Malalas 18.9 1–6 = 1–6 (Thurn)

1 (1)
Ἐν δὲ τοῖς χρόνοις τούτοις, ὡς προεῖπον, ἐβασίλευσεν ὁ θειότατος
 
Ἰουστινιανὸς τῶν Ῥωμαίων ἐν Κωνσταντινουπόλει, τῶν δὲ Περσῶν βα-
 
σιλεὺς Κωάδης ὁ Δαράσθενος, ὁ πρεσβύτερος υἱὸς Περόζου, ἐν δὲ Ῥώμῃ
 
Ἀταλάριχος, ἔκγονος τοῦ Οὐαλεμεριακοῦ, τῆς δὲ Ἀφρικῆς ῥὴξ Γιλδέριχ
5 (5)
ὁ ἔκγονος Γινζιρίχου, τῶν δὲ Ἰνδῶν Αὐξουμιτῶν καὶ Ὁμηριτῶν ἐβασί-
 
λευσεν Ἄνδας ὁ γεγονὼς χριστιανός, τῶν δὲ Ἰβήρων Ζαμαναζός.
Philologisch-Historischer Kommentar
4/1 Ἀταλάριχος: Athalarich, Enkel des Ostgotenkönigs Theoderichs (489–526 n. Chr.), der nach dessen Tod im Jahr 526 als König in der Präfektur Italien über Römer und Goten unter der Vormundschaft seiner Mutter Amalasuintha bis zu seinem Tod 534 herrschte (PLRE II (Athalaricus), 175f.).
Geboren im Jahr 516 als Sohn der Amalasuintha (PLRE II, 65), der Tochter Theoderichs, und Fl. Eutharicus Cilliga (PLRE II, 438) war er beim Tod seines Großvaters 10 Jahre alt. Noch auf dem Sterbebett hatte Theoderich die Nachfolge seines Sohnes in die Wege geleitet und ihn unter Vormundschaft seiner Mutter als nächsten König designiert, allerdings ohne dazu auch die Zustimmung Ostroms eingeholt zu haben (vgl. Iord. Get. 304 und Rom. 367; Anonymus Valesianus 16,96). Es lag nun vor allem an Amalasiuntha, die Differenzen zwischen gotischer Herrschaft auf der einen und Senat sowie katholischem Klerus auf der anderen Seite zu schlichten und die von Theoderich stets propagierte Eintracht in der Präfektur Italien aufrecht zu erhalten. Eine Vereidigung sowohl der Goten als auch der Römer auf den neuen König erfolgte durch Beauftrage aus Ravenna, die gemeinsam mit dem loyalen Staatsbeamten Cassiodor die Fortsetzung des guten Verhältnisses zwischen beiden Bevölkerungsteilen versprachen und sich auch um die Anerkennung durch den oströmischen Kaiser bemühten (Wolfram 1990b, 333f., Cassiod. Var. VIII 2). Die unmittelbar nach seinem Amtsantritt durchgeführten politischen Maßnahmen offenbarten eine deutliche Abkehr von der zuletzt unter Theoderich rigide geführten, bisweilen als antirömisch angesehene Politik, die sich vor allem in Verschwörungsvorwürfen gegen Angehörige des Senats und deren scharfer Verfolgung geäußert hatte (vgl. die Ausführungen zu Theoderich ad Malal. XVIII 9). In Cassiod. Var. VIII 1 distanziert sich Athalarich von dieser harten Haltung seines Vorgängers und sucht im Gegenzug eine Garantie für eine weiterhin bestehende Gewährung eines Friedens- und Freundschaftsverhältnisses und gibt zugleich den durch die scharfen Gerichtsprozesse geschädigten Familien des Symmachus und Boethius Vermögensrechte zurück (vgl. Procop. Goth. I 2,5; Wolfram 1990b, 334). Da Amalasuintha die Vormundschaft für ihren zu dem Zeitpunkt lediglich 10-jährigen Sohn innehatte, muss ein Großteil dieser Maßnahmen ihr und dem sie beratenden Hof- und Kanzleipersonal zugeschrieben werden. Essenz ihrer Herrschaft ist das sogenannte Edikt Athalarichs (Cassiod.Var. 9,18), das sich auf das Vorbild Theoderichs beruft