ τῶν Ἀφρῶν Ἰλδερίχος
 
πλῆθος ἔχων πολὺ σὺν στρατηγῷ ὀνόματι Γελίμερ· ὅστις συμβαλὼν
 
μετὰ Μαυρουσίων περιεγένετο κατὰ κράτος. καὶ συνάψας φιλίαν μετ᾽
 
αὐτῶν ἔλαβεν αὐτοὺς εἰς συμμαχίαν καὶ τυραννήσας εἰσῆλθε κατὰ τοῦ
10 (43)
αὐτοῦ Ἰλδερίχου ἐν Καρταγένῃ, καὶ συνέλαβεν αὐτὸν καὶ ἀποκλείσας
 
αὐτὸν ἐν οἴκῳ μετὰ τῆς γυναικὸς αὐτοῦ καὶ τῶν τέκνων αὐτοῦ, φονεύσας
 
καὶ τοὺς συγκλητικούς. καὶ ἔπεμψεν ὁ αὐτὸς Γελίμερ διὰ τοῦ ἰδίου πρε-
 
σβευτοῦ δῶρα τῷ βασιλεῖ Ἰουστινιανῷ· καὶ μηνυθέντων τῷ βασιλεῖ
 
Ῥωμαίων ἠγανάκτησεν κατ᾽ αὐτῶν ἕνεκεν τοῦ ῥηγὸς τῶν Ἀφρῶν· ἦν
15 (48)
γὰρ μαθὼν τὴν γενομένην τυραννίδα κατὰ Γιλδερίχου· καὶ ἀπέλυσεν αὐ-
 
τοὺς μεθ᾽ ὕβρεως πολλῆς. καὶ ἐκπέμψας μαγιστριανὸν ἐν Ῥώμῃ πρὸς
 
τὸν ῥῆγα Ἀθαλάριχον, ἔκγονον τοῦ Οὐαλεμεριακοῦ, δηλώσας αὐτῷ τοῦ
 
μὴ δέξασθαι πρεσβευτὰς παρὰ Γελίμερ ἐκπεμπομένους πρὸς αὐτόν, μήτε
 
δὲ τὴν ὀνομασίαν αὐτοῦ εἰς ῥῆγα, διότι ἐστὶ τύραννος. καὶ δεξάμενος τὰ
20 (53)
ἐκπεμφθέντα γράμματα παρὰ τοῦ βασιλέως καὶ στοιχήσας οὐκ ἐδέξατο
 
πρεσβευτὰς παρὰ Γελίμερ τοῦ Ἀφροῦ.
Philologisch-Historischer Kommentar
1/8 παρὰ Ἰλδερίχου: Zum Vandalenkönig Hilderich: XVIII 9, 4. Zur Schreibung seines Namens an der vorliegenden Stelle sowie allgemein in der Chronographia: XVIII 57, 5f.. (Florian Battistella)
2/3 ὡς τυραννήσαντος τοῦ ἰδίου ἐξαδέλφου: Es ist nicht ganz klar, welche Person Malalas hier meint. Es liegt die Vermutung nahe, dass er sich auf Gelimer, einen Cousin Hilderichs, bezieht, von dessen Usurpation im weiteren Verlauf des Kapitels die Rede ist. Wenn man den Text so versteht, dann ist die folgende Beschreibung als eine Art Vorgeschichte aufzufassen, die die Ereignisse darlegen soll, die Hilderich zu einem Bittgesuch veranlasst haben. Für diese Interpretation spricht, dass das Verbum τυραννεύειν bzw. die Substantive τύραννος und τυραννίς in diesem Kapitel ausschließlich in Bezug auf Gelimer verwendet werden.
