Malalas 15.10 1–17 = 46–62 (Thurn)
Inhalt
Die Inhalte von Mal. XV 10 sind zunächst ein Rechtsstreit zwischen Iuvenalia und Firmus, den Theoderich löst, dann die Legislation Theoderichs, sein Fortzug nach Ravenna und schließlich seine Nachfolge. Angesichts der Unterschiedlichkeit dieser Informationen könnte man über eine Aufspaltung in mehrere kürzere Abschnitte nachdenken. Wo die Trennung(en) zu erfolgen hätte(n), ist aber nicht eindeutig auszumachen, da entsprechende sprachliche Marker fehlen. (Florian Battistella)
Philologisch-Historischer Kommentar
Parallelüberlieferung
Literatur
1 (46)
αὐτῷ μία χήρα, συγκλητικὴ Ῥώμης, ὀνόματι Ἰουβεναλία, διδάσκουσα
εὐλύτωσόν με.᾽ καὶ ἐνεγκὼν τοὺς δικολόγους τῶν ἀμφοτέρων μερῶν εἶπεν
5 (50)
αὐτοῖς, ὅτι ῾εἰ μὴ διὰ τῆς αὔριον καὶ τῆς μετ᾿ αὐτῆς δώσετε αὐτοῖς τὸν
ὅρον καὶ ἀπαλλάξετε αὐτούς, ἀποκεφαλίζω ὑμᾶς.᾿ καὶ καθίσαντες διὰ
τῶν δύο ἡμερῶν εἶπαν τὰ δοκοῦντα τοῖς νόμοις, δεδωκότες αὐτοῖς ὅρον
αὐτῷ, εὐχαριστῶσα, ὅτι· ῾εὐλυτώθην τῆς δίκης·᾿ καὶ ἠγανάκτησεν ὁ αὐ-
10 (55)
τὸς Θευδερίχος κατὰ τῶν δικολόγων, καὶ ἀγαγὼν αὐτοὺς εἶπεν αὐτοῖς·
῾διὰ τί, ὃ ἐποιήσατε εἰς δύο ἡμέρας καὶ ἀπηλλάξατε αὐτούς, εἰς τρία ἔτη
οὐκ ἐποιήσατε;᾽ καὶ πέμψας ἀπεκεφάλισε τοὺς δικολόγους τῶν ἀμφο-
τέρων μερῶν, καὶ ἐγένετο φόβος πολύς. καὶ ἐποίησε διάταξιν περὶ ἑκά-
στου νόμου.
15 (60)
Καὶ ἐξελθὼν ἀπὸ τῆς Ῥώμης ὤκησε τὴν Ῥάβενναν, πόλιν παράλιον,
ἕως θανάτου αὐτοῦ. καὶ μετὰ θάνατον αὐτοῦ ἐγένετο ῥὴξ Ῥώμης ὁ ἔκγο-
νος αὐτοῦ Ἀταλάριχος. ἦν δὲ Ἀρειανὸς τῷ δόγματι, ὅ ἐστιν Ἐξακιονίτης.
Philologisch-Historischer Kommentar
1/1 ˂Ἢ˃ μόνον δὲ ῥὴξ Ῥώμης ἐγένετο: Die Verbindung ἥ μόνον (δὲ) ist fast ausschließlich in der Chronographia belegt, wo sie, wie hier, sehr gern im Kontext der ersten Maßnahmen eines neuen Herrschers verwendet wird: IV 5, 7. Die Rekonstruktion von Thurn 2000, 307 ist daher plausibel. (Florian Battistella)
1/9 Θευδερίχος: Der Chronist berichtet hier, dass Theoderich König von Rom geworden sei; er wird in seiner Rolle als Konsul bereits in XV 5,27 und als ehemaliger Konsul in XV 9,1 erwähnt.
Gemeint ist Theoderich der Große (PLRE II (Fl. Theodericus 7), 1077-1084), König der Ostgoten (ca. 471–493 n. Chr., danach bis 526 Stellvertreter des oströmischen Kaisers in der Präfektur Italien). Aus dem Haus der Familie der Amaler stammend regierte er als Flavius Theodericus rex bis zu seinem Tod über Römer und Goten in der Präfektur Italien (493–526 n. Chr.), im Jahr 476 n. Chr. war er von Zenon zum patricius und magister militum praesentalis, 484 n. Chr. zum Konsul ernannt worden. Theoderich wurde um 453 als Sohn des Königs Theodemer und der katholischen Gotin Erelieva geboren (vgl. Anonymus Valesianus 12,58) und war ab ca. 471 Herrscher über einen Verband von Ostgoten in der Nachfolge seines Vaters. Die Jahre von 453 bis 478 sind nicht eindeutig belegt, nach Jordanes und Ennodius verbrachte Theoderich jedoch die Zeit von 461 bis 471 als Geisel am Hof von Konstantinopel (Iord. Get. 281; Ennod. Paneg. 11), um den Frieden zwischen seinem Vater Theodemer und Kaiser Leo I. zu garantieren. In dieser Zeit muss er auf vielfältige Weise mit der römischen Kultur, dem Hofzeremoniell und auch einer schulischen Ausbildung in Berührung gekommen sein, die die spätere Ausgestaltung und Inszenierung seiner eigenen Herrschaft beeinflusst haben können. Nach seiner Rückkehr und vor seinem Italienfeldzug war er in zahlreiche militärische Aktionen involviert, so z.B. in einen Kampf gegen die Sarmaten und die Einnahme der Stadt Singidunum im Jahr 471, was er, zumindest rückwirkend (Theoderich feierte im Jahr 500 sein dreißigjähriges Herrschaftsjubiläum), als Beginn seines Königtums angesehen haben muss (Iord. Get. 281f., vgl. Wolfram 1990b, 259ff.). Diese in der Forschung als „pannonisches Ostgotenreich“ bezeichnete Phase der Herrschaft der Amaler (vgl. z.B. Wolfram 1990b, 259) und auch die sich anschließende Phase der Kämpfe auf dem Balkan (473–488) waren geprägt von einem beständigen Auf und Ab der Beziehungen zu Konstantinopel und brachten den Amaler Theoderich mehrfach in Konflikt mit dem „schielenden“ Theoderich Strabo (PLRE II (Theodericus Strabo 5), 1073-1076). Als Schwager Aspars und dessen Unterbefehlshaber genoss dieser großes Ansehen am oströmischen Hof und war von dort als „Alleinherrscher der Goten“ anerkannt worden – erhob also ebenso wie der Amaler Theoderich alleinigen Machtanspruch auf die Führung der Ostgoten. Auch dieses Hindernis konnte jedoch ausgeräumt werden, da der schielende Theoderich im Jahr 481 ums Leben kam (Iord. Get. 285ff.) In der Zwischenzeit hatte Theoderich zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen erhalten: Im Jahr 476 war er Waffensohn Kaiser Zenos geworden, trat am 1. Januar 484 den Konsulat in Konstantinopel an (und musste damit spätestens dann auch bereits römischer Bürger geworden sein) und übte 476/8 sowie 483–487 in der Funktionsbezeichnung patricius das Amt des obersten Heermeisters aus (Anon. Vales. 