und vor allem an dessen zu Beginn seiner Herrschaft dominante Politik des Ausgleichs zwischen Goten und Römern anknüpft. Mit dem Amtsantritt Athalarichs waren jedoch auch einige Faktoren verbunden, die zu einer Schwächung des Reiches führten. Zum einen brach die Personalunion der beiden Gotenreiche weg, sodass der westgotische Enkel Theoderichs, Amalarich (PLRE II (Amalaricus), 64f.) eine selbstständige Herrschaft über das Westgotenreich führen konnte, was mit einer Fülle von Machteinbußen für den Hof in Ravenna verbunden war (vgl. dazu ausführlich Wolfram 1990b, 334; Procop. Goth. 1,4f.). Zum anderen stand das ostgotische Reich aufgrund der Minderjährigkeit Athalarichs ohne einen Heerkönig da, der den Oberbefehl über den Exercitus Gothorum hätte führen können. An des Königs statt führte der Gote Tuluin (PLRE II (Tuluin), 1131-1133), der als treuer Gefolgsmann Theoderichs und erfahrener Heerführer im Jahr 526 zum patricius praesentalis erhoben worden war, das Heer als oberster Heermeister an (Cassiod. Var. VIII 9–11). Geschwächt wurde Athalarichs Herrschaft jedoch auch durch eine Auseinandersetzung innerhalb der gotischen Führungsschicht, deren Stoßrichtung u.a. die prorömische Haltung Amalasuinthas war; diese Haltung äußerte sich z.B. in der literarischen und philosophischen Ausbildung Athalarichs nach römischem Vorbild. Ihren eigenen Vorlieben folgend hatte Amalasuintha ihrem Sohn eine solche Erziehung zukommen lassen, die den zum Teil in traditionell gotischen Wertemustern denkenden und handelnden gotischen Adligen ein Dorn im Auge war. Mitglieder dieser intransigenten Gruppe, zu denen u.a. Amalasuinthas Vetter und späterer Mitregent Theodahat sowie auch antikaiserliche Römer wie (möglicherweise) die Brüder Cyprianus (PLRE II (Cyprinanus 2), 332f.) und Opilio (PLRE II (Opilio 4), 808) gehörten, versuchten an der Wende des Jahres 532 auf 533 die Macht zu übernehmen und sich zu diesem Zwecke auch des mittlerweile 16jährigen Athalarichs zu bemächtigen. Als verschiedene Besänftigungsversuch Amalasuinthas nicht fruchteten, bat sie den oströmischen Kaiser um Asyl, was dieser ihr auch gewähren wollte. Sie blieb letztlich jedoch trotz der Bedrohungen in Ravenna, da nun Theodahat selbst, eingeschüchtert durch diese Allianz, selbst Anstalten machte, das Land zu verlassen. Nachdem sich Amalasuintha zudem der wichtigsten Heerführer (möglicherweise unter ihnen Tuluin, vgl. Procop. Goth. I 2) hatte entledigen können, die ebenfalls gegen sie opponiert hatten, war ihre Macht im Jahr 533 wiederhergestellt. Als Athalarich am 2. Oktober 534 an Tuberkulose starb, war die Herrschaft seiner Mutter gefestigt und bestand auch über seinen Tod hinaus. Sie ernannte Theodahat zu Mitregenten und sich selbst zur Königin. König war Athalarich nie mehr als dem Namen nach gewesen (vgl. Procop. Goth. I 2,19–29; Agnellus Lib. pontif. eccl. Rav. 62; Schwarcz 1997; Wolfram 1990b, 336f.; Giese 2004, 122f.; zu den Regierungsmaßnahmen Athalarichs vgl. Cassiod. Var. VIII–X.)
