Malalas 17.12 1–21 = 27–47 (Thurn)

1 (27)
Ἐν δὲ τοῖς αὐτοῖς χρόνοις τὸ Βένετον μέρος ἐν πάσαις ταῖς πόλεσιν
 
ἠτάκτει, καὶ ἐτάρασσον τὰς πόλεις λιθασμοῖς καὶ καταβασίαις καὶ φόνοις·
 
ἐπήρχοντο γὰρ καὶ τοῖς κατὰ πόλιν ἄρχουσιν, ἀρξάμενοι ἀπὸ τοῦ Βυ-
 
ζαντίου. ταῦτα δὲ διεπράττοντο ἕως τῆς γενομένης προαγωγῆς τῆς ἐν
5 (31)
Κωνσταντινουπόλει {γενομένου} Θεοδότου ὑπάρχου πόλεως, τοῦ ἀπὸ
 
κομήτων τῆς ἀνατολῆς· ὅστις προεβλήθη ἐπὶ τῆς πρώτης ἰνδικτιῶνος,
 
καὶ κατεδυνάστευσεν τῆς δημοκρατίας τῶν Βυζαντίων τιμωρησάμενος
 
πολλοὺς τῶν ἀτάκτων κατὰ κέλευσιν τοῦ βασιλέως Ἰουστίνου. ἐν οἷς
 
συνελάβετο Θεοδόσιόν τινα, τὸν ἐπίκλην Ζτικκάν, ὅστις ἔν πολλῇ εὐπο-
10 (36)
ρίᾳ ὑπῆρχεν, καὶ τῇ ἀξίᾳ ὢν ἰλλούστριος, καὶ τοῦτον αὐθεντήσας ἀνεῖ-
 
λεν, μὴ ἀναγαγὼν τῷ βασιλεῖ. καὶ ἀγανακτηθεὶς ὑπὸ τοῦ βασιλέως
 
ἐπαύθη τῆς ἀρχῆς καὶ ἀπεζώσθη τῆς ἀξίας, κελευσθεὶς ἐξελθεῖν ἐπὶ τὴν
 
ἀνατολήν. καὶ μετὰ τὸ καταλαβεῖν αὐτὸν τὴν ἀνατολὴν ἔφυγεν φοβηθεὶς
 
ἐν τῇ τρίτῃ ἰνδικτιῶνι, προσφυγὼν ἐν Ἱεροσολύμοις, καὶ ἀπεκρύβη ἐκεῖ·
15 (41)
καὶ ἀντ᾿ αὐτοῦ προήχθη ἔπαρχος πόλεως Θεόδωρος ὁ ἀπὸ ὑπάτων, ὁ
 
ἐπίκλην τηγανιστής. προήχθη δὲ καὶ ἐν Ἀντιοχείᾳ Ἐφραῖμιος ὁ Ἀμιδη-
 
νός· ὅστις ἠγωνίσατο κατὰ τῶν δημοκρατούντων Βενέτων· καὶ λοιπὸν
 
ἡσύχασεν ἡ δημοκρατία τοῦ Βενέτου μέρους τοῦ ποιεῖν ταραχὰς ἐν ταῖς
 
πόλεσι· καὶ ἐπήρθησαν τὰ θεώρια, καὶ οἱ ὀρχησταὶ ἐκ τῆς ἀνατολῆς καὶ
20 (46)
πάντες ἐξωρίσθησαν, δίχα μέντοι τῆς μεγάλης Ἀλεξανδρείας τῆς πρὸς
 
Αἴγυπτον.
Philologisch-Historischer Kommentar
2/6 λιθασμοῖς: Einzige Belegstelle bei Malalas für diesen – sowieso sehr seltenen – Terminus: Davor nur bezeugt bei den Kirchenvätern Gregor von Nazianz, Basilius Magnus und Johannes Chrysostomus; nahezu einziger Beleg in der nicht-christlichen Literatur: Schol. A. Th. 676 λιθασμοὺς δεχόμεθα 'Steinwürfe kriegen' (und mit dem Schild parieren); vgl. jedoch das Neutrum λίθασμα, Belege dafür s. LBG s.v. und unten. In der Chronik kommt sonst nur λιθοβολέω zur Anwendung: Mal. X 43; XII 50; XVI 4; XVIII 64.