11,49; Wolfram 1990b, 268ff. und 286ff.). Nachdem Theoderich mit seinen Feldzügen auf dem Balkan zu einer ernstzunehmenden Bedrohung für Konstantinopel geworden war, wurde er von Zenon nach Italien entsandt, mit dem Auftrag, den dort herrschenden Odoaker zu beseitigen. Der konkrete Auftrag lautete dabei, solange an der Stelle des Kaisers dort (in Italien) zu herrschen, bis dieser dorthin komme (Anon. Vales. 11,49: Cui Theodericus pactuatus est, ut, si victus fuisset Odoacar, pro merito laborum suorum loco eius, dum adveniret, tantum praeregnaret.. Dieses praeregnare wurde in der Folgezeit zur innenpolitischen Legitimierung Theoderichs als Herr der römischen Verwaltung und Heeres und zudem seines Vorranges im gesamten Westreich, da er faktisch als Stellvertreter des Kaisers nach dem Verlust eines eigenständigen weströmischen Kaiser dort herrschte (Wolfram 2001, 78). Zudem wurde der Fall des praeregnare zur dauerhaften Institution, da Zeno im Jahr 491 verstarb und sein Nachfolger mit augenscheinlich wichtigeren Staatsgeschäften befasst war, als den mittlerweile in Italien etablierten Gotenkönig wieder abzulösen.
Theoderich erreichte Italien im Jahr 489 und konnte sich nach drei Jahren Kriegszustand und einer Belagerung Ravennas gegen Odoaker (PLRE II (Odovacer), 791-793) durchsetzen. Nachdem er mit ihm zunächst eine Herrschaftsteilung vereinbart hatte, ließ er ihn 493 ermorden und wurde kurz darauf von seinem Heer zum rex Gothorum ausgerufen (zur Thematik der Schilderhebung und der Frage nach der Rechtstaatlichkeit vgl. Claude 1980, 149–186, Claude 1978, 1–13; Wolfram 1979, 1–28, Wolfram 1990b, 286ff.; Anon. Vales. XI (54ff.)) Die offizielle Anerkennung seines Königtums erfolgte jedoch erst im Jahr 497, nachdem Theoderich bereits mehrere Gesandtschaften unter senatorischer Führung nach Konstantinopel geschickt hatte. Mit der Übersendung der vestis regia war Theoderichs Herrschaft nun legitim; er führte jedoch weiterhin lediglich den Titel rex und griff die zentralen Privilegien des Kaisers wie die Annahme des Imperator-Titels, das Anlegen kaiserlicher Gewänder, die selbstständige Ernennung von Konsuln, Patriziern und Senatoren, die Gesetzgebung sowie die Münzhoheit nicht an, wenn er seine Macht auch faktisch durchaus der kaiserlichen im Westen des Imperium Romanum entsprach und er auch in kaiserlichem Habitus auftrat (Procop. Goth. I 1,26; Wolfram 1990b, 288ff.; Lütkenhaus 2002, 315). Dieses Verhalten gegenüber dem oströmischen Kaiser, dessen Vorrechte er wahrte und um dessen Wohlwollen er sich vor allem in den Anfangsjahren seiner Herrschaft bemühte, fand auch in der Tagespolitik Niederschlag. Stets um Ausgleich der gotischen und römischen Interessen bemüht, fand die Ansiedlung seiner gotischen Stammesgenossen in geregelten Bahnen und wohl sowohl über eine Beteiligung an Steuereinnahmen als auch über eine Vergabe von Land statt (vgl. Cassiod. var. II 16,5). Die römische Staatsstruktur blieb in ihren Grundpfeilern bestehen, nur wo es ihm nötig erschien, fügte Theoderich den bereits bestehenden Strukturen gotische Institutionen hinzu (Enßlin 1959, 188–197). Auch das römische Rechtssystem behielt seine Gültigkeit, das Edictum Theoderici, das von Theoderich erlassene Gesetzeswerk, modernisierte lediglich das römische Kaiserrecht und passte es den aktuellen Umständen an (Wolfram 1990b, 288). In religiösen Fragen, die vor allem zu Beginn seiner Herrschaft im Rahmen des laurentianischen Schisma 501 bis ca. 506/507, die Tagespolitik bestimmten, hielt Theoderich sich zurück und erst gegen Ende seiner Herrschaft – beeinflusst durch Unstimmigkeiten politischer Art – kam es zu Auseinandersetzungen mit Konstantinopel in Bezug auf die arianische Glaubensrichtung der Ostgoten (Lütkenhaus 2002, 315). Kennzeichnend für die Regierungszeit Theoderichs und vor allem für die ersten Jahre seiner Herrschaft wurde die Idee der civilitas, eines ursprünglich aus der kaiserzeitlichen Herrschaftspropaganda stammenden Konzeptes, das anders als in seiner früheren Verwendung nicht die Nähe des Herrschers zu seinen Untertanen angab, sondern einen politischen und gesellschaftlichen Idealzustand, der sich durch das friedliche Zusammenleben zweier Völker kennzeichnete und von Theoderich als solcher beschützt wurde (vgl. zum Konzept der civilitas Reydellet 1995, 286–296 sowie Stüven 1995).