3/1 πόλεμον τῶν Μαυρουσίων κατὰ τῶν Ἀφρῶν συμβαλόντων: Die Niederlage der vandalischen Truppen gegen die von Antalas angeführten Maurenverbände im Jahr 530 stellte sicherlich eine Voraussetzung für die Erhebung Gelimers gegen den alten König Hilderich und dessen Absetzung dar. Weitere Faktoren, die zu dieser Usurpation geführt haben, werden in den Quellen unterschiedlich beurteilt. Unsere beiden Hauptquellen für die Ereignisse sind das Epos Iohannis des afrikanischen Dichters Flavius Cresconius Corippus und die Bella Prokops, der den oströmischen General Belisar bei dessen Feldzug 533/34 nach Afrika begleitete und somit in weiten Teilen seines Werkes als Augenzeuge berichtet. Letzterer erwähnt die Niederlage in Vand. III 9,3 (ἐπὶ τούτου Ἰλδερίχου ἡσσήθησάν τε μάχῃ οἱ Βανδίλοι πρὸς Μαυρουσίων τῶν ἐν Βυζακίῳ, ὧν ἦρχεν Ἀντάλας […]) und ein weiteres Mal in Vand. III 9,8 im Kontext der Erhebung Gelimers, der mit folgender gegen Hilderich gerichteter Argumentation die vornehmen Vandalen für sich gewonnen habe: ὡς ἀπόλεμόν τε καὶ ἡσσημένον πρὸς Μαυρουσίων, καὶ Ἰουστίνῳ βασιλεῖ καταπροδιδόντα τὸ τῶν Βανδίλων κράτος, ὡς μὴ ἐς αὐτὸν ἐκ τῆς ἄλλης οἰκίας ὄντα ἡ βασιλεία ἥκοι […]. Demnach war nicht nur die militärische Schwäche Hilderichs für dessen Sturz verantwortlich, sondern auch seine römerfreundliche Politik, die vielfach bezeugt ist (vgl. etwa Procop. Vand. III 9: Hilderich als φίλος […] καὶ ξένος Justinians) und von vielen Vandalen, vor allem vom homöischen Klerus, sicherlich mit Misstrauen beobachtet wurde (vgl. Castritius 2007,133–135; Vössing 2014, 128–130). In Coripps Iohannis (Ioh. III 198–264) werden diese Hintergründe, vor allem die Opposition gegen Hilderichs politischen Kurswechsel, nicht erwähnt. Das Scheitern des Vandalenkönigs wird ausschließlich auf dessen militärische Schwäche zurückgeführt: hinc [sc. Hilderich] acies confracta redit, regemque trementem, annorum fessum numero casuque paventem, deicit, et sceptrum saevo dedit inde tyranno [sc. Gelimer; Ioh. III 262]. Das Subjekt des Satzes ist acies, das Heer, das den alten König aktiv absetzt (deicit), während Gelimer – im Gegensatz zu Prokops Darstellung – eine passive Rolle spielt und lediglich das ihm von den Soldaten dargebotene Zepter annimmt. Der Dichter führt also die Absetzung Hilderichs und das darauf folgende Eingreifen Ostroms allein auf die Erhebung der Mauren unter Antalas zurück. Dass er nicht auf innervandalische Gründe eingeht, die seinem afrikanischen Publikum sicher nicht unbekannt waren, ist kein Zufall und dient einem bestimmten darstellerischen Zweck: Dem Maurenführer Antalas, der in den ersten Büchern des Epos zum Erzfeind Roms stilisiert wird, soll die alleinige Verantwortung für das unrühmliche Schicksal des letzten legitimen Vandalenkönigs und die daraufhin einsetzenden Wirren in Afrika zugeschrieben werden (zur Rolle des Antalas in der Iohannis vgl. Gärtner 2008, 66–96). Dieser Eindruck wird besonders durch die Raffung der dargestellten Ereignisse verstärkt, denn Coripp lässt die Absetzung Hilderichs direkt auf die militärische Niederlage folgen, während bei Prokop eine gewisse Zeitspanne dazwischenliegt, in der Hilderich offenbar versucht hat, Gelimer zu besänftigen (vgl. Vössing 2014, 130).
