Malalas 18.110 1–3 = 70–72 (Thurn)
Inhalt
Kapitel XVIII 110 berichtet von der Entsendung des Eunuchen Narses nach Italien, der im dortigen Konflikt mit den Goten nach dem erneuten Verlust Roms (550) als neuer Oberbefehlshaber eingreifen sollte.
Philologisch-Historischer Kommentar
Parallelüberlieferung
Literatur
1 (70)
σάριον Ῥώμην πάλιν παρελήφθη ὑπὸ τῶν Γότθων.
Philologisch-Historischer Kommentar
1/1 Ἐν αὐτῷ δὲ τῷ χρόνῳ ... τοῖς Γότθοις: Der gesamte Abschnitt weist die gleiche Struktur wie Kapitel XVIII 88 auf, mit dem er thematisch verbunden ist:
Diese Parallele lädt dazu ein, eine intratextuelle Beziehung zwischen XVIII 88 und 110 zu sehen, wobei nicht nur XVIII 110 mit den Worten μετὰ τὸ παραλαβεῖν Βελισσάριον Ῥώμην auf 88 rückweist, aber auch XVIII 88 mit den Worten Καὶ μετ’ ὀλίγον καιρὸν ὁ αὐτὸς βασιλεὺς ἔπεμψε Ναρσῆν τὸν κουβικουλάριον μετὰ πολλῆς βοηθείας ἐν Ῥώμῃ κατὰ τῶν αὐτῶν Γότθων 110 vorgreift: XVIII 110, 2f. .
Dadurch scheint der Verfasser dieses Teils des Textes trotz der rein annalistischen Form dieser Abschnitte die Kohärenz der Ereignisse bzw. seiner Darstellung zu verstärken. (Olivier Gengler)
*XVIII 88,1–3* | *XVIII 110,1–2* |
Καὶ τῷ αὐτῷ χρόνῳ | Ἐν αὐτῷ δὲ τῷ χρόνῳ |
κατεπέμφθη Βελισάριος ἐν Ῥώμῃ | κατεπέμφθη καὶ Ναρσῆς ὁ κουβικουλάριος ἐν Ῥώμῃ |
καὶ πολεμήσας παρέλαβε τήν τε Ῥώμην καὶ Σικελίαν καὶ τὰς πέριξ πόλεις κρατουμένας ὑπὸ Οὐιττιγή, ῥηγὸς τῶν Γότθων. | ἐπὶ τὸ πολεμῆσαι τοῖς Γότθοις. |
Diese Parallele lädt dazu ein, eine intratextuelle Beziehung zwischen XVIII 88 und 110 zu sehen, wobei nicht nur XVIII 110 mit den Worten μετὰ τὸ παραλαβεῖν Βελισσάριον Ῥώμην auf 88 rückweist, aber auch XVIII 88 mit den Worten Καὶ μετ’ ὀλίγον καιρὸν ὁ αὐτὸς βασιλεὺς ἔπεμψε Ναρσῆν τὸν κουβικουλάριον μετὰ πολλῆς βοηθείας ἐν Ῥώμῃ κατὰ τῶν αὐτῶν Γότθων 110 vorgreift: XVIII 110, 2f. .
Dadurch scheint der Verfasser dieses Teils des Textes trotz der rein annalistischen Form dieser Abschnitte die Kohärenz der Ereignisse bzw. seiner Darstellung zu verstärken. (Olivier Gengler)
1/1 Ἐν αὐτῷ δὲ τῷ χρόνῳ: Zu den Zeitformeln ἐν αὐτῷ (δὲ) τῷ χρόνῳ und ἐν (δὲ) τῷ αὐτῷ χρόνῳ, XVIII 40, 1 bzw. XVIII 42, 1 .