4/4 Οὐαλεμεριακοῦ: Gemeint ist Theoderich der Große, König der Ostgoten (ca. 471–493 n. Chr., danach bis 526 Stellvertreter des oströmischen Kaisers in der Präfektur Italien). Aus dem Haus der Familie der Amaler stammend regierte er als Flavius Theodericus rex bis zu seinem Tod über Römer und Goten in der Präfektur Italien (493–526 n. Chr.), im Jahr 476 n. Chr. war er von Zenon zum patricius und magister militum praesentalis, 484 n. Chr. zum Konsul ernannt worden (PLRE II (Fl. Theodericus 7), 1077-1084). Theoderich wurde um 453 als Sohn des Königs Theodemer und der katholischen Gotin Erelieva geboren (vgl. Anonymus Valesianus 12,58) und war ab ca. 471 Herrscher über einen Verband von Ostgoten in der Nachfolge seines Vaters. Die Jahre von 453 bis 478 sind nicht eindeutig belegt, nach Jordanes und Ennodius verbrachte Theoderich jedoch die Zeit von 461 bis 471 als Geisel am Hof von Konstantinopel (Iord. Get. 281; Ennod. Paneg. 11), um den Frieden zwischen seinem Vater Theodemer und Kaiser Leo I. zu garantieren. In dieser Zeit muss er auf vielfältige Weise mit der römischen Kultur, dem Hofzeremoniell und auch einer schulischen Ausbildung in Berührung gekommen sein, die die spätere Ausgestaltung und Inszenierung seiner eigenen Herrschaft beeinflusst haben können. Nach seiner Rückkehr und vor seinem Italienfeldzug war er in zahlreiche militärische Aktionen involviert, so z.B. in einen Kampf gegen die Sarmaten und die Einnahme der Stadt Singidunum im Jahr 471, was er, zumindest rückwirkend (Theoderich feierte im Jahr 500 sein dreißigjähriges Herrschaftsjubiläum), als Beginn seines Königtums angesehen haben muss (Iord. Get. 281f., vgl. Wolfram 1990b, 259ff.). Diese in der Forschung als „pannonisches Ostgotenreich“ bezeichnete Phase der Herrschaft der Amaler (vgl. z.B. Wolfram 1990b, 259) und auch die sich anschließende Phase der Kämpfe auf dem Balkan (473–488) waren geprägt von einem beständigen Auf und Ab der Beziehungen zu Konstantinopel und brachten den Amaler Theoderich mehrfach in Konflikt mit dem „schielenden“ Theoderich Strabo (PLRE II (Theodericus Strabo 5), 1073-1076). Als Schwager Aspars und dessen Unterbefehlshaber genoss dieser großes Ansehen am oströmischen Hof und war von dort als „Alleinherrscher der Goten“ anerkannt worden – erhob also ebenso wie der Amaler Theoderich alleinigen Machtanspruch auf die Führung der Ostgoten. Auch dieses Hindernis konnte jedoch ausgeräumt werden, da der schielende Theoderich im Jahr 481 ums Leben kam (Iord. Get. 285ff.) In der Zwischenzeit hatte Theoderich zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen erhalten: Im Jahr 476 war er Waffensohn Kaiser Zenos geworden, trat am 1. Januar 484 den Konsulat in Konstantinopel an (und musste damit spätestens dann auch bereits römischer Bürger geworden sein) und übte 476/8 sowie 483–487 in der Funktionsbezeichnung patricius das Amt des obersten Heermeisters aus (Anon. Vales. 11,49; Wolfram 1990b, 268ff. und 286ff.). Nachdem Theoderich mit seinen Feldzügen auf dem Balkan zu einer ernstzunehmenden Bedrohung für Konstantinopel geworden war, wurde er von Zenon nach Italien entsandt, mit dem Auftrag, den dort herrschenden Odoaker zu beseitigen. Der konkrete Auftrag lautete dabei, solange an der Stelle des Kaisers dort (in Italien) zu herrschen, bis dieser dorthin komme (Anon. Vales. 11,49: Cui Theodericus pactuatus est, ut, si victus fuisset Odoacar, pro merito laborum suorum loco eius, dum adveniret, tantum praeregnaret.. Dieses praeregnare wurde in der Folgezeit zur innenpolitischen Legitimierung Theoderichs als Herr der römischen Verwaltung und Heeres und zudem seines Vorranges im gesamten Westreich, da er faktisch als Stellvertreter des Kaisers nach dem Verlust eines eigenständigen weströmischen Kaiser dort herrschte (Wolfram 2001, 78). Zudem wurde der Fall des praeregnare zur dauerhaften Institution, da Zeno im Jahr 491 verstarb und sein Nachfolger mit augenscheinlich wichtigeren Staatsgeschäften befasst war, als den mittlerweile in Italien etablierten Gotenkönig wieder abzulösen.