Auch bei Malalas spielt der Maurenaufstand eine wichtige Rolle, doch unterscheidet sich seine Darstellung grundlegend von der restlichen Überlieferung: Bei ihm unterliegen die Mauren den vandalischen Streitkräften und deren Feldherrn Gelimer. Nach diesem Sieg habe sich Gelimer mit den geschlagenen Mauren verbündet und gegen Hilderich geputscht.
Malalas beleuchtet weder die Hintergründe für Gelimers Usurpation noch fragt er nach dessen Motiven. Die Ereignisse in Afrika, für die Malalas wahrscheinlich keine offiziellen Dokumente zur Verfügung standen, liegen aus antiochenischer Perspektive weit im Westen und somit nicht im besonderen Interesse des Chronisten. Die Geschehnisse in Nordafrika werden, ebenso wie die Vorgänge im Ostgotenreich, sehr knapp behandelt (vgl. Meier 2004a, 226).
3/2 τῶν Μαυρουσίων: Μαυρούσιοι oder Mauri/Mauritani ist ein Sammelbegriff, der für die indigene Bevölkerung (gentes) Afrikas, die in Stammesstrukturen organisiert war, verwendet wurde. Damit wurden diverse Gruppierungen vereinfachend zusammengefasst, deren Lebensformen vom Nomadentum bis zur Sesshaftigkeit reichten, die einen unterschiedlichen Grad von Romanisierung aufwiesen und auch in religiöser Hinsicht sehr heterogen waren (zur Christianisierung einzelner Stämme vgl. Camps 1984; Desanges 1996; Modéran 2001, 761–765 ; Modéran 2003, 523–530; Conant 2012, 267–269). In der Forschung werden ‚die‘ Berber häufig in zwei Gruppen geteilt: die „internen“ Berber, die innerhalb der römischen Provinzen bzw. in den Grenzgebieten lebten, und die „externen“, die von außerhalb in das römische Territorium eindrangen (vgl. etwa Modéran 2003; Waldherr 2004; Waldherr 2006; Riedlberger 2010, 48–54). Diese Einteilung ist allerdings stark vereinfachend und gibt nicht angemessen die komplexe Realität in Afrika wieder, sie macht jedoch die große Bandbreite an unterschiedlichen Gruppierungen, die als Mauri bezeichnet wurden, deutlich. In der Forschungsliteratur findet man vielerorts Karten, die die einzelnen maurischen Herrschaftsbereiche, die sich während der Vandalenzeit etabliert haben, geographisch zu verorten versuchen (vgl. etwa Courtois 1995, 334; Castritius 2007,111; Vössing 2014, 109). Allerdings sind diese problematisch, da sie einzelne Belege aus verschiedenen Zeiten zusammenfassen und in vielen Fällen die Lokalisierung unsicher ist.
Bei ihrer Ankunft in Nordafrika konnten die Vandalen einige Maurenstämme als Verbündete für sich gewinnen. Geiserich griff für seine Romfahrt im Jahr 455 n. Chr. und für seine Raubzüge im Mittelmeerraum auf maurische Verbände zurück. Allerdings bemühte er sich nicht um eine langfristige Bindung der Stämme an die Vandalen, weder militärisch noch religiös. Dies hatte zur Folge, dass alle nachfolgenden Vandalenkönige mit maurischen Aufständen zu kämpfen hatten (unter Hunerich: Procop. Vand. III 8,1f.; unter Gunthamund: Procop. Vand. III 8,7; unter Thrasamund: Procop. Vand. III 8,14; unter Hilderich: Procop. Vand. III 9,3). Schließlich bot die Niederlage der Vandalen gegen die Maurenverbände unter ihrem Anführer Antalas im Jahr 530 n. Chr. Gelimer erst die Möglichkeit, gegen Hilderich zu usurpieren (s.u.). Während des Vandalenkrieges unterstützen zwar einzelne Stämme Gelimer, doch standen die meisten Mauren auf römischer Seite. Prokop berichtet, dass die Anführer der Maurenstämme Gesandte zu Belisar geschickt und sich dem römischen Kaiser unterstellt hätten, sich aber im Kampf abwartend zurückgehalten hätten (Procop. Vand. III 25,1–9). Für die ersten Jahre der