Diese vage Angabe bezieht sich dem Augenschein nach auf die in XVIII 106 zuletzt genannte dreizehnte Indiktion (549/50). Theophanes (228, 16–17 de Boor) legt das Ereignis hingegen in den April 551, was der vierzehnten Indiktion und gleichzeitig dem von Prokop angegebenen, sicher richtigen Datum (Frühjahr 551: Procop. BG IV 21,4–6) entspricht. Stein 1949, 800 mit Anm. 5, nimmt an, dass Theophanes in diesem Fall "l'original malalien" überliefert, lässt dabei allerdings die Fragmenta Tusuculana (Thurn 2000, 412, +29) unberücksichtigt, die die dreizehnte Indiktion explizit bestätigen. Es ist daher davon auszugehen, dass eine entsprechende Angabe, wenn sie nicht schon im "Ur-Malalas" stand, so doch jedenfalls bereits sehr früh in die Malalas-Tradition Eingang gefunden hat. Mango/Scott 1997, 332, Anm. 1 vermuten, Theophanes habe die Fehler in der chronologischen Abfolge bei Malalas (XVIII 111, 1 ) bemerkt und in seiner eigenen Schrift eine Korrektur vorgenommen. (Jonas Borsch mit Laura Carrara)
Diese vage Angabe bezieht sich dem Augenschein nach auf die in XVIII 106 zuletzt genannte dreizehnte Indiktion (549/50). Theophanes (228, 16–17 de Boor) legt das Ereignis hingegen in den April 551, was der vierzehnten Indiktion und gleichzeitig dem von Prokop angegebenen, sicher richtigen Datum (Frühjahr 551: Procop. BG IV 21,4–6) entspricht. Stein 1949, 800 mit Anm. 5, nimmt an, dass Theophanes in diesem Fall "l'original malalien" überliefert, lässt dabei allerdings die Fragmenta Tusuculana (Thurn 2000, 412, +29) unberücksichtigt, die die dreizehnte Indiktion explizit bestätigen. Es ist daher davon auszugehen, dass eine entsprechende Angabe, wenn sie nicht schon im "Ur-Malalas" stand, so doch jedenfalls bereits sehr früh in die Malalas-Tradition Eingang gefunden hat. Mango/Scott 1997, 332, Anm. 1 vermuten, Theophanes habe die Fehler in der chronologischen Abfolge bei Malalas (XVIII 111, 1 ) bemerkt und in seiner eigenen Schrift eine Korrektur vorgenommen. (Jonas Borsch mit Laura Carrara)
1/6 κατεπέμφθη καὶ: "wurde auch ... ausgeschickt": Die Verwendung der Konjunktion καί bezieht sich hier auf die folgende Erwähnung von Belisar, der den Krieg gegen die Goten bisher angeführt hatte (XVIII 110, 2f. ), bzw. auf Belisars Entsendung in XVIII 88,1 (XVIII 110, 1 ). Es handelt sich genau genommen um die zweite Mission des Narses, der bereits 538 kurzzeitig nach Italien geschickt worden war (zu dieser Expedition, dem Konflikt mit dem damaligen Oberbefehlshaber Belisar und Narses' Rückberufung Fauber 1990, 45–51; Brodka 2018, 69–107, s. auch XVIII 66, 12 ). (Jonas Borsch mit Olivier Gengler)
1f./6 κατεπέμφθη ... Γότθοις: Der Abschnitt wiederholt inhaltlich XVIII 88,6–7 in der ebenfalls eine Entsendung des Narses in Richtung Italien thematisiert wird (vgl. bereits Jeffreys/Jeffreys/Scott 1986, 285 zu Malal. XVIII 88 mit Querverweis auf die hiesige Passage). Dabei könnte ein chronologisch fehlerhafter Verweis auf Narses' erste, kurzzeitige Entsendung 538 vorliegen; der Text lässt es aber auch durchaus zu, in der dortigen Notiz bereits einen Verweis auf Narses' hiesige Mission – im Sinne eines zeitlichen Vorgriffes – zu sehen: XVIII 88, 6 . Die Hypothese scheint dadurch bestätigt zu werden, dass die Ereignisse, über die XVIII 88,1–5 berichtet, hier im zweiten Teil des Abschnittes wiederholt (die Eroberung der Stadt Rom durch Belisar) bzw. ergänzt werden (die Rückeroberung durch den Goten): XVIII 110, 2f. . (Jonas Borsch mit Olivier Gengler)
2/1 ἐν Ῥώμῃ: Ortsbestimmungen mit ἐν + Dativ dort, wo man klassisch Richtungsangaben mit εἰς + Akkusativ erwartet hätte, d.h. nach geläufigen Verben der Bewegung ('gehen (nach)', 'schicken/geschickt werden (nach)' usw., an dieser Stelle κατεπέμφθη), finden sich sehr oft in der O-Version der Malalas-Chronik, XVIII 43, 2f. .
Beide Parallelstellen – Fragm. Tusc. IV, p. 26 und Theoph. 227, 18 de Boor – haben die (regelkonforme) Lesart εἰς Ῥώμην, die man – falls man überhaupt nach einer Rekonstruktion des Textes des Ur-Malalas streben sollte – dafür in Erwägung ziehen könnte.