Es besteht in der Chronik keine spürbare Unterscheidung in der Verwendung dieser von λίθος abgeleiteten Substantive; auf den ersten Blick denkbar wäre etwa eine Spezialisierung von λιθασμός für den Gestus des 'Steinwerfens' allgemein (beispielweise als Störungsakt im Zuge einer städtischen Revolte, wie an der hiesigen Stelle), von λιθοβολέω für 'steinigen' von Märtyrern oder anderen Gewaltopfern, so in der Tat Mal. X 43 ἐφόνευσαν Κυρήνιον τὸν ἄρχοντα αὐτῶν λιθοβολήσαντες αὐτόν und XII 50 λιθοβολήσαντες ἐφόνευσαν αὐτόν, jedoch nicht in Mal. XVI 4 τινας συσχεθέντας ... ὡς λιθοβολήσαντας (allgemein 'Steinwerfer' qua Unruhestifter und XVIII 64 οἱ δῆμοι ἐν τῷ ἐπισκοπείῳ λιθοβολοῦντες. Dieselbe Doppelanwendbarkeit weist das Neutrum λίθασμα auf, sowohl 'Steinigung' als auch 'das Werfen von Steinen', s. LBG s.v.
Die für λιθασμός gewählte Wiedergabe bei Thurn 2000, 516 im Index Verborum, 'lapidatio', ist insoweit ungenau bzw. zu stark interpretierend, als dass die Eskalation der Gewalt bis zur Tötung von Mitbürgern und Fraktionsfeinden stricto sensu erst mit dem dritten Element der Begriffstrias, φόνοις, zur Sprache gebracht wird (anders Mal. X 43 und XII 50, wo der Konnex zwischen Steinwerfen und verursachtem Tod explizit und die Übersetzung 'steinigen' für λιθοβολέω deshalb gerechtfertigt ist). (Laura Carrara)
2/8 καταβασίαις: Der zweite Begriff in der Trias der unruhestiftenden Aktionen der Blauen, καταβασία, ist wie der erste (λιθασμός, XVII 12, 2) selten belegt, wie jener jedoch sprachlich transparent und dadurch semantisch leicht nachvollziebar: Ein Kompositum von κατά '[nach] unten' + βαίνω 'gehen', kann καταβασία grundsätzlich jeden Vorgang bzw. Gegenstand bezeichnen, der 'von oben nach unten (vor-)geht', und damit so unterschiedliche Dinge wie Donner (Plu. Mor. 555A 10 - orthographische Variante καταιβασίαι: frühester Beleg und im Kontext einer Prodigien-Auflistung), einen 'absteigenden bzw. abschließenden Musik-Refrain'(DeCerV I 24,3 Vogt = S. 30 Moffatt/Tall ἄρχονται ψάλλειν τὰ δύο μέρη τὴν τῆς ἑορτῆς καταβασίαν) oder hier 'Überfall' [die Grundidee ist wohl, dass der Angriff von oben nach unten auf die ahnunglose Opfer trifft], s. für weitere Belege und Anwendungsbereiche des Begriffs (v.a. in der Medizin für Anschläge, Blutverluste u.a.) LBG s.v. (Laura Carrara)
6/6 ἐπὶ τῆς πρώτης ἰνδικτιῶνος: Die erste Indiktion des neuen Zyklus begann am 1. Sept. 522. (Olivier Gengler)
8/4 κατὰ κέλευσιν τοῦ βασιλέως Ἰουστίνου: Zur Ausdruck κατὰ κέλευσιν: I 1, 8. (Brendan Osswald)
10/4 τῇ ἀξίᾳ ὢν ἰλλούστριος: ἰλλούστριος = lat. illustris. Vgl. LSJ Supp. Zu lateinischen Lehnwörtern bei Malalas und im späteren Griechisch vgl. Malal. XVIII 22,3 ad σιλεντίου.
Bereits in römisch-republikanischer Zeit kann das Wort illustris einen hohen gesellschaftlichen Rang bezeichnen, im späteren ordo dignitatum steht es speziell für die allerhöchste Rangstufe für die Amts- und Würdenträger (vgl. Not. dign. or. 2–15 und occ. 2–13; Cod. Theod. 6,7; 9,1; 14,1; Cod. Iust. 12,8,2). Bis zur Mitte des 4. Jh. n. Chr. werden alle Angehörigen des senatorischen Standes als clari oder clarissimi tituliert, was allmählich zu einer Titelinflation führte, die eine Differenzierung nach senatorischen Inhabern hoher und höchster Hof- und Reichsämter, senatorischer Provinzialverwaltern und Senatoren ohne Karriere im Reichsdienst nötig machte (Cod. Theod. 6,4,12). Am Ende dieser Entwicklung steht eine von Valentinian I. eingesetzte Ordnung der höfischen Ränge, in der die schon seit Mitte des 4. Jh. verwendeten Rangbezeichnungen spectabiles und illustres (Cod. Theod. 