oströmisch-byzantinischen Herrschaft in Afrika zeichnen die Quellen (die Hauptquellen sind Corippus‘ Johannis und Prokops Bella) insgesamt ein düsteres Bild: Neben Unruhen innerhalb der römischen Truppen, die vor allem aufgrund verspäteter Soldzahlungen und religiöser Motive (Vorgehen Konstantinopels gegen ‚nicht-orthodoxe‘ Gläubige) ausbrachen, ist immer wieder von Aufständen einheimischer Stämme die Rede, die teilweise auch an den Meutereien der Soldaten beteiligt waren. Der zunächst wenig differenzierende Umgang der Römer mit den verschiedenen Maurenstämmen in den ersten Jahren nach dem Abschluss des Vandalenkrieges zeugt von Unkenntnis der Verhältnisse in Afrika. Erst unter Johannes Troglita (magister militum per Africam 546–548) ist eine differenzierende Politik gegenüber den Mauren erkennbar: Mit einzelnen Stämmen und deren Anführern (etwa die beiden Häuptlinge Antalas und Cusina) – vor allem mit solchen, die sich im römischen Machtbereich aufhielten – suchte man Bündnisse, während man die von ‚außen‘ ins Reichsgebiet eindringenden Gruppierungen bekämpfte. Dadurch konnte der oströmische General zwar für einige Jahre Ruhe in den nordafrikanischen Provinzen schaffen, doch berichten die Quellen (v.a. Johannes von Biclaro, Gregor der Große, Theophylaktos Simokattes und Theophanes Confessor) für die Jahrzehnte bis zur islamischen Eroberung von wiederkehrenden maurischen Unruhen (grundlegend zu ‚den‘ Mauren sind die Arbeiten von Modéran, von denen besonders die umfangreiche Studie Modéran 2003 hervorgehoben sei; vgl. ferner Gaggero 1900 (Übersicht über literarische Quellen zu den Mauren und wichtigste Forschungsliteratur); Waldherr 2004; Waldherr 2006; Riedlberger 2010, v.a. 45–54; Conant 2012, 252–305]; Vössing 2014, 108–110 sowie Rummel 2007, 77ff.).
4/1 πολλὴν αὐτοῦ χώραν, ἐν οἷς: Hier steht das Relativpronomen entgegen der Kongruenz im Plural. Das ist kein Einzelfall wie X 12,38 lehrt. Weierholt 1963, 27f. gibt Wolf Recht, dass es sich dabei um einen erstarrten Ausdruck handelt, der ‚darunter‘ bedeutet.
4f./11 Τρίπολις: Malalas meint hier entweder die numidische Provinz Tripolis/Tripolitana oder die Stadt Tripoli(s), lat. Oea. Für letztere Interpretation spricht die Tatsache, dass Malalas anschließend die beiden Orte Leptis Magna und Sabratha nennt, die gemeinsam mit Oea die wichtigsten Städte der Africa Tripolitana darstellen. Die Stadt, die vermutlich von den Phöniziern gegründet wurde, liegt an der Küste zwischen Sabratha und Leptis Magna. Bis zum Untergang Karthagos, dem sie Tribute zu entrichten hatte, erlebte sie, ebenso wie die beiden anderen genannten Städte, eine Blütezeit. Nach der Schlacht bei Thapsos 46 v. Chr. erhielt sie die Freiheit und wurde frühestens in den 60er Jahren des 2. Jh. zur colonia. Da die Stadt bis in die heutige Zeit nahezu ununterbrochen besiedelt war, sind nur wenige Inschriften und Bauten erhalten. Für das fehlende archäologische Material entschädigt die Rede Apologia bzw. Pro se de magia des Apuleius, in der das Leben der städtischen Oberschicht umfassend beschrieben wird. Der Autor und Philosoph hatte wohl Ende des Jahres 156 n. Chr. auf einer Reise nach Alexandria in Oea Halt gemacht, wo er die reiche Witwe Pudentilla kennenlernte und ehelichte. Daraufhin wurde er von enttäuschten Erben der Zauberei bezichtigt und angeklagt. In der Rede, mit der er sich selbst vor Gericht verteidigte, zeichnet er ein eindrucksvolles Bild vom Reichtum und der Bildung der lokalen Eliten (vgl. Rebuffat 1992a, 471; Vössing 1997, 98–106; Huß 2000, 1116).
