Malalas 15.11 1–7 = 63–69 (Thurn)

Inhalt

Thema dieses Abschnitts sind Erdbeben in Konstantinopel, Nikomedia und Helenupolis sowie die kaiserlichen Unterstützungsmaßnahmen. (Florian Battistella)

Philologisch-Historischer Kommentar
Parallelüberlieferung
Literatur

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Ἐπὶ δὲ τῆς βασιλείας Ζήνωνος ἔπαθεν ὑπὸ θεομηνίας σεισμοῦ τὸ
 
δεύτερον αὐτῆς πάθος Κωνσταντινούπολις μηνὶ σεπτεμβρίῳ ἐπὶ ὀλίγον
 
διάστημα, ἕως τοῦ Ταύρου. ἔπαθεν δὲ τότε καὶ Νικομήδεια, μητρόπολις
 
τῆς Βιθυνίας, τὸ ἕκτον αὐτῆς πάθος, ὁμοίως δὲ καὶ Ἑλενούπολις τῆς
5 (67)
αὐτῆς ἐπαρχίας· καὶ πολλὰ παρέσχεν αὐτοῖς ὁ αὐτὸς Ζήνων εἰς τὸ ἀνοι-
 
κοδομῆσαι. ἐπὶ δὲ τῆς βασιλείας Ζήνωνος Μαμμιανός, πατρίκιός τις Ἀντι-
 
οχείας τῆς Συρίας, Φοῖνιξ τὸ γένος, πολλὰ ἔκτισεν ἐν Δάφνῃ τῆς Συρίας.
Philologisch-Historischer Kommentar
2/5 μηνὶ σεπτεμβρίῳ: Von Thurn anhand der slawischen Überlieferung (Istrin 1994, 338; Tvorogov 1999, 350) rekonstruiert. Dies ist insofern gerechtfertigt, als Theoph. AM 5970 (125,30 De Boor) und andere Quellen, von denen einige zur Malalas-Tradition zählen, den Monat September (teils mit Tagesdatum) angeben. Dazu: XV 11, 1ff.. Dass, wie Guidoboni/Comastri/Traina 1994, 302 schreiben, die slaw. Malalas-Tradition auch die erste Indiktion angebe, stimmt dennoch nicht. Es liegt eine Verwechslung mit der Theophanes-Stelle vor. (Florian Battistella, Kamil Choda)
3/2 ἕως τοῦ Ταύρου Gemeint ist das Forum Tauri. Wie der Not. Urb. Const. VIII-IX zu entnehmen, lag dieses im Übergangsbereich von regio septima und regio octava. Benannt ist es laut Thurn/Meier 2009, 416 Anm. 93 nach dem früher an dieser Stelle befindlichen Rindermarkt. Es sei identisch mit dem Forum Theodosii. Diese Namensgleichheit nahm bereits Janin 1964, 64 an. Er schloss jedoch die Benennung statt nach einem Rindermarkt nach einem Präfekten namens Taurus nicht aus. Der Name Theodosius-Forum müsse jedenfalls auf Theodosius I., den Erbauer, zurückgeführt werden (ausführlich zur Identifikation: Guilland 1959a, 55-63; s. auch Janin 1964, 64-68). (Florian Battistella)
3/5 ἔπαθεν δὲ τότε καὶ Νικομήδεια, μητρόπολις τῆς Βιθυνίας, τὸ ἕκτον αὐτῆς πάθος: Mit ἔπαθεν δὲ τότε wird sprachlich an die eingangs verwendete Formulierung ἔπαθεν ὑπὸ θεομηνίας angeknüpft: XV 11, 1ff.. Zu Nikomedia in der Spätantike: X 43, 4; Zur Provinz Bithynia: VIII 1, 14. Zur Erwähnung von Erdbeben in Nikomedia in der Chronographia: X 43, 4. (Florian Battistella mit Brendan Osswald)
5/10 εἰς τὸ ἀνοικοδομῆσαι: Von Thurn 2000, 308f. auf Grundlage der slawischen Überlieferung (Istrin 1994, 338; Tvorogov 1999, 350) rekonstruiert. Diese Ergänzung ist unnötig und irreführend. Der Satz ist auch ohne den Zusatz grammatikalisch korrekt und leicht verständlich; vgl. z.B. X 18,4–5, XVII 15,27–28 etc. Wenn eine kaiserliche Schenkung dem Wiederaufbau einer zerstörten Stadt gewidmet ist, ist nie dieser Ausdruck oder das Verb οἰκοδομέω überhaupt verwendet. In XVII 15,4–5, wo der Satz ähnlich gebaut ist, lautet es: ὁ δὲ βασιλεὺς Ἰουστῖνος πολλὰ παρέσχεν εἰς ἀνανέωσιν τῇ αὐτῇ Δορραχηνῶν πόλει. Neben ἀνανέωσις gehören zum Wortschatz des Wiederaufbaus in der Chronographia ebenfalls ἐπανόρθωσις bzw. ἀνεγείρω oder ἀνανεόομαι: Davoine 2019, 179 und 193–195. (Olivier Gengler)
6/2 ἐπὶ δὲ τῆς βασιλείας Ζήνωνος ... ἐν Δάφνῃ τῆς Συρίας: Der gesamte Satz wurde von Thurn 2000, 309 anhand der slawischen Überlieferung (Istrin 1994, 338; Tvorogov 1999, 350) rekonstruiert. Angesichts von Evagr. HE III 28 scheint dieser Schritt nicht abwegig, denn dort wird als Quelle für einen ausführlichen Bericht über Mamianus Ἰωάννης ὁ ῥήτωρ - wohl Johannes Malalas - angegeben (Thurn/Meier 2009, 380; 396f.; Jeffreys/Jeffreys/Scott 1986, 213f.). Wenn im Hintergrund von Evagrius jedoch häufig Malalas anzunehmen ist (für ein weiteres Beispiel: XVI 18, 1), stellt sich die Frage, inwieweit die von Thurn vorgenommene Ergänzung glücklich ist, da sie eine Kürze suggeriert, die möglicherweise in der Vorlage der slawischen Überlieferung noch nicht gegeben war. Angesichts der besonderen Aufmerksamkeit, welcher sich Antiochener Ereignisse in den zeithistorischen Büchern bis in Buch XVIII hinein erfreuen, ist es gut vorstellbar, dass der ursprüngliche Bericht ausführlicher war. Dies legt auch der Evagrius-Passus nahe (zur Länge der Entsprechung vgl. Jeffreys/Jeffreys/Scott 1986, 214). Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass die Ergänzung selbst eine eigene narrative Einheit darstellt und mit einer gerade für Buch XV besonders typischen Einleitungsformel beginnt (Ἐπὶ δὲ τῆς βασιλείας: XV 4, 1). Dies wiederum deutet darauf hin, dass die ergänzte Passage gar nicht notwendigerweise als Teil von Mal. XV 11 betrachtet werden muss, wie es Thurns Textgestaltung letztlich nahelegt. Es könnte sich auch um einen separaten Abschnitt von Buch XV handeln, der sich jedoch nur verkürzt in der slawischen Überlieferung sowie sprachlich umgearbeitet bei Evagrius erhalten hat. (Florian Battistella, Kamil Choda)
6/7 Μαμμιανός: PLRE II (Mamianus 1), 705 = Begass 2018 Nr. 143, 184f.

