Malalas 18.84 1–2 = 57–58 (Thurn)

Inhalt

Das 84. Kapitel berichtet über die Konfiskation homöischer Kirchen.

Philologisch-Historischer Kommentar
Parallelüberlieferung
Literatur

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Ἐν δὲ τῇ ὑπατείᾳ Ἰωάννου τοῦ Καππάδοκος ἐπήρθησαν αἱ ἐκκλη-
 
σίαι τῶν Ἀρειανῶν.
Philologisch-Historischer Kommentar
1/1 Ἐν δὲ τῇ ὑπατείᾳ Ἰωάννου τοῦ Καππάδοκος: Das Konsulat Johannes des Kappadokers (XVIII 61, 2) fällt in das Jahr 538 n. Chr.: Bagnall/Cameron/Schwartz/Worp 1987, 610f. Die Chronographie macht an dieser Stelle also – sollte der Codex Baroccianus hier keine Kürzungen gegenüber der ursprünglichen Version enthalten – einen zeitlichen Sprung von zwei Jahren.
1/8 ἐπήρθησαν: 3. Pers. Plur. des Indikativ Aorist Passiv von ἐπαίρω. Im klassischen Griechisch bedeutet dieses Verb – seiner Zusammensetzung aus ἐπί + αἴρω entsprechend – 'emporheben, aufrichten'; daraus hat sich im Neugriechischen (über die Koiné-Form επαίρνω) das Verb παίρνω entwickelt, welches zahlreiche Nuancen des weiten Bedeutungsfeldes 'nehmen' abdeckt. In der Malalas-Chronik sind Ansätze dieser semantischen Εntwicklung greifbar, da ἐπαίρω für die Bedeutung 'wegnehmen (und an sich reißen)' bevorzugt wird: siehe die Sammlung der Belege bei Thurn 2000, 517 (vorliegende Stelle fehlt), darunter z.B. Malal. X 20 ἐπαίρων πᾶσαν τὴν περιουσίαν αὐτῶν "er beschlagnahmte ihr ganzes Hab und Gut"; Malal. XIII 48 ἐπῆρε πάντα τὰ τοῦ παλατίου χρῆματα "er beschlagnahmte das ganze Reichtum des Palastes".
1f./8 ἐπήρθησαν αἱ ἐκκλησίαι τῶν Ἀρειανῶν: Zu den Arianern bzw. Homöern, die gut zehn Jahre früher noch z.T. von Kirchenkonfiskationen ausgenommen worden waren, siehe XVIII 7, 2f.. Die jetzige Konfiskation, die sich anscheinend auf alle homöischen Kirchen bezog, bedeutete einen Schlusspunkt für die Duldung der Homöer, die bis dahin selbst im Osten des Reiches noch ein Faktor gewesen waren, wie Greatrex 2001 erörtert: Auch nach ihrer offiziellen Verbannung aus Konstantinopel im Jahr 380 waren sie in Byzanz weiterhin präsent gewesen und blieben es teils noch bis in die Regierungszeit Justinians. Insbesondere in der Armee, in der viele gotischstämmige – und damit einer der großen homöischen Gruppen des Reiches zugehörige – Soldaten dienten, waren die Sympathien zum homöischen Bekenntnis z.T. noch ausgeprägt, wenngleich die Bedeutung der Homöer auch hier insbesondere nach dem Ende der gotischen und vandalischen Reiche sukzessive abnahm. Die nunmehrige harsche Maßnahme wird von Greatrex 2001, 79f. (vgl. Leppin 2011a, 191) vornehmlich auf Afrika bezogen, wo nach dem Sieg Belisars über die arianischen Vandalen 533 orthodoxe Hardliner religionspolitisch den Ton angaben. Das hatte 536 zu einer Rebellion homöischer Offiziere geführt, die endgültig Anlass für ein rigides Eingreifen gegeben haben könnte. Eine entsprechende Maßnahme wird bereits für 535 in der auf Afrika bezogenen Novelle XXXVII angesprochen (vgl. auch Nov. CXXXI mit späteren, reichsweiten Maßnahmen). Procop. Arc. XI 16–20, der das Vorgehen gegen homöische Kirchen ohne nähere chronologische Einordnung ebenfalls thematisiert, polemisiert gegen Justinian und behauptet, die Konfiskationen seien alleine aus Gier geschehen. Leppin/Meier 2005, 303 gehen hingegen davon aus, dass die arianischen Kirchen zu dieser Zeit keine nennenswerten Besitztümer mehr hatten. Malalas verzichtet einmal mehr auf Details über weitere Zusammenhänge, wie er auch allgemein die theologischen Auseinandersetzungen mit den Homöern nur stichwortartig anspricht: Vgl. dazu Croke 1990c, 14.
Parallelüberlieferung
Nov. XXXVII (?); Procop. Arc. XI 16–20 (?).
Literatur
Bagnall/Cameron/Schwartz/Worp (1987): Bagnall, Roger S./Cameron, Alan/Schwartz, Seth R./Worp, Klaas A.: Consuls of the Later Roman Empire, Atlanta, 1987.
Croke (1990c): Croke, Brian: Malalas, the man and his work, 1990, 1–25.
Leppin (2011a): Leppin, Hartmut: Justinian. Das christliche Experiment, Stuttgart, 2011.
Leppin/Meier (2005): Leppin, H./Meier, M.: Anhang, Anekdota. Geheimgeschichte des Kaiserhofes von Byzanz. Griechisch-deutsch, 2005, 281–388.
Thurn (2000): Thurn, Johannes: Ioannis Malalae Chronographia, Berolini et Novi Eboraci, 2000.