5/3 Λεπτωμὰ: Vermutlich ist Leptis Magna gemeint, eine phönikische oder karthagische Gründung an der tripolitanischen Küste. Besonders aufgrund ihrer ausgedehnten Handelsbeziehungen entwickelte sie sich zur wichtigsten Stadt der Tripolitana. Von Kaiser Trajan wurde sie zur colonia erhoben und erhielt von Septimius Severus, der hier geboren worden war, das ius Italicum. Ferner wurde Leptis Magna unter Diokletian zur Hauptstadt der neu eingerichteten Provinz Africa Tripolitana. Im Jahr 455 wurde die Stadt von den Vandalen eingenommen, die die Einwohner zwangen, die Stadtmauern zu schleifen. Nach der byzantinischen Rückeroberung erhielt der dux limitis Tripolitanae seinen Sitz in Leptis Magna (Cod. Iust. I 27,2,1a): Sancimus itaque, ut dux limitis Tripolitanae provinciae in Leptimagnensi civitate sedes interim habeat, […]. Allerdings scheiterte Justinians Versuch, die in weiten Teilen unter Sandmassen begrabene Stadt wieder aufzubauen, auf lange Sicht (zum Wiederaufbau: Procop. Aed. VI 4,1–10; vgl. Rebuffat 1992b; Huß 1997, 75–80; Vössing 1997, 82–97).
5/5 Σαβαθὰ: Bei Sabratha handelt es sich um eine Küstenstadt in der Provinz Tripolitania, 60 km westlich von Tripolis gelegen. Die drei von Malalas erwähnten Städte Sabratha, Oea/Tripolis und Leptis Magna zählen zu den bedeutendsten Städten der Tripolitania und sind namensgebend für die Region. Sabratha wurde in der Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. gegründet, entweder vom phönikischen Tyros oder vom punischen Karthago. Nach dem Ende des Dritten Punischen Krieges stellte zwar Rom nominell die stärkste Macht in Nordafrika dar, doch ließ man dem Numiderkönig weitgehend freies Spiel, sodass er auch in Tripolitanien Einfluss nehmen konnte. Dies änderte sich mit der Einrichtung der Provinz Africa proconsularis durch Julius Caesar, die auch die Stadt Sabratha umfasste. Diese politische Veränderung wird auch in der Stadtplanung sichtbar: Das Forum und zahlreiche Heiligtümer werden das Stadtbild in den folgenden Jahrhunderten prägen. In der römischen Zeit erlebte Sabratha neben dem umfangreichen Bauprogramm einen wirtschaftlichen Aufstieg als Handelsstadt. Wichtige Handelswaren waren neben wilden Tieren exotische Güter, wie z.B. Elfenbein, Getreide und Keramik. Epigraphische Zeugnisse stehen vor allem seit dem 2. Jh. n. Chr. zur Verfügung und stellen wichtige Quellen für die städtische Verwaltung dar. Die administrative Bedeutung der Stadt wird u.a. daran ersichtlich, dass der Statthalter hier – und nicht in Oea/Tripoli – Gericht hielt. Ein Beleg hierfür ist der Prozess des Jahres 158/159 n. Chr. gegen Apuleius, der, nachdem er eine reiche Witwe geheiratet hatte, von deren missgünstigen Verwandten der Zauberei bezichtigt wurde und sich selbst vor Gericht mit der Rede Apologia bzw. Pro se de magia verteidigte. Während man das 2. Jh. als Blütezeit Sabrathas betrachtet, gelten das 3. und 4. Jh. als unruhige Zeit (Maureneinfälle, Erdbeben von 365). Für die Vandalenzeit geht man allgemein von einem Verfall der tripolitanischen Städte aus.