Die Außenpolitik Theoderichs war geprägt durch den Versuch, die auf dem Boden des westlichen Imperium Romanum entstandenen germanische Königreiche durch eine durchgeplante Heiratspolitik aneinander zu binden und selbst eine Vorreiterrolle im Westreich einzunehmen (vgl. Cassiod. Var. I 1,3: alias gentes anteimus, Lütkenhaus 2002, 315). Diese Vorreiterrolle begründete Theoderich u.a. mit einer Nachahmung der römischen Herrschaft seinerseits: er benannte den oströmischen Kaiser ausdrücklich als Vorbild für die Ausgestaltung seiner Politik sowie seiner eigenen Herrschaftsrepräsentation (vgl. Cassiod. Var. I 1; die Feier der tricennalia im Jahr 500 mit feierlichem Einzug Theoderichs in die Stadt Rom, der dem kaiserlichen adventus nachgestaltet wurde, steht in dieser Tradition, vgl. Anon. Val. 12,67). Das Erstarken der Franken unter ihrem Herrscher Chlodwig, der ebenfalls die Anerkennung durch Ostrom suchte, sich taufen ließ und sich als in der Nachfolge römischer Kaiser stehend darstellte, beendet jedoch die Phase der ostgotischen Führung im Westreich. (Lütkenhaus 2002, 315f., vgl. auch Wiemer 2007 sowie Meier/Patzold 2014)
Die letzten Jahre der Herrschaft Theoderichs wurden überschattet zum einen durch die Tatsache, dass der Ostgotenkönig weder einen leiblichen Nachfolger hatte noch einen anderen geeigneten Kandidaten hatte installieren können, der sein Konzept der Herrschaft über Goten und Römer und die Personalunion mit dem Westgotenreich hätte fortführen können; zum anderen häuften sich in den Jahren unmittelbar vor seinem Tod die Konflikte mit Angehörigen des römischen Senates, die in der Hinrichtung prominenter Senatoren (Symmachus und Boethius) endeten. Theoderich verstarb im Jahr 526 und designierte noch auf dem Sterbebett seinen minderjährigen Enkel Athalarich zu seinem Nachfolger (siehe Kommentar zu Athalarich; Anon. Val. 16,94 sowie Procop. Goth. I 1,39; Lütkenhaus 2002, 316; zur Person und Herrschaft Theoderichs siehe zudem einschlägig Ausbüttel 2012; Moorhead 1992; Wolfram 1993, 3–20; Wiemer 2018).
In einigen Quellen taucht Theoderich als Sohn (z.B. bei Malalas selbst, vgl. Malal. XV 9) oder Enkel Valamers (PLRE II (Valamer), 1135f.) auf, war aber dessen Neffe: Theoderich ist der Sohn Theodemers (PLRE II (Theodemer 2), 1069f.), des Brudes Valamers, der der Beschreibung bei Jordanes folgend, zum gleichen Zeitpunkt zur Welt kam (ca. 453), als es dem damaligen Gotenfürsten Valamer gelungen war, den Hunnen eine schwere Niederlage beizubringen (vgl. Iord. Get. 269).
(Florian Battistella)
Gemeint ist Theoderich der Große (PLRE II (Fl. Theodericus 7), 1077-1084), König der Ostgoten (ca. 471–493 n. Chr., danach bis 526 Stellvertreter des oströmischen Kaisers in der Präfektur Italien). Aus dem Haus der Familie der Amaler stammend regierte er als Flavius Theodericus rex bis zu seinem Tod über Römer und Goten in der Präfektur Italien (493–526 n. Chr.), im Jahr 476 n. Chr. war er von Zenon zum patricius und magister militum praesentalis, 484 n. Chr. zum Konsul ernannt worden. Theoderich wurde um 453 als Sohn des Königs Theodemer und der katholischen Gotin Erelieva geboren (vgl. Anonymus Valesianus 12,58) und war ab ca. 471 Herrscher über einen Verband von Ostgoten in der Nachfolge seines Vaters. Die Jahre von 453 bis 478 sind nicht eindeutig belegt, nach Jordanes und Ennodius verbrachte Theoderich jedoch die Zeit von 461 bis 471 als Geisel am Hof von Konstantinopel (Iord. Get. 281; Ennod. Paneg. 11), um den Frieden zwischen seinem Vater Theodemer und Kaiser Leo I. zu garantieren. In dieser Zeit muss er auf vielfältige Weise mit der römischen Kultur, dem Hofzeremoniell und auch einer schulischen Ausbildung in Berührung gekommen sein, die die spätere Ausgestaltung und Inszenierung seiner eigenen Herrschaft beeinflusst haben können. Nach seiner Rückkehr und vor seinem Italienfeldzug war er in zahlreiche militärische Aktionen involviert, so z.B. in einen Kampf gegen die Sarmaten und die Einnahme der Stadt Singidunum im Jahr 471, was er, zumindest rückwirkend (Theoderich feierte im Jahr 500 sein dreißigjähriges Herrschaftsjubiläum), als Beginn seines Königtums angesehen haben muss (Iord. Get. 281f., vgl. Wolfram 1990b, 259ff.). Diese in der Forschung als „pannonisches Ostgotenreich“ bezeichnete Phase der Herrschaft der Amaler (vgl. z.B. Wolfram 1990b, 259) und auch die sich anschließende Phase der Kämpfe auf dem Balkan (473–488) waren geprägt von einem beständigen Auf und Ab der Beziehungen zu Konstantinopel und brachten den Amaler Theoderich mehrfach in Konflikt mit dem „schielenden“ Theoderich Strabo (PLRE II (Theodericus Strabo 5), 1073-1076). Als Schwager Aspars und dessen Unterbefehlshaber genoss dieser großes Ansehen am oströmischen Hof und war von dort als „Alleinherrscher der Goten“ anerkannt worden – erhob also ebenso wie der Amaler Theoderich alleinigen Machtanspruch auf die Führung der Ostgoten. Auch dieses Hindernis konnte jedoch ausgeräumt werden, da der schielende Theoderich im Jahr 481 ums Leben kam (Iord. Get. 285ff.) In der Zwischenzeit hatte Theoderich zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen erhalten: Im Jahr 476 war er Waffensohn Kaiser Zenos geworden, trat am 1. Januar 484 den Konsulat in Konstantinopel an (und musste damit spätestens dann auch bereits römischer Bürger geworden sein) und übte 476/8 sowie 483–487 in der Funktionsbezeichnung patricius das Amt des obersten Heermeisters aus (Anon. Vales. 