(Laura Carrara)
Beide Parallelstellen – Fragm. Tusc. IV, p. 26 und Theoph. 227, 18 de Boor – haben die (regelkonforme) Lesart εἰς Ῥώμην, die man – falls man überhaupt nach einer Rekonstruktion des Textes des Ur-Malalas streben sollte – dafür in Erwägung ziehen könnte.
(Laura Carrara)
2/1 ἐν Ῥώμῃ: Die Stadt Rom steht hier, wie schon zuvor (XVIII 88, 1ff. ), offenbar stellvertretend für ganz Italien. Das wechselhafte Schicksal der Stadt stand gerade in der in diesem Abschnitt skizzierten Kriegsphase besonders im Vordergrund: XVIII 110, 2f. . Narses war zunächst nicht direkt nach Italien aufgebrochen, sondern hielt sich im Illyricum auf; erst im Juni 552 traf er in Ravenna ein: Vgl. zusammenfassend Wolfram 1990b, 357f.; Brodka 2018, 129–139. (Jonas Borsch)
2/3 ἐπὶ τὸ πολεμῆσαι: Die Präposition ἐπί regiert in der O-Version der Malalas-Chronik vier bis sechs Male (d.h. relativ selten; zu den zwei unsicheren Stellen s. gleich unten) einen durch den Akkusativ-Artikel substantivierten Infinitiv, welcher zur Angabe eines Zweckes dient: Vgl. neben vorliegender Stelle die sicheren Belege in Malal. X 49 ἔπεμψεν ἐν Ἀντιοχείᾳ τῇ μεγάλῃ ἐπὶ τὸ ἐκεῖ αὐτὸν οἰκεῖν; Malal. XII 48 ἀπέστειλεν Μάξιμον τὸν καὶ Λικινιανὸν … ἐπὶ τὸ φυλάττειν τὰ μέρη; Malal. XVIII 15 εἰς τὴν χώραν τῶν Ἀμεριτῶν ἐπὶ τὸ ποιήσασθαι πραγματείαν. Unsicher bleiben Malal. XVIII 129 (von Thurn ergänzt aus Theoph. 234, 4–5 de Boor) ἐπὶ τὸ κτίσαι τὸ τεῖχο und Malal. XVIII 66 (hier überliefert die Handschrift O die einmalige Wendung ἐπί mit finalem Infinitiv im Dativ [ἐξέπεμψεν Νάρσην κουβικουλάριον ἐπὶ τῷ παραλαβεῖν τὰ ἀποκείμενα], welche jedoch von den Herausgebern zu ἐπὶ τὸ παραλαβεῖν normalisiert worden ist, XVIII 66, 12f. ).
An den vier sicheren Stellen (Malal. X 49; XII 48; XVIII 15; XVIII 110) steht die Kombination ἐπί + Infinitiv Akkusativ nach einem Verb der Bewegung ('gehen', 'schicken' o.ä). Es ist möglich, dass diese Kombination punktuell nur dort als Ersatz der sonst üblichen Formel εἰς + τὸ mit finalem Infinitiv eingesetzt wurde, wo entweder ein lokales εἰς bereits vorkam (um Verwechslung zu vermeiden, vgl. Malal. XVIII 15 εἰς τὴν χώραν ... ἐπὶ τὸ ποιήσασθαι; dasselbe vielleicht auch an vorliegender Stelle, falls statt ἐν Ῥώμῃ im 'Ur-Malalas' εἰς Ῥώμην zu lesen war, XVIII 110, 2 ) oder die Präposition εἰς als eine Richtungsangabe hätte missverstanden werden können. Alternativ ist denkbar, dass im 'Ur-Malalas' die in O nur einmal belegte (Malal. XVIII 66, XVIII 66, 12f. ), in anderen genreverwandten Werken aber sicher bezeugte finale Konstruktion ἐπὶ τῷ + Infinitiv stand (vgl. dafür auch die Lesart in Fragm. Tusc. IV, p. 26 Mai ἐπὶ τῷ πολεμῆσαι für vorliegende Stelle) und dass ἐπί τὸ bloß deren Korruptel ist, begünstigt durch die Tatsache, dass τῷ und τό lautlich nicht mehr zu unterscheiden waren; siehe zur Problematik Weierholt 1963, 48–49. (Laura Carrara)