Unter Justinian erlebte Sabratha eine letzte Blüte: Um das Zentrum der Stadt wurde eine Schutzmauer errichtet und der Bau von Kirchen, u.a. eine glanzvolle Basilika, durch den oströmischen Kaiser gefördert (Procop. Aed. VI 4,13). Nach ihrer Eroberung durch die Araber im 7. Jh. nahm die Bedeutung der Stadt rasch ab (vgl. Vössing 1997, 106–115; Ruprechtsberger 2001, 35–46).
5f./9 αἰχμαλωτίσαντες †ἐπὶ μονὰς† δέκα: Thurn hält die im Baroccianus bezeugten Worte ἐπὶ μονάς für unverständlich oder anstößig und setzt sie daher zwischen cruxes, die Thurn/Meier 2009, 477 in seine Übersetzung übernimmt: ‚Über das Gebiet †von zehn Tagesreisen hinweg† hätten sie die Leute zu Gefangenen gemacht‘. Dindorf 1831, 459 hatte an der Junktur keinen Anstoß genommen – zu Recht, denn der Ausdruck ist nicht ungewöhnlich. μονή in der Bedeutung ‚stopping-place‘, ‚station‘ (LSJ μονή II. 1) wird auch in XIII 23,7 verwendet, um die Reichweite einer Handlung anzugeben: Ἰουλιανὸς μονὰς ιεʹ ἐπὶ τὰ Περσικὰ μέρη... εἰσῆλθε. Die Wortverbindung ἐπὶ μονάς ähnelt ἐπὶ μίλια, das bei Malalas häufig zur Angabe einer Distanz benutzt wird, vgl. Rüger 1895, 41.
6/9 τῶν Ἀφρῶν: XVIII 57, 2. (Katerina Georgousaki)
7/4 σὺν στρατηγῷ: σύν hat hier die Bedeutung von ‚unter dem Oberbefehl von‘, vgl. Rüger 1895, 28.
10/2 Ἰλδερίχου: Ἰλδερίχου ist eine Konjektur von Thurn. Der Baroccianus hat Γιλδερίχου. Thurn benutzt ‚Ilderich‘, die Form ohne Gamma, auch, um in Zeilen 1 und 6 die schiefen Namen Θευδερίχου bzw. Θευδερίχος zu emendieren, weil die Form bei Prokop und Theophanes (sowie Zonaras) bezeugt ist. Das überrascht, weil ‚Gilderich‘, die Form mit Gamma, auch in Zeile 15 erscheint und in XVIII 9,4 was Thurn ohne Änderung und ohne Kommentar stehen lässt. Außerhalb von Malalas ist die Form mit Gamma nicht belegt. Die aspirierte Form Ἱλδέριχος, die lateinisch Hildericus entspricht, erscheint erst bei Nikephoros Kallistos Xanthopulos, der nach der Einnahme Konstantinopels durch die Franken schreibt (Xanth. Hist. eccl. XVII 11, 103–107).