11,49; Wolfram 1990b, 268ff. und 286ff.). Nachdem Theoderich mit seinen Feldzügen auf dem Balkan zu einer ernstzunehmenden Bedrohung für Konstantinopel geworden war, wurde er von Zenon nach Italien entsandt, mit dem Auftrag, den dort herrschenden Odoaker zu beseitigen. Der konkrete Auftrag lautete dabei, solange an der Stelle des Kaisers dort (in Italien) zu herrschen, bis dieser dorthin komme (Anon. Vales. 11,49: Cui Theodericus pactuatus est, ut, si victus fuisset Odoacar, pro merito laborum suorum loco eius, dum adveniret, tantum praeregnaret.. Dieses praeregnare wurde in der Folgezeit zur innenpolitischen Legitimierung Theoderichs als Herr der römischen Verwaltung und Heeres und zudem seines Vorranges im gesamten Westreich, da er faktisch als Stellvertreter des Kaisers nach dem Verlust eines eigenständigen weströmischen Kaiser dort herrschte (Wolfram 2001, 78). Zudem wurde der Fall des praeregnare zur dauerhaften Institution, da Zeno im Jahr 491 verstarb und sein Nachfolger mit augenscheinlich wichtigeren Staatsgeschäften befasst war, als den mittlerweile in Italien etablierten Gotenkönig wieder abzulösen.
Theoderich erreichte Italien im Jahr 489 und konnte sich nach drei Jahren Kriegszustand und einer Belagerung Ravennas gegen Odoaker (PLRE II (Odovacer), 791-793) durchsetzen. Nachdem er mit ihm zunächst eine Herrschaftsteilung vereinbart hatte, ließ er ihn 493 ermorden und wurde kurz darauf von seinem Heer zum rex Gothorum ausgerufen (zur Thematik der Schilderhebung und der Frage nach der Rechtstaatlichkeit vgl. Claude 1980, 149–186, Claude 1978, 1–13; Wolfram 1979, 1–28, Wolfram 1990b, 286ff.; Anon. Vales. XI (54ff.)) Die offizielle Anerkennung seines Königtums erfolgte jedoch erst im Jahr 497, nachdem Theoderich bereits mehrere Gesandtschaften unter senatorischer Führung nach Konstantinopel geschickt hatte. Mit der Übersendung der vestis regia war Theoderichs Herrschaft nun legitim; er führte jedoch weiterhin lediglich den Titel rex und griff die zentralen Privilegien des Kaisers wie die Annahme des Imperator-Titels, das Anlegen kaiserlicher Gewänder, die selbstständige Ernennung von Konsuln, Patriziern und Senatoren, die Gesetzgebung sowie die Münzhoheit nicht an, wenn er seine Macht auch faktisch durchaus der kaiserlichen im Westen des Imperium Romanum entsprach und er auch in kaiserlichem Habitus auftrat (Procop. Goth. I 1,26; Wolfram 1990b, 288ff.; Lütkenhaus 2002, 315). Dieses Verhalten gegenüber dem oströmischen Kaiser, dessen Vorrechte er wahrte und um dessen Wohlwollen er sich vor allem in den Anfangsjahren seiner Herrschaft bemühte, fand auch in der Tagespolitik Niederschlag. Stets um Ausgleich der gotischen und römischen Interessen bemüht, fand die Ansiedlung seiner gotischen Stammesgenossen in geregelten Bahnen und wohl sowohl über eine Beteiligung an Steuereinnahmen als auch über eine Vergabe von Land statt (vgl. Cassiod. var. II 16,5). Die römische Staatsstruktur blieb in ihren Grundpfeilern bestehen, nur wo es ihm nötig erschien, fügte Theoderich den bereits bestehenden Strukturen gotische Institutionen hinzu (Enßlin 1959, 188–197). Auch das römische Rechtssystem behielt seine Gültigkeit, das Edictum Theoderici, das von Theoderich erlassene Gesetzeswerk, modernisierte lediglich das römische Kaiserrecht und passte es den aktuellen Umständen an (Wolfram 1990b, 288). In religiösen Fragen, die vor allem zu Beginn seiner Herrschaft im Rahmen des laurentianischen Schisma 501 bis ca. 506/507, die Tagespolitik bestimmten, hielt Theoderich sich zurück und erst gegen Ende seiner Herrschaft – beeinflusst durch Unstimmigkeiten politischer Art – kam es zu Auseinandersetzungen mit Konstantinopel in Bezug auf die arianische Glaubensrichtung der Ostgoten (Lütkenhaus 2002, 315). Kennzeichnend für die Regierungszeit Theoderichs und vor allem für die ersten Jahre seiner Herrschaft wurde die Idee der civilitas, eines ursprünglich aus der kaiserzeitlichen Herrschaftspropaganda stammenden Konzeptes, das anders als in seiner früheren Verwendung nicht die Nähe des Herrschers zu seinen Untertanen angab, sondern einen politischen und gesellschaftlichen Idealzustand, der sich durch das friedliche Zusammenleben zweier Völker kennzeichnete und von Theoderich als solcher beschützt wurde (vgl. zum Konzept der civilitas Reydellet 1995, 286–296 sowie Stüven 1995).