11,30,31; 7,6,1) strikt von denen für einfache Angehörige des senatorischen Standes abgegrenzt wurden. Nach dieser Ordnung wurden unterschieden: illustres kraft ihres Amtes (in actu), ferner die vacantes und die honorarii (Cod. Iust. 12,8,2). Zu den illustres in actu gehören nach dieser Ordnung die Konsuln, der praefectus urbi, die praefecti praetorio, die magistri militum, der praepositus sacri cubiculi, der quaestor palatii, der magister officiorum, der comes sacrarum largitionum, der comes sacri patrimonii und die comites domesticorum, vgl. Gizewski 1998; Chastagnol 1992, 293–324, Löhken 1982, 112–147. Bis zum 6. Jh. blieb die Stimmberechtigung im Senat auf die mit einem Amt ausgestatteten und die honorarischen illustres viri begrenzt (Dig. 1,9,12,1). Die Verleihung des Ranges eines illustris könnte im vorliegenden Fall der Grundbesitzer der genannten Städte weniger aus politischer Hinsicht als vielmehr aus wirtschaftlicher von Bedeutung gewesen sein, da ein Titel z.B. die Befreiung von munera sordida oder anderer Abgabelasten (z.B. Cod. Theod. 7,8,16; 11,16,23) mit sich bringen konnte.
(Fabian Schulz)
13/3 μετὰ τὸ καταλαβεῖν αὐτὸν τὴν ἀνατολὴν: XVIII 110, 2f..
14/7 Ἱεροσολύμοις: Jerusalem, in den judäischen Hügeln auf zwei Bergrücken oberhalb der Täler Hinnom und Kidron entstanden. Die erste Besiedlung geht bereits auf die Frühe Bronzezeit zurück; befestigte Anlagen sind um 1800 v.Chr. nachgewiesen. Die alttestamentarische Überlieferung lässt Jerusalem mit der Eroberung durch David (2 Sam 5,6–9) und der Errichtung des ersten Tempels durch seinen Nachfolger Salomon (1 Kg 6) als neue Königsresidenz und wichtigen Bezugspunkt des Judentums hervortreten (ca. spätes 11. bis Mitte 10. Jh. v. Chr.). Auf die Fremdherrschaft durch Babylonier, Perser und Seleukiden folgte mit der Eroberung durch Pompeius 63 v. Chr. eine Phase der Vasallität gegenüber Rom, die von der herodianischen Dynastie (37 v.Chr. – 70 n. Chr.) geprägt wurde. Herodes ließ die alte Davidstadt nach hellenistischen Vorbildern ausbauen und errichtete auch den Jahwe-Tempel in neuer Form (I. BI V 184–237; AI 380–402). Die Plünderung des Jerusalemer Tempelschatzes durch einen römischen Prokurator bildete 66 den Anlass für den Ausbruch des jüdischen Krieges, an dessen Ende die Eroberung der Stadt und Zerstörung (u.a.) des Tempels durch Titus standen (August/September 70, I. BI V 67- VII 5). Auf die Eingliederung Judäas in das Provinzialsystem folgte unter Hadrian der römische Ausbau Jerusalems als Aelia Capitolina samt Überbauung des vorhandenen Straßennetzes mit Kolonnadenstraßen. Administrativ blieb die Stadt Caesarea Maritima nachgeordnet. Neue Bedeutung gewann Jerusalem seit dem 4. Jh. als christlicher Erinnerungsort, nachdem 326 im Beisein der Kaisermutter Helena ein Grab entdeckt worden war, das man als Grab Jesu identifizierte und dem die Kreuzesreliquien entnommen wurden. Die Stadt wurde in der Folge als christliches Zentrum ausgebaut, wobei sich neben Konstantin I. auch Justinian sowie die nach Jerusalem exilierte Kaiserfrau Eudokia (ca. 400–460) als Stifter hervortaten. Seit ca. 400 war Jerusalem Teil der Provinz Palaestina I. Vgl. zu Geschichte und Topographie Avigad 1980; ODB 2 (1991), 1033–1036, s.v. Jerusalem (K.G. Holum/G. Vikan); DNP 5 (1998), 901-910, s.v. Jerusalem (K. Bieberstein/I. Wandrey). (Jonas Borsch)
19/3 ἐπήρθησαν: Passiver Aorist des Verbes ἐπαίρω: 'nehmen, wegnehmen, wegreißen' (wie das neugriechische Verb πέρνω/παίρνω: XVIII 84, 1); hier im Sinne von 'aussetzen, abschaffen'. Vgl. Lampe, s.v. ἐπαίρω B. (Olivier Gengler)
19/4 τὰ θεώρια: In der Chronographia bezeichnet θεώρια (nur in Plural) das "Schauspiel": XIV 20, 4. (Olivier Gengler)
Parallelüberlieferung
Ioh. Nik. XC 16–23; vgl. Proc. HA. IX 37–42.
Literatur
Avigad (1980): Avigad, Nahman: Discovering Jerusalem, Oxford, 1980.
Croke (2007): Croke, Brian: Justinian under Justin: reconfiguring a reign, Byzantinische Zeitschrift, 2007, 13–56.
Downey (1938): Downey, Glanville: Ephraemius, Patriarch of Antioch, Church History, 1938, 364–370.
Leppin (2011a): Leppin, Hartmut: Justinian. Das christliche Experiment, Stuttgart, 2011.
Mango/Scott (1997): Mango, Cyril and Scott, Roger: The Chronicle of Theophanes Confessor. Byzantine and Near Eastern History AD 284–813, Oxford, 1997.
Puk (2014): Puk, Alexander: Das römische Spielewesen in der Spätantike, Berlin, 2014.
Thurn (2000): Thurn, Johannes: Ioannis Malalae Chronographia, Berolini et Novi Eboraci, 2000.