Theoderich erreichte Italien im Jahr 489 und konnte sich nach drei Jahren Kriegszustand und einer Belagerung Ravennas gegen Odoaker (PLRE II (Odovacer), 791-793) durchsetzen. Nachdem er mit ihm zunächst eine Herrschaftsteilung vereinbart hatte, ließ er ihn 493 ermorden und wurde kurz darauf von seinem Heer zum rex Gothorum ausgerufen (zur Thematik der Schilderhebung und der Frage nach der Rechtstaatlichkeit vgl. Claude 1980, 149–186, Claude 1978, 1–13; Wolfram 1979, 1–28, Wolfram 1990b, 286ff.; Anon. Vales. XI (54ff.)) Die offizielle Anerkennung seines Königtums erfolgte jedoch erst im Jahr 497, nachdem Theoderich bereits mehrere Gesandtschaften unter senatorischer Führung nach Konstantinopel geschickt hatte. Mit der Übersendung der vestis regia war Theoderichs Herrschaft nun legitim; er führte jedoch weiterhin lediglich den Titel rex und griff die zentralen Privilegien des Kaisers wie die Annahme des Imperator-Titels, das Anlegen kaiserlicher Gewänder, die selbstständige Ernennung von Konsuln, Patriziern und Senatoren, die Gesetzgebung sowie die Münzhoheit nicht an, wenn er seine Macht auch faktisch durchaus der kaiserlichen im Westen des Imperium Romanum entsprach und er auch in kaiserlichem Habitus auftrat (Procop. Goth. I 1,26; Wolfram 1990b, 288ff.; Lütkenhaus 2002, 315). Dieses Verhalten gegenüber dem oströmischen Kaiser, dessen Vorrechte er wahrte und um dessen Wohlwollen er sich vor allem in den Anfangsjahren seiner Herrschaft bemühte, fand auch in der Tagespolitik Niederschlag. Stets um Ausgleich der gotischen und römischen Interessen bemüht, fand die Ansiedlung seiner gotischen Stammesgenossen in geregelten Bahnen und wohl sowohl über eine Beteiligung an Steuereinnahmen als auch über eine Vergabe von Land statt (vgl. Cassiod. var. II 16,5). Die römische Staatsstruktur blieb in ihren Grundpfeilern bestehen, nur wo es ihm nötig erschien, fügte Theoderich den bereits bestehenden Strukturen gotische Institutionen hinzu (Enßlin 1959, 188–197). Auch das römische Rechtssystem behielt seine Gültigkeit, das Edictum Theoderici, das von Theoderich erlassene Gesetzeswerk, modernisierte lediglich das römische Kaiserrecht und passte es den aktuellen Umständen an (Wolfram 1990b, 288). In religiösen Fragen, die vor allem zu Beginn seiner Herrschaft im Rahmen des laurentianischen Schisma 501 bis ca. 506/507, die Tagespolitik bestimmten, hielt Theoderich sich zurück und erst gegen Ende seiner Herrschaft – beeinflusst durch Unstimmigkeiten politischer Art – kam es zu Auseinandersetzungen mit Konstantinopel in Bezug auf die arianische Glaubensrichtung der Ostgoten (Lütkenhaus 2002, 315). Kennzeichnend für die Regierungszeit Theoderichs und vor allem für die ersten Jahre seiner Herrschaft wurde die Idee der civilitas, eines ursprünglich aus der kaiserzeitlichen Herrschaftspropaganda stammenden Konzeptes, das anders als in seiner früheren Verwendung nicht die Nähe des Herrschers zu seinen Untertanen angab, sondern einen politischen und gesellschaftlichen Idealzustand, der sich durch das friedliche Zusammenleben zweier Völker kennzeichnete und von Theoderich als solcher beschützt wurde (vgl. zum Konzept der civilitas Reydellet 1995, 286–296 sowie Stüven 1995).