10/4 Καρταγένῃ: Karthago (phönikisch Kart Hadascht „Neue Stadt“), 15 km nordöstlich von Tunis gelegen, die bedeutendste Stadt nach Rom im westlichen Imperium. Nach ihrer Zerstörung durch die Römer 146 v. Chr. wurde erst unter Caesar eine Neubesiedlung durch römische Kolonisten unternommen. Im Jahr 44 v. Chr. (allerdings erst nach dem Tod Caesars) wurde die Kolonie Colonia Concordia Iulia Carthago eingerichtet und durch die Entsendung weiterer Siedler unter Octavian vergrößert. Das neue Karthago wurde, wie man dem Stadtplan entnehmen kann, als eine römische Stadt geplant und errichtet. Die bedeutenden Häfen der Stadt sowie ihre politische und kirchliche Führungsrolle brachten ihr einen bedeutenden Wohlstand, der sich über mehrere Jahrhunderte hielt. Die Stadt, die 439 von Geiserich erobert worden war und als Residenz der vandalischen Könige diente, wurde 533 von Belisar für die oströmische Seite erobert. Justinian ließ die Stadt in Carthago Iustiniana umbenennen und bemühte sich um einen Wiederaufbau im städtischen und kirchlichen Bereich, doch blieb ein allgemeiner wirtschaftlicher und kultureller Aufschwung aus. Die Byzantiner waren in erster Linie mit der Sicherung gegen Angriffe maurischer Stämme beschäftigt. Mit der Einnahme der Stadt durch die Araber im Jahr 698 (nach einer vorübergehenden Eroberung 695) endet die byzantinische Herrschaft in Karthago. Bei Malalas findet Karthago außerdem in VI 19 (Stadtgründung durch Dido), VIII 28 (Zerstörung im Kontext des Zweiten Punischen Krieges) und XIV 27 (Entführung der Eudoxia und ihrer Töchter durch Geiserich) Erwähnung (vgl. Elliger 1990, 229–284; Vössing 2009a, 70f. und Vössing 2009b, 212f.).
14f./10 ἦν... μαθὼν: Imperfekt von εἰμί + Partizip Aorist Aktiv dient zur Umschreibung des Plusquamperfekt Aktivs, vgl. XVIII 30,3.
17/1 τὸν ῥῆγα Ἀθαλάριχον: zum Gothenkönig Athalarich vgl. den Kommentar ad Malal. XVIII 9,4.
17/4 ἔκγονον τοῦ Οὐαλεμεριακοῦ: Athalarich war Sohn des Westgoten Eutharich und der Theoderich-Tochter Amalasuintha und somit ein Enkel Theoderichs des Großen. Dieser war ein Neffe Valamers – nicht dessen Sohn oder Enkel, wie manche Quellen behaupten (vgl. den ausführlichen Kommentar zu Theoderich ad Malal. XVIII 9,4).
17f./7 δηλώσας αὐτῷ τοῦ μὴ δέξασθαι: Infinitive nach Verben des Befehlens, Bittens, Meldens o.ä. stehen bei Malalas nur selten mit τοῦ, sondern bloß. Die Fälle häufen sich im 18. Buch, besonders in dessen Mitte; vgl. Weierholt 1963, 51f. Patzig (ebd.) und Weierholt erklären diesen Umstand durch Malalas’ biographisch bedingten Umzug nach Konstantinopel, der ihm neue Vorbilder gegeben und neue Quellen eröffnet habe. In der Bewertung dieser Neuerung unterscheiden sie sich freilich: Patzig hält die Konstruktion für eine Verfeinerung, Weierholt nennt sie unmotiviert und vermutet, dass sie aus der Septuaginta oder anderen Quellen übernommen ist.
19/2 τὴν ὀνομασίαν αὐτοῦ εἰς ῥῆγα: Präpositional und nominal. Mit dem seit der alexandrinischen Zeit auftauchenden Suffix -σία gebildete Substantive sind auch in anderen Chroniken belegt, vgl. Psaltes 1913, § 385.
19ff./11 δεξάμενος τὰ ἐκπεμφθέντα γράμματα παρὰ τοῦ βασιλέως καὶ στοιχήσας οὐκ ἐδέξατο πρεσβευτὰς παρὰ Γελίμερ τοῦ Ἀφροῦ: Parallelismus, der Justinians Einfluss unterstreicht: x nimmt von y an, nichts von z anzunehmen. Στοιχέω steht in der Bedeutung ‚agree with‘, ‚submit to‘ normalerweise mit Dativobjekt (LSJ), das hier zu denken ist.
Parallelüberlieferung
Theoph. 187,27–188,11; Procop. Vand. III 9,8–10,6; Zon. III 161,10–18.
Literatur
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Conant (2012): Conant, Jonathan: Staying Roman. Conquest and Identity in Africa and the Mediterranean, 439–700, Cambridge, 2012.
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