Die Außenpolitik Theoderichs war geprägt durch den Versuch, die auf dem Boden des westlichen Imperium Romanum entstandenen germanische Königreiche durch eine durchgeplante Heiratspolitik aneinander zu binden und selbst eine Vorreiterrolle im Westreich einzunehmen (vgl. Cassiod. Var. I 1,3: alias gentes anteimus, Lütkenhaus 2002, 315). Diese Vorreiterrolle begründete Theoderich u.a. mit einer Nachahmung der römischen Herrschaft seinerseits: er benannte den oströmischen Kaiser ausdrücklich als Vorbild für die Ausgestaltung seiner Politik sowie seiner eigenen Herrschaftsrepräsentation (vgl. Cassiod. Var. I 1; die Feier der tricennalia im Jahr 500 mit feierlichem Einzug Theoderichs in die Stadt Rom, der dem kaiserlichen adventus nachgestaltet wurde, steht in dieser Tradition, vgl. Anon. Val. 12,67). Das Erstarken der Franken unter ihrem Herrscher Chlodwig, der ebenfalls die Anerkennung durch Ostrom suchte, sich taufen ließ und sich als in der Nachfolge römischer Kaiser stehend darstellte, beendet jedoch die Phase der ostgotischen Führung im Westreich. (Lütkenhaus 2002, 315f., vgl. auch Wiemer 2007 sowie Meier/Patzold 2014)
Die letzten Jahre der Herrschaft Theoderichs wurden überschattet zum einen durch die Tatsache, dass der Ostgotenkönig weder einen leiblichen Nachfolger hatte noch einen anderen geeigneten Kandidaten hatte installieren können, der sein Konzept der Herrschaft über Goten und Römer und die Personalunion mit dem Westgotenreich hätte fortführen können; zum anderen häuften sich in den Jahren unmittelbar vor seinem Tod die Konflikte mit Angehörigen des römischen Senates, die in der Hinrichtung prominenter Senatoren (Symmachus und Boethius) endeten. Theoderich verstarb im Jahr 526 und designierte noch auf dem Sterbebett seinen minderjährigen Enkel Athalarich zu seinem Nachfolger (siehe Kommentar zu Athalarich; Anon. Val. 16,94 sowie Procop. Goth. I 1,39; Lütkenhaus 2002, 316; zur Person und Herrschaft Theoderichs siehe zudem einschlägig Ausbüttel 2012; Moorhead 1992; Wolfram 1993, 3–20; Wiemer 2018).
In einigen Quellen taucht Theoderich als Sohn (z.B. bei Malalas selbst, vgl. Malal. XV 9) oder Enkel Valamers (PLRE II (Valamer), 1135f.) auf, war aber dessen Neffe: Theoderich ist der Sohn Theodemers (PLRE II (Theodemer 2), 1069f.), des Brudes Valamers, der der Beschreibung bei Jordanes folgend, zum gleichen Zeitpunkt zur Welt kam (ca. 453), als es dem damaligen Gotenfürsten Valamer gelungen war, den Hunnen eine schwere Niederlage beizubringen (vgl. Iord. Get. 269).
(Florian Battistella)
3/3 τρία ἔτη ἔχω δικαζομένη: Auf eine verworrene Rechtslage, die zu langen Prozessen führe, spielt Justinian in den Konstitutionen an, die seinen Codex in Kraft setzen. Dort heißt es u.a., Justinian wolle die prolixitas litium beschneiden (_Const. Haec pr._) und ad brevitatem reducendo caliginem earum (_constitutiοnum_) rectis iudicum definitionibus insidiantem penitus extirpare (_Const. Summa_ 1). Dies könnte nun reine Rhetorik sein, doch weist u.a. auch CJ XI 48,20 in diese Richtung. Dieser justinianische Rechtstext behandelt den Fall, dass coloni ihre domini in ihrer Eigenschaft als domini anzweifeln. In den Bestimmungen hierzu heißt es u.a., die coloni sollen sich einen Bürgen suchen, der im Falle einer Niederlage ihre Abgaben an den (nun als rechtmäßig erwiesenen) dominus zahlen kann. Falls nach drei Jahren jedoch der Fall noch immer nicht geklärt ist, sollen die coloni sich erneut einen Bürgen suchen. Eine mehrjährige Prozessdauer erscheint also keineswegs unglaubwürdig, selbst eine Dauer von über drei Jahren nicht. Ob man deswegen für den Prozess zwischen Iuvenalia und Firmus agrarische Arbeitskräfte und/oder Parzellen als Streitobjekt annehmen sollte, muss offen bleiben. Es sei mit König 2018, 25 zumindest daran erinntert, dass die Rückkehr von Italikern aus burgundischer Gefangenschaft zu Beginn von Theoderichs Herrschaft zu "große[n] Unruhen wegen Besitzstörung" geführt habe, wie Ennod. VEpiph. 178; 181 belegt. (Florian Battistella)
3/9 πατρικίου Φόρμου: PLRE II (Firmus 3), 472.
Seine Person ist nur aus der Malalas-Tradition bekannt, wo sein Name teils als Φόρμος (_Chron. Pasch._ 604,18 und slaw. Überlieferung), teils als Φίρμος erscheint (so der Baroccianus und Joh. Nik. LXXXVIII 52). Zum Titel patricius: XIII 27, 15. (Florian Battistella mit Kamil Choda)
Seine Person ist nur aus der Malalas-Tradition bekannt, wo sein Name teils als Φόρμος (_Chron. Pasch._ 604,18 und slaw. Überlieferung), teils als Φίρμος erscheint (so der Baroccianus und Joh. Nik. LXXXVIII 52). Zum Titel patricius: XIII 27, 15. (Florian Battistella mit Kamil Choda)
5/3 εἰ μὴ διὰ τῆς αὔριον καὶ τῆς μετ᾿ αὐτῆς δώσετε αὐτοῖς τὸν ὅρον καὶ ἀπαλλάξετε αὐτούς: Die slawische Fassung lautet ins Deutsche übertragen: Wenn ihr ihnen nicht geantwortet und bis morgen das Urteil nicht verkündet habt und die [Sache] während drei Tagen nicht geklärt habt... (vgl. Istrin 1994, 338; Tvorogov 1999, 350) (Kamil Choda)
13/5 φόβος πολύς: φόβος πολύς entspricht dem Text der slawischen Fassung (Istrin 1994, 338 und Tvorogov 1999, 350), Chron. pasch. 605,8 Dindorf hingegen nur φόβος.