Die Außenpolitik Theoderichs war geprägt durch den Versuch, die auf dem Boden des westlichen Imperium Romanum entstandenen germanische Königreiche durch eine durchgeplante Heiratspolitik aneinander zu binden und selbst eine Vorreiterrolle im Westreich einzunehmen (vgl. Cassiod. Var. I 1,3: alias gentes anteimus, Lütkenhaus 2002, 315). Diese Vorreiterrolle begründete Theoderich u.a. mit einer Nachahmung der römischen Herrschaft seinerseits: er benannte den oströmischen Kaiser ausdrücklich als Vorbild für die Ausgestaltung seiner Politik sowie seiner eigenen Herrschaftsrepräsentation (vgl. Cassiod. Var. I 1; die Feier der tricennalia im Jahr 500 mit feierlichem Einzug Theoderichs in die Stadt Rom, der dem kaiserlichen adventus nachgestaltet wurde, steht in dieser Tradition, vgl. Anon. Val. 12,67). Das Erstarken der Franken unter ihrem Herrscher Chlodwig, der ebenfalls die Anerkennung durch Ostrom suchte, sich taufen ließ und sich als in der Nachfolge römischer Kaiser stehend darstellte, beendet jedoch die Phase der ostgotischen Führung im Westreich. (Lütkenhaus 2002, 315f., vgl. auch Wiemer 2007 sowie Meier/Patzold 2014)
Die letzten Jahre der Herrschaft Theoderichs wurden überschattet zum einen durch die Tatsache, dass der Ostgotenkönig weder einen leiblichen Nachfolger hatte noch einen anderen geeigneten Kandidaten hatte installieren können, der sein Konzept der Herrschaft über Goten und Römer und die Personalunion mit dem Westgotenreich hätte fortführen können; zum anderen häuften sich in den Jahren unmittelbar vor seinem Tod die Konflikte mit Angehörigen des römischen Senates, die in der Hinrichtung prominenter Senatoren (Symmachus und Boethius) endeten. Theoderich verstarb im Jahr 526 und designierte noch auf dem Sterbebett seinen minderjährigen Enkel Athalarich zu seinem Nachfolger (siehe Kommentar zu Athalarich; Anon. Val. 16,94 sowie Procop. Goth. I 1,39; Lütkenhaus 2002, 316; zur Person und Herrschaft Theoderichs siehe zudem einschlägig Ausbüttel 2012; Moorhead 1992; Wolfram 1993, 3–20; Wiemer 2018).
In einigen Quellen taucht Theoderich als Sohn (z.B. bei Malalas selbst, vgl. Malal. XV 9) oder Enkel Valamers (PLRE II (Valamer), 1135f.) auf, war aber dessen Neffe: Theoderich ist der Sohn Theodemers (PLRE II (Theodemer 2), 1069f.), des Brudes Valamers, der der Beschreibung bei Jordanes folgend, zum gleichen Zeitpunkt zur Welt kam (ca. 453), als es dem damaligen Gotenfürsten Valamer gelungen war, den Hunnen eine schwere Niederlage beizubringen (vgl. Iord. Get. 269).
