Malalas 18.9 1–6 = 1–6 (Thurn)

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Ἐν δὲ τοῖς χρόνοις τούτοις, ὡς προεῖπον, ἐβασίλευσεν ὁ θειότατος
 
Ἰουστινιανὸς τῶν Ῥωμαίων ἐν Κωνσταντινουπόλει, τῶν δὲ Περσῶν βα-
 
σιλεὺς Κωάδης ὁ Δαράσθενος, ὁ πρεσβύτερος υἱὸς Περόζου, ἐν δὲ Ῥώμῃ
 
Ἀταλάριχος, ἔκγονος τοῦ Οὐαλεμεριακοῦ, τῆς δὲ Ἀφρικῆς ῥὴξ Γιλδέριχ
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ὁ ἔκγονος Γινζιρίχου, τῶν δὲ Ἰνδῶν Αὐξουμιτῶν καὶ Ὁμηριτῶν ἐβασί-
 
λευσεν Ἄνδας ὁ γεγονὼς χριστιανός, τῶν δὲ Ἰβήρων Ζαμαναζός.
Philologisch-Historischer Kommentar
4/1 Ἀταλάριχος: Zu Athalarich, Enkel des Ostgotenkönigs Theoderichs: XV 10, 17.
4/4 Οὐαλεμεριακοῦ: Gemeint ist Theoderich der Große, König der Ostgoten (ca. 471–493 n. Chr., danach bis 526 Stellvertreter des oströmischen Kaisers in der Präfektur Italien): zu ihm XV 10, 1
4/9 Γιλδέριχ: Eigentlich Hildericus/Hilderich, herrschte 523–30 n. Chr. über Vandalen und Alanen (PLRE II (Hildericus), 564f.). Er war Sohn der Eudocia, der Tochter Valentinians III., und des Vandalen Hunerich (König 477–484 n. Chr.) und damit ein Enkel Geiserichs. Im Bereich der Religionspolitik verfolgte er einen rigorosen Kurswechsel, indem er eine Aussöhnung mit der katholischen Bevölkerung suchte. Auch außenpolitisch setzte er neue Akzente, indem er sich an Konstantinopel annäherte zu Lasten der Allianz mit den Ostgoten, die sein Vorgänger Thrasamund (König 496–523 n. Chr.), der mit der Theoderich-Schwester Amalafrida verheiratet gewesen war, gepflegt hatte. Hinzu kamen zunehmende Einfälle der indigenen Bevölkerung, die unsere Quellen summarisch als ,Mauren‘ bezeichnen, in vandalisches Gebiet. All dies führte zu einer breiten Unzufriedenheit und schließlich zu einer Umsturzbewegung gegen Hilderich, an deren Spitze Gelimer, ein Urenkel Geiserichs, stand. Allerdings scheint auch die Frage nach der Nachfolge Hilderichs keine unerhebliche Rolle gespielt zu haben. Gemäß der seit Geiserich üblichen Nachfolgeregelung würde Gelimer nach dem Tod seines Cousins den Thron besteigen. Der amtierende König war zum Zeitpunkt der Usurpation zwischen 59 und 75 Jahre alt – weshalb wartete Gelimer also nicht den natürlichen Tod Hilderichs ab? Möglicherweise wollte Hilderich bei der Nachfolge die vandalisch-hasdingische und theodosianische Linie erhalten und schloss deshalb seinen Cousin, der solch eine Abstammung nicht vorweisen konnte, von der Nachfolge zu Gunsten seiner Neffen Hoamer und Hoageis aus (Merrills/Miles 2010, 76).
Hilderich wurde abgesetzt und mitsamt seiner engsten Anhänger und Angehörigen eingesperrt (vgl. Castritius 2007, 134f.). Die Usurpation Gelimers veranlasste Justinian zum Eingreifen in die nordafrikanischen Verhältnisse. Sein Ziel war die Absetzung Gelimers und Restitution Hilderichs – ein Vorhaben, das er nicht umsetzen konnte, da Gelimer unmittelbar nach der Landung des oströmischen Heeres unter Belisar in Afrika im Jahr 533 seinen Vorgänger umbringen ließ. Den Putsch Gelimers beschreibt Malalas in XVIII 57 (XVIII 57, 3). Die Ereignisse in Afrika werden vom Chronographen nicht beschrieben, lediglich deren Ergebnis wird knapp festgehalten: Ἰνδικτιῶνος ιβ' παρελήφθη ὁ ῥὴξ Ἀφρικῆς μετὰ τῆς αὐτοῦ γυναικὸς ὑπὸ Βελισαρίου· καὶ εἰσηνέχθησαν ἐν Κωνσταντινουπόλει. καὶ ἱπποδρομίου ἀγομένου εἰσηνέχθησαν αἰχμάλωτοι μετὰ καὶ τῶν λαφύρων (Malal. XVIII 81, dort ausführliche Kommentierung).