Generell stellt φόβος ein Schlüsselwort in der Chronographia dar, vor allem in den letzten Büchern. Als Abschluss einer Erzähleinheit ist mit φόβος zumeist eine positiv konnotierte Läuterung gemeint, die aus der durch Gott und/oder Kaiser erzeugten Furcht resultiert: XVII 4, 2; siehe auch Scott 1985, 103f.; Meier 2004a, 344f.; Meier 2007d, 577–583; II 4, 2. (Florian Battistella, Kamil Choda)
Generell stellt φόβος ein Schlüsselwort in der Chronographia dar, vor allem in den letzten Büchern. Als Abschluss einer Erzähleinheit ist mit φόβος zumeist eine positiv konnotierte Läuterung gemeint, die aus der durch Gott und/oder Kaiser erzeugten Furcht resultiert: XVII 4, 2; siehe auch Scott 1985, 103f.; Meier 2004a, 344f.; Meier 2007d, 577–583; II 4, 2. (Florian Battistella, Kamil Choda)
16/5 μετὰ θάνατον αὐτοῦ ἐγένετο ῥὴξ Ῥώμης ὁ ἔκγονος αὐτοῦ Ἀταλάριχος. ἦν δὲ Ἀρειανὸς τῷ δόγματι, ὅ ἐστιν Ἐξακιονίτης: Diese zwei Sätze sind an das Muster, mit dem in der Chronographia ein Wechsel auf dem Kaiserthron berichtet wird, angelehnt:
Generell zu solchen Übergängen: XVII 1, 1ff.; zu Athalarich: XV 10, 17; zum Titel ῥὴξ Ῥώμης: XV 9, 13f.; zur Bezeichnung der Arianer als Exakioniten: XVIII 7, 2f.. (Florian Battistella)
- Es wird der Tod des Vorgängers angegeben; hier: μετὰ θάνατον αὐτοῦ; bei Kaisern: μετὰ δὲ τὴν βασιλείαν + Name des Vorgängers im Gen.
- Darauf folgt eine Ankündigung des neuen Herrschers; hier: ἐγένετο ῥὴξ Ῥώμης ὁ ἔκγονος αὐτοῦ Ἀταλάριχος; sonst: ἐβασίλευσεν + Name des neuen Kaisers
- Zuletzt findet man eine kurze Angabe zu Merkmalen des neuen Herrschers; hier lautet sie: ἦν δὲ Ἀρειανὸς τῷ δόγματι, ὅ ἐστιν Ἐξακιονίτης. Eine Angabe der Regierungszeit fehlt jedoch.
Generell zu solchen Übergängen: XVII 1, 1ff.; zu Athalarich: XV 10, 17; zum Titel ῥὴξ Ῥώμης: XV 9, 13f.; zur Bezeichnung der Arianer als Exakioniten: XVIII 7, 2f.. (Florian Battistella)
17/3 Ἀταλάριχος: Der Baroccianus (_fol._ 245f, Z. 17) bietet nicht den Namen Athalarichs, sondern den Alarichs. Thurn 2000, 308 folgt jedoch mit Recht den Paralleltexten.
Gemeint ist Athalarich, Enkel des Ostgotenkönigs Theoderichs (489–526 n. Chr.), der nach dessen Tod im Jahr 526 als König in der Präfektur Italien über Römer und Goten unter der Vormundschaft seiner Mutter Amalasuintha bis zu seinem Tod 534 herrschte (PLRE II (Athalaricus), 175f.).
Geboren im Jahr 516 als Sohn der Amalasuintha (PLRE II, 65), der Tochter Theoderichs, und Fl. Eutharicus Cilliga (PLRE II, 438) war er beim Tod seines Großvaters 10 Jahre alt. Noch auf dem Sterbebett hatte Theoderich die Nachfolge seines Sohnes in die Wege geleitet und ihn unter Vormundschaft seiner Mutter als nächsten König designiert, allerdings ohne dazu auch die Zustimmung Ostroms eingeholt zu haben (vgl. Iord. Get. 304 und Rom. 367; Anonymus Valesianus 16,96). Es lag nun vor allem an Amalasiuntha, die Differenzen zwischen gotischer Herrschaft auf der einen und Senat sowie katholischem Klerus auf der anderen Seite zu schlichten und die von Theoderich stets propagierte Eintracht in der Präfektur Italien aufrecht zu erhalten. Eine Vereidigung sowohl der Goten als auch der Römer auf den neuen König erfolgte durch Beauftrage aus Ravenna, die gemeinsam mit dem loyalen Staatsbeamten Cassiodor die Fortsetzung des guten Verhältnisses zwischen beiden Bevölkerungsteilen versprachen und sich auch um die Anerkennung durch den oströmischen Kaiser bemühten (Wolfram 1990b, 333f., Cassiod. Var. VIII 2). Die unmittelbar nach seinem Amtsantritt durchgeführten politischen Maßnahmen offenbarten eine deutliche Abkehr von der zuletzt unter Theoderich rigide geführten, bisweilen als antirömisch angesehene Politik, die sich vor allem in Verschwörungsvorwürfen gegen Angehörige des Senats und deren scharfer Verfolgung geäußert hatte (s. oben). In Cassiod. Var. VIII 1 distanziert sich Athalarich von dieser harten Haltung seines Vorgängers und sucht im Gegenzug eine