Reicher Antiochener Senator niederer Abkunft, der sich u.a. durch das Finanzieren verschiedener Bauten in Antiochia und Daphne hervortat und deswegen auch mit einer Statue geehrt wurde (s. dazu v.a. Evagr. HE III 28). Die Forschung ist sich uneins, ob er mit der reichen Person namens Mamianos, die bei Prok. HA 28,3 erwähnt wird (=PLRE II (Mamianus 2), 705), identisch ist. Die Autoren der PLRE schließen es aus. Thurn/Meier 2009, 396 Anm. 66 halten es hingegen für möglich. Begass 2018, 185 meint, dass dieser "[a]ufgrund des seltenen Namens und der ebenfalls syrischen Herkunft möglicherweise ein Verwandter" sei. (Florian Battistella)
6/10 Ἀντιοχείας τῆς Συρίας: Zu Antiochia am Orontes, der wichtigsten Metropole der spätantiken Levante und einem zentralen geographischen Bezugspunkt der Chronographia: VIII 12, 23. (Florian Battistella)
7/10 Δάφνῃ τῆς Συρίας: Zu Daphne, einem Vorort des syrischen Antiochia, und seiner Archäologie: VIII 19, 2. (Florian Battistella)
Parallelüberlieferung
Thurn 2000, 308. Parallelüberlieferung des Texts: CP 605,16–18 Dindorf (nur über Konstantinopel); slawische Fassung: Istrin 1994, 338 und Tvorogov 1999, 350. Von wenigen Auslassungen abgesehen bietet die slawische Übersetzung eine umfangreichere Fassung dieses Kapitels als der Baroccianus, zumal sie auch manche Wörter beinhaltet, die in O nicht vorkommen. Die Stellen, die in der slawischen Übersetzung, aber nicht in O nicht vorkommen, hat Thurn vollständig in seinen Haupttext aufgenommen. Die Textstelle über Mamianos findet sich nur in Sl. Andere Quellen: * zum Erdbeben in Konstantinopel: Theoph. 5970 (125,29–126,5 De Boor); Cram., Anecd. Paris. 2,112,11–18; Kedr. 385,1 (603,1–6 Tartaglia); Zon. 3,130,15–131,1; Marc. Com. s.a. 480; s. auch Ambraseys 2009, 175f. * über Mamianos: Euagr. HE III 28 (124,19–125,5). (Kamil Choda, Brendan Osswald)
Literatur
Begass (2018): Begass, Christoph: Die Senatsaristokratie des oströmischen Reiches, ca. 457-518. Prosopographische und sozialgeschichtliche Untersuchungen, München, 2018.
Istrin (1994): Istrin, V. M.: Истрин В. М. Хроника Иоанна Малалы в славянском переводе/Chronika Ioanna Malaly w slawjanskom perewode, 1994.
Jeffreys/Jeffreys/Scott (1986): Jeffreys, Elizabeth/Jeffreys, Michael/Scott, Roger: The Chronicle of John Malalas. A Translation, Melbourne, 1986.
Thurn (2000): Thurn, Johannes: Ioannis Malalae Chronographia, Berolini et Novi Eboraci, 2000.
Thurn/Meier (2009): Thurn, Johannes/Meier, Mischa: Johannes Malalas Weltchronik., Stuttgart, 2009.
Tvorogov (1999): Tvorogov, O. V. et alii: Letopisec Ellinskij i Rimskij/Летописец Еллинский и Римский, 1999.