5/3 Γινζιρίχου: Geiserich, 428–477 n. Chr. König über Vandalen und Alanen (PLRE II (Geisericus), 496-499), gilt als Begründer des Vandalenreiches in Nordafrika. Er war der Großvater Hilderichs, da sein Sohn Hunerich mit Eudocia, der Tochter Valentinians III., Hilderich als Sohn hatte. Nach dem Tod seines Bruders Guntherich 428, mit dem er zuvor gemeinsam regiert hatte, übernahm er die Alleinherrschaft über die sich noch in Spanien befindlichen Vandalen und Alanen. Im Jahr 429 segelte er mit seiner gens nach Nordafrika über. Wie genau die Überfahrt organisiert war, an welchen Orten man landete und wie die weitere Marschroute aussah, ist höchst umstritten und wird in der Forschung unterschiedlich rekonstruiert (Castritius 2007, 80–88; Merrills/Miles 2010, 52–54; Berndt 2008, 145f.). Die Neuankömmlinge marschierten jedenfalls Richtung Osten, wobei sie weite Strecken per Schiff zurücklegten, und nahmen, obwohl unerfahren im Belagerungswesen, einige befestigte Städte ein. Nach einem ersten erfolglosen Eroberungsversuch wurde im Oktober 439 auch Karthago unterworfen. Welchen Stellenwert dieses Ereignis für das Herrschaftsverständnis des Vandalenkönigs besaß, wird daran ersichtlich, dass er eine neue Zeitrechnung nach seinen Regierungsjahren einführte und diese mit dem Jahr 439 anfangen ließ (Castritius 2007, 98f.). Neben der Eroberung Karthagos gilt auch die Einnahme Roms im Jahr 455 als zentrales Ereignis der Herrschaftszeit Geiserichs. Den historischen Hintergrund hierfür stellen die Ermordung Valentinians III. im März 455 und der daraufhin einsetzende Politikwechsel dar. Der neue weströmische Kaiser Petronius Maximus suchte eine Anbindung an die theodosianische Dynastie, zwang die Witwe des Kaisers Eudoxia zur Ehe und verheiratete seinen Sohn mit der Kaisertochter Eudocia, die schon dem Geiserich-Sohn Hunerich versprochen worden war. Malal. XIV 26 berichtet, dass Geiserich auf Bitten der Eudoxia um Hilfe gegen Petronius Maximus hin in Italien eingegriffen habe. Diese Begründung, die sich auch bei anderen Autoren findet (z.B. Procop. Vand. I 4,37ff.), ist sicher falsch, denn Geiserich hatte seine Flotte bereits gerüstet, bevor ihn eine Nachricht Eudoxias hätte erreichen können.
Am 2. Juni 455 rückten die Vandalen in Rom ein und plünderten 14 Tage lang die Stadt – die dritte Einnahme der Urbs nach dem Galliersturm 387 v. Chr. und der Eroberung durch Alarich 410 n. Chr. Neben zahlreichen Kunstgegenständen (u.a. der Tempelschatz aus Jerusalem, den Titus nach Rom gebracht hatte) wurden auch viele Menschen verschleppt, so auch Eudoxia und ihre beiden Töchter Eudocia und Placidia (vgl. Malal. XIV 26). Das weitere Schicksal der kaiserlichen Geiseln wurde in einem mit dem Ostkaiser Leo I. abgeschlossenen Friedensvertrag geregelt. Eudoxia und Placidia wurden gegen ein hohes Lösegeld nach Konstantinopel entlassen, Eudocia blieb in Karthago und heiratete Hunerich. Die weiteren Regelungen des Vertrages enthielten auch materielle Forderungen sowie die Bestimmung, dass der Gatte Placidias und somit Schwager Hunerichs Olybrius, der sich seit der Ermordung Valentinians in Konstantinopel aufhielt, zum Westkaiser ernannt werden sollte. Eine Vielzahl der Vertragspunkte, die vor allem zu Lasten des Westens gingen, wurde nie in die Realität umgesetzt, weshalb sich die Vandalen zum Krieg rüsteten. Leo I. entschied sich für eine groß angelegte Flottenexpedition gegen Karthago unter der Führung des Basiliskos, der sich allerdings als unfähig erwies und eine schwere Niederlage hinnehmen musste (beschrieben bei Malal. XIV 44). Erst unter Zeno kam es 474 zum Abschluss eines Friedensvertrags, der bis zum Ende des Vandalenreiches Bestand hatte.
5/6 Ἰνδῶν Αὐξουμιτῶν καὶ Ὁμηριτῶν: Die Bezeichnung „Auxumiten“ ist abgeleitet vom Namen der Stadt Auxumis/Axumis. Sie liegt im abessinischen Hochplateau, im Gebiet des heutigen Äthiopien. Der Stamm der Homeriten lebte in Südwest-Arabien, im späteren Jemen. Demnach ist die Lokalisierung der beiden Stämme in Indien, die Malalas auch in XVIII 15 vornimmt, nicht korrekt. Für einen ausführlicheren Kommentar XVIII 15, 1f..
6/2 Ἄνδας: Nur durch diese Erwähnung bei Malalas belegt,XVIII 15, 13.
6/8 Ἰβήρων: Iberien war zu dieser Zeit ein in Ostgeorgien gelegenes Territorium, das im Verbund mit dem angrenzenden Lazika dem heutigen Georgien entspricht.
Parallelüberlieferung
Slav. 28,7–12.
Literatur
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