Garantie für eine weiterhin bestehende Gewährung eines Friedens- und Freundschaftsverhältnisses und gibt zugleich den durch die scharfen Gerichtsprozesse geschädigten Familien des Symmachus und Boethius Vermögensrechte zurück (vgl. Procop. Goth. I 2,5; Wolfram 1990b, 334). Da Amalasuintha die Vormundschaft für ihren zu dem Zeitpunkt lediglich 10-jährigen Sohn innehatte, muss ein Großteil dieser Maßnahmen ihr und dem sie beratenden Hof- und Kanzleipersonal zugeschrieben werden. Essenz ihrer Herrschaft ist das sogenannte Edikt Athalarichs (Cassiod.Var. 9,18), das sich auf das Vorbild Theoderichs beruft und vor allem an dessen zu Beginn seiner Herrschaft dominante Politik des Ausgleichs zwischen Goten und Römern anknüpft. Mit dem Amtsantritt Athalarichs waren jedoch auch einige Faktoren verbunden, die zu einer Schwächung des Reiches führten. Zum einen brach die Personalunion der beiden Gotenreiche weg, sodass der westgotische Enkel Theoderichs, Amalarich (PLRE II (Amalaricus), 64f.) eine selbstständige Herrschaft über das Westgotenreich führen konnte, was mit einer Fülle von Machteinbußen für den Hof in Ravenna verbunden war (vgl. dazu ausführlich Wolfram 1990b, 334; Procop. Goth. 1,4f.). Zum anderen stand das ostgotische Reich aufgrund der Minderjährigkeit Athalarichs ohne einen Heerkönig da, der den Oberbefehl über den Exercitus Gothorum hätte führen können. An des Königs statt führte der Gote Tuluin (PLRE II (Tuluin), 1131-1133), der als treuer Gefolgsmann Theoderichs und erfahrener Heerführer im Jahr 526 zum patricius praesentalis erhoben worden war, das Heer als oberster Heermeister an (Cassiod. Var. VIII 9–11). Geschwächt wurde Athalarichs Herrschaft jedoch auch durch eine Auseinandersetzung innerhalb der gotischen Führungsschicht, deren Stoßrichtung u.a. die prorömische Haltung Amalasuinthas war; diese Haltung äußerte sich z.B. in der literarischen und philosophischen Ausbildung Athalarichs nach römischem Vorbild. Ihren eigenen Vorlieben folgend hatte Amalasuintha ihrem Sohn eine solche Erziehung zukommen lassen, die den zum Teil in traditionell gotischen Wertemustern denkenden und handelnden gotischen Adligen ein Dorn im Auge war. Mitglieder dieser intransigenten Gruppe, zu denen u.a. Amalasuinthas Vetter und späterer Mitregent Theodahat sowie auch antikaiserliche Römer wie (möglicherweise) die Brüder Cyprianus (PLRE II (Cyprinanus 2), 332f.) und Opilio (PLRE II (Opilio 4), 808) gehörten, versuchten an der Wende des Jahres 532 auf 533 die Macht zu übernehmen und sich zu diesem Zwecke auch des mittlerweile 16jährigen Athalarichs zu bemächtigen. Als verschiedene Besänftigungsversuch Amalasuinthas nicht fruchteten, bat sie den oströmischen Kaiser um Asyl, was dieser ihr auch gewähren wollte. Sie blieb letztlich jedoch trotz der Bedrohungen in Ravenna, da nun Theodahat selbst, eingeschüchtert durch diese Allianz, selbst Anstalten machte, das Land zu verlassen. Nachdem sich Amalasuintha zudem der wichtigsten Heerführer (möglicherweise unter ihnen Tuluin, vgl. Procop. Goth. I 2) hatte entledigen können, die ebenfalls gegen sie opponiert hatten, war ihre Macht im Jahr 533 wiederhergestellt. Als Athalarich am 2. Oktober 534 an Tuberkulose starb, war die Herrschaft seiner Mutter gefestigt und bestand auch über seinen Tod hinaus. Sie ernannte Theodahat zu Mitregenten und sich selbst zur Königin. König war Athalarich nie mehr als dem Namen nach gewesen (vgl. Procop. Goth. I 2,19–29; Agnellus Lib. pontif. eccl. Rav. 62; Schwarcz 1997; Wolfram 1990b, 336f.; Giese 2004, 122f.; zu den Regierungsmaßnahmen Athalarichs vgl. Cassiod. Var. VIII–X.) (Florian Battistella)
Gemeint ist Athalarich, Enkel des Ostgotenkönigs Theoderichs (489–526 n. Chr.), der nach dessen Tod im Jahr 526 als König in der Präfektur Italien über Römer und Goten unter der Vormundschaft seiner Mutter Amalasuintha bis zu seinem Tod 534 herrschte (PLRE II (Athalaricus), 175f.).