4/9 Γιλδέριχ: Eigentlich Hildericus/Hilderich, herrschte 523–30 n. Chr. über Vandalen und Alanen (PLRE II (Hildericus), 564f.). Er war Sohn der Eudocia, der Tochter Valentinians III., und des Vandalen Hunerich (König 477–484 n. Chr.) und damit ein Enkel Geiserichs. Im Bereich der Religionspolitik verfolgte er einen rigorosen Kurswechsel, indem er eine Aussöhnung mit der katholischen Bevölkerung suchte. Auch außenpolitisch setzte er neue Akzente, indem er sich an Konstantinopel annäherte zu Lasten der Allianz mit den Ostgoten, die sein Vorgänger Thrasamund (König 496–523 n. Chr.), der mit der Theoderich-Schwester Amalafrida verheiratet gewesen war, gepflegt hatte. Hinzu kamen zunehmende Einfälle der indigenen Bevölkerung, die unsere Quellen summarisch als ,Mauren‘ bezeichnen, in vandalisches Gebiet. All dies führte zu einer breiten Unzufriedenheit und schließlich zu einer Umsturzbewegung gegen Hilderich, an deren Spitze Gelimer, ein Urenkel Geiserichs, stand. Allerdings scheint auch die Frage nach der Nachfolge Hilderichs keine unerhebliche Rolle gespielt zu haben. Gemäß der seit Geiserich üblichen Nachfolgeregelung würde Gelimer nach dem Tod seines Cousins den Thron besteigen. Der amtierende König war zum Zeitpunkt der Usurpation zwischen 59 und 75 Jahre alt – weshalb wartete Gelimer also nicht den natürlichen Tod Hilderichs ab? Möglicherweise wollte Hilderich bei der Nachfolge die vandalisch-hasdingische und theodosianische Linie erhalten und schloss deshalb seinen Cousin, der solch eine Abstammung nicht vorweisen konnte, von der Nachfolge zu Gunsten seiner Neffen Hoamer und Hoageis aus (Merrills/Miles 2010, 76).
Hilderich wurde abgesetzt und mitsamt seiner engsten Anhänger und Angehörigen eingesperrt (vgl. Castritius 2007, 134f.). Die Usurpation Gelimers veranlasste Justinian zum Eingreifen in die nordafrikanischen Verhältnisse. Sein Ziel war die Absetzung Gelimers und Restitution Hilderichs – ein Vorhaben, das er nicht umsetzen konnte, da Gelimer unmittelbar nach der Landung des oströmischen Heeres unter Belisar in Afrika im Jahr 533 seinen Vorgänger umbringen ließ. Den Putsch Gelimers beschreibt Malalas in XVIII 57 (XVIII 57, 3). Die Ereignisse in Afrika werden vom Chronographen nicht beschrieben, lediglich deren Ergebnis wird knapp festgehalten: Ἰνδικτιῶνος ιβ' παρελήφθη ὁ ῥὴξ Ἀφρικῆς μετὰ τῆς αὐτοῦ γυναικὸς ὑπὸ Βελισαρίου· καὶ εἰσηνέχθησαν ἐν Κωνσταντινουπόλει. καὶ ἱπποδρομίου ἀγομένου εἰσηνέχθησαν αἰχμάλωτοι μετὰ καὶ τῶν λαφύρων (Malal. XVIII 81, dort ausführliche Kommentierung).
5/3 Γινζιρίχου: Geiserich, 428–477 n. Chr. König über Vandalen und Alanen (PLRE II (Geisericus), 496-499), gilt als Begründer des Vandalenreiches in Nordafrika. Er war der Großvater Hilderichs, da sein Sohn Hunerich mit Eudocia, der Tochter Valentinians III., Hilderich als Sohn hatte. Nach dem Tod seines Bruders Guntherich 428, mit dem er zuvor gemeinsam regiert hatte, übernahm er die Alleinherrschaft über die sich noch in Spanien befindlichen Vandalen und Alanen. Im Jahr 429 segelte er mit seiner gens nach Nordafrika über. Wie genau die Überfahrt organisiert war, an welchen Orten man landete und wie die weitere Marschroute aussah, ist höchst umstritten und wird in der Forschung unterschiedlich rekonstruiert (Castritius 2007, 80–88; Merrills/Miles 2010, 52–54; Berndt 2008, 145f.). Die Neuankömmlinge marschierten jedenfalls Richtung Osten, wobei sie weite Strecken per Schiff zurücklegten, und nahmen, obwohl unerfahren im Belagerungswesen, einige