Geboren im Jahr 516 als Sohn der Amalasuintha (PLRE II, 65), der Tochter Theoderichs, und Fl. Eutharicus Cilliga (PLRE II, 438) war er beim Tod seines Großvaters 10 Jahre alt. Noch auf dem Sterbebett hatte Theoderich die Nachfolge seines Sohnes in die Wege geleitet und ihn unter Vormundschaft seiner Mutter als nächsten König designiert, allerdings ohne dazu auch die Zustimmung Ostroms eingeholt zu haben (vgl. Iord. Get. 304 und Rom. 367; Anonymus Valesianus 16,96). Es lag nun vor allem an Amalasiuntha, die Differenzen zwischen gotischer Herrschaft auf der einen und Senat sowie katholischem Klerus auf der anderen Seite zu schlichten und die von Theoderich stets propagierte Eintracht in der Präfektur Italien aufrecht zu erhalten. Eine Vereidigung sowohl der Goten als auch der Römer auf den neuen König erfolgte durch Beauftrage aus Ravenna, die gemeinsam mit dem loyalen Staatsbeamten Cassiodor die Fortsetzung des guten Verhältnisses zwischen beiden Bevölkerungsteilen versprachen und sich auch um die Anerkennung durch den oströmischen Kaiser bemühten (Wolfram 1990b, 333f., Cassiod. Var. VIII 2). Die unmittelbar nach seinem Amtsantritt durchgeführten politischen Maßnahmen offenbarten eine deutliche Abkehr von der zuletzt unter Theoderich rigide geführten, bisweilen als antirömisch angesehene Politik, die sich vor allem in Verschwörungsvorwürfen gegen Angehörige des Senats und deren scharfer Verfolgung geäußert hatte (s. oben). In Cassiod. Var. VIII 1 distanziert sich Athalarich von dieser harten Haltung seines Vorgängers und sucht im Gegenzug eine Garantie für eine weiterhin bestehende Gewährung eines Friedens- und Freundschaftsverhältnisses und gibt zugleich den durch die scharfen Gerichtsprozesse geschädigten Familien des Symmachus und Boethius Vermögensrechte zurück (vgl. Procop. Goth. I 2,5; Wolfram 1990b, 334). Da Amalasuintha die Vormundschaft für ihren zu dem Zeitpunkt lediglich 10-jährigen Sohn innehatte, muss ein Großteil dieser Maßnahmen ihr und dem sie beratenden Hof- und Kanzleipersonal zugeschrieben werden. Essenz ihrer Herrschaft ist das sogenannte Edikt Athalarichs (Cassiod.Var. 9,18), das sich auf das Vorbild Theoderichs beruft und vor allem an dessen zu Beginn seiner Herrschaft dominante Politik des Ausgleichs zwischen Goten und Römern anknüpft. Mit dem Amtsantritt Athalarichs waren jedoch auch einige Faktoren verbunden, die zu einer Schwächung des Reiches führten. Zum einen brach die Personalunion der beiden Gotenreiche weg, sodass der westgotische Enkel Theoderichs, Amalarich (PLRE II (Amalaricus), 64f.) eine selbstständige Herrschaft über das Westgotenreich führen konnte, was mit einer Fülle von Machteinbußen für den Hof in Ravenna verbunden war (vgl. dazu ausführlich Wolfram 1990b, 334; Procop. Goth. 1,4f.). Zum anderen stand das ostgotische Reich aufgrund der Minderjährigkeit Athalarichs ohne einen Heerkönig da, der den Oberbefehl über den Exercitus Gothorum hätte führen können. An des Königs statt führte der Gote Tuluin (PLRE II (Tuluin), 1131-1133), der als treuer Gefolgsmann Theoderichs und erfahrener Heerführer im Jahr 526 zum patricius praesentalis erhoben worden war, das Heer als oberster Heermeister an (Cassiod. Var. VIII 9–11). Geschwächt wurde Athalarichs Herrschaft jedoch auch durch eine Auseinandersetzung innerhalb der gotischen Führungsschicht, deren Stoßrichtung u.a. die prorömische Haltung Amalasuinthas war; diese Haltung äußerte sich z.B. in der literarischen und philosophischen Ausbildung Athalarichs nach römischem Vorbild. Ihren eigenen Vorlieben folgend hatte Amalasuintha ihrem Sohn eine solche Erziehung zukommen lassen, die den zum Teil in traditionell gotischen Wertemustern denkenden und handelnden gotischen Adligen ein Dorn im Auge war. Mitglieder dieser intransigenten Gruppe, zu denen u.a. Amalasuinthas Vetter und späterer Mitregent Theodahat sowie auch antikaiserliche Römer wie (möglicherweise) die Brüder Cyprianus (PLRE II (Cyprinanus 2), 332f.) und Opilio (PLRE II (Opilio 4), 808) gehörten, versuchten an der Wende des Jahres 532 auf 533 die Macht zu übernehmen und sich zu diesem Zwecke auch des mittlerweile 16jährigen Athalarichs zu bemächtigen. Als verschiedene Besänftigungsversuch Amalasuinthas nicht fruchteten, bat sie den oströmischen Kaiser um Asyl, was dieser ihr auch gewähren wollte. Sie blieb letztlich jedoch trotz der Bedrohungen in Ravenna, da nun Theodahat selbst, eingeschüchtert durch diese Allianz, selbst Anstalten machte, das Land zu verlassen. Nachdem sich Amalasuintha zudem der wichtigsten Heerführer (möglicherweise unter ihnen Tuluin, vgl. Procop. Goth. I 2) hatte entledigen können, die ebenfalls gegen sie opponiert hatten, war ihre Macht im Jahr 533 wiederhergestellt. Als Athalarich am 2. Oktober 534 an Tuberkulose starb, war die Herrschaft seiner Mutter gefestigt und bestand auch über seinen Tod hinaus. Sie ernannte Theodahat zu Mitregenten und sich selbst zur Königin. König war Athalarich nie mehr als dem Namen nach gewesen (vgl. Procop. Goth. I 2,19–29; Agnellus Lib. pontif. eccl. Rav. 62; Schwarcz 1997; Wolfram 1990b, 336f.; Giese 2004, 122f.; zu den Regierungsmaßnahmen Athalarichs vgl. Cassiod. Var. VIII–X.) (Florian Battistella)
Parallelüberlieferung
Literatur
Istrin (1994): Istrin, V. M.: Истрин В. М. Хроника Иоанна Малалы в славянском переводе/Chronika Ioanna Malaly w slawjanskom perewode, 1994.
König (2018): König, Ingemar: Edictum Theodorici regis, Darmstadt, 2018.
Meier (2004a): Meier, Mischa: Das andere Zeitalter Justinians. Kontingenzerfahrung und Kontingenzbewältigung im 6. Jahrhundert n. Chr., Göttingen, 2004.
Meier (2007d): Meier, Mischa: Naturkatastrophen in der christlichen Chronistik. Das Beispiel Johannes Malalas (6. Jh.), Gymnasium, 2007, 559–586.
Scott (1985): Scott, Roger D.: Malalas, The Secret History, and Justinian's Propaganda, Dumbarton Oaks Papers, 1985, 99-109.
Thurn (2000): Thurn, Johannes: Ioannis Malalae Chronographia, Berolini et Novi Eboraci, 2000.
Tvorogov (1999): Tvorogov, O. V. et alii: Letopisec Ellinskij i Rimskij/Летописец Еллинский и Римский, 1999.