befestigte Städte ein. Nach einem ersten erfolglosen Eroberungsversuch wurde im Oktober 439 auch Karthago unterworfen. Welchen Stellenwert dieses Ereignis für das Herrschaftsverständnis des Vandalenkönigs besaß, wird daran ersichtlich, dass er eine neue Zeitrechnung nach seinen Regierungsjahren einführte und diese mit dem Jahr 439 anfangen ließ (Castritius 2007, 98f.). Neben der Eroberung Karthagos gilt auch die Einnahme Roms im Jahr 455 als zentrales Ereignis der Herrschaftszeit Geiserichs. Den historischen Hintergrund hierfür stellen die Ermordung Valentinians III. im März 455 und der daraufhin einsetzende Politikwechsel dar. Der neue weströmische Kaiser Petronius Maximus suchte eine Anbindung an die theodosianische Dynastie, zwang die Witwe des Kaisers Eudoxia zur Ehe und verheiratete seinen Sohn mit der Kaisertochter Eudocia, die schon dem Geiserich-Sohn Hunerich versprochen worden war. Malal. XIV 26 berichtet, dass Geiserich auf Bitten der Eudoxia um Hilfe gegen Petronius Maximus hin in Italien eingegriffen habe. Diese Begründung, die sich auch bei anderen Autoren findet (z.B. Procop. Vand. I 4,37ff.), ist sicher falsch, denn Geiserich hatte seine Flotte bereits gerüstet, bevor ihn eine Nachricht Eudoxias hätte erreichen können.
Am 2. Juni 455 rückten die Vandalen in Rom ein und plünderten 14 Tage lang die Stadt – die dritte Einnahme der Urbs nach dem Galliersturm 387 v. Chr. und der Eroberung durch Alarich 410 n. Chr. Neben zahlreichen Kunstgegenständen (u.a. der Tempelschatz aus Jerusalem, den Titus nach Rom gebracht hatte) wurden auch viele Menschen verschleppt, so auch Eudoxia und ihre beiden Töchter Eudocia und Placidia (vgl. Malal. XIV 26). Das weitere Schicksal der kaiserlichen Geiseln wurde in einem mit dem Ostkaiser Leo I. abgeschlossenen Friedensvertrag geregelt. Eudoxia und Placidia wurden gegen ein hohes Lösegeld nach Konstantinopel entlassen, Eudocia blieb in Karthago und heiratete Hunerich. Die weiteren Regelungen des Vertrages enthielten auch materielle Forderungen sowie die Bestimmung, dass der Gatte Placidias und somit Schwager Hunerichs Olybrius, der sich seit der Ermordung Valentinians in Konstantinopel aufhielt, zum Westkaiser ernannt werden sollte. Eine Vielzahl der Vertragspunkte, die vor allem zu Lasten des Westens gingen, wurde nie in die Realität umgesetzt, weshalb sich die Vandalen zum Krieg rüsteten. Leo I. entschied sich für eine groß angelegte Flottenexpedition gegen Karthago unter der Führung des Basiliskos, der sich allerdings als unfähig erwies und eine schwere Niederlage hinnehmen musste (beschrieben bei Malal. XIV 44). Erst unter Zeno kam es 474 zum Abschluss eines Friedensvertrags, der bis zum Ende des Vandalenreiches Bestand hatte.
5/6 Ἰνδῶν Αὐξουμιτῶν καὶ Ὁμηριτῶν: Die Bezeichnung „Auxumiten“ ist abgeleitet vom Namen der Stadt Auxumis/Axumis. Sie liegt im abessinischen Hochplateau, im Gebiet des heutigen Äthiopien. Der Stamm der Homeriten lebte in Südwest-Arabien, im späteren Jemen. Demnach ist die Lokalisierung der beiden Stämme in Indien, die Malalas auch in XVIII 15 vornimmt, nicht korrekt. Für einen ausführlicheren Kommentar XVIII 15, 1f..
6/2 Ἄνδας: Nur durch diese Erwähnung bei Malalas belegt,XVIII 15, 13.
6/8 Ἰβήρων: Iberien war zu dieser Zeit ein in Ostgeorgien gelegenes Territorium, das im Verbund mit dem angrenzenden Lazika dem heutigen Georgien entspricht.
Parallelüberlieferung
Slav. 28,7–12.
Literatur
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