An den vier sicheren Stellen (Malal. X 49; XII 48; XVIII 15; XVIII 110) steht die Kombination ἐπί + Infinitiv Akkusativ nach einem Verb der Bewegung ('gehen', 'schicken' o.ä). Es ist möglich, dass diese Kombination punktuell nur dort als Ersatz der sonst üblichen Formel εἰς + τὸ mit finalem Infinitiv eingesetzt wurde, wo entweder ein lokales εἰς bereits vorkam (um Verwechslung zu vermeiden, vgl. Malal. XVIII 15 εἰς τὴν χώραν ... ἐπὶ τὸ ποιήσασθαι; dasselbe vielleicht auch an vorliegender Stelle, falls statt ἐν Ῥώμῃ im 'Ur-Malalas' εἰς Ῥώμην zu lesen war, XVIII 110, 2 ) oder die Präposition εἰς als eine Richtungsangabe hätte missverstanden werden können. Alternativ ist denkbar, dass im 'Ur-Malalas' die in O nur einmal belegte (Malal. XVIII 66, XVIII 66, 12f. ), in anderen genreverwandten Werken aber sicher bezeugte finale Konstruktion ἐπὶ τῷ + Infinitiv stand (vgl. dafür auch die Lesart in Fragm. Tusc. IV, p. 26 Mai ἐπὶ τῷ πολεμῆσαι für vorliegende Stelle) und dass ἐπί τὸ bloß deren Korruptel ist, begünstigt durch die Tatsache, dass τῷ und τό lautlich nicht mehr zu unterscheiden waren; siehe zur Problematik Weierholt 1963, 48–49. (Laura Carrara)
2/3 ἐπὶ τὸ πολεμῆσαι τοῖς Γότθοις: Der Auftrag des Narses wird von Theophanes (227,18 de Boor) in ähnlicher Formulierung bestätigt: ὀφείλων πολεμῆσαι τοῖς Γότθοις ("with instructions to make war on the Goths", Mango/Scott 1997, 332). Seine Entsendung fällt in die Phase nach der Eroberung Roms durch Totila Anfang 550. Justinian hatte zunächst seinen mit der Enkelin Theoderichs d. Großen Matasunta verheirateten Neffen Germanus (XVIII 87, 2f. ) für die Aufgabe vorgesehen; dieser war jedoch noch während der Feldzugsvorbereitungen verstorben. Narses war demnach erst Justinians zweite Wahl, was aus Malalas' Darstellung aber nicht hervorgeht.
Die Berufung des Narses thematisiert auch Procop. BG IV 21,6, der sich darüber wundert, dass der Eunuch den alleinigen Oberbefehl erhielt; vgl. zur "mehr als reservierten" Haltung Prokops gegenüber Narses Veh 1970, 1094 ad loc. Ähnliche Vorbehalte klingen bei Malalas nicht an. Narses tritt vielmehr gerade in Malalas' Italien-Abschnitten stark in den Vordergrund und wird als erfolgreicher Verhandler und Feldherr charakterisiert (vgl. Puech 2006, 225; XVIII 66, 12 ). (Jonas Borsch)
Die Berufung des Narses thematisiert auch Procop. BG IV 21,6, der sich darüber wundert, dass der Eunuch den alleinigen Oberbefehl erhielt; vgl. zur "mehr als reservierten" Haltung Prokops gegenüber Narses Veh 1970, 1094 ad loc. Ähnliche Vorbehalte klingen bei Malalas nicht an. Narses tritt vielmehr gerade in Malalas' Italien-Abschnitten stark in den Vordergrund und wird als erfolgreicher Verhandler und Feldherr charakterisiert (vgl. Puech 2006, 225; XVIII 66, 12 ). (Jonas Borsch)
2/8 ὅτι: Malalas' beliebteste Konjunktion zur Einleitung eines Kausalsatzes, siehe Weierholt 1963, 62–63; Helms 1971, 343–346, 380 (Stellensammlung). Der nachgestellte Kausalsatz erläutert die Voraussetzung bzw. den Hintergrund (d.h. den erneuten Verlust Roms an die Goten) für die im Hauptsatz thematisierte Aktion: κατεπέμφθη. (Laura Carrara)
2/11 παραλαβεῖν: Die Handschrift O (f. 314) überliefert an dieser Stelle nicht παραλαβεῖν, sondern das Simplex λαβεῖν. Eine Korrektur supra lineam suggeriert das Kompositum περιλαβεῖν (mittels eines Abkürzungszeichens für die Präposition); Dindorf 1831, 485 setzte dies in den Text. Bereits Chilmead 1691, II, 228 Anm. 4 hatte allerdings gesehen, dass die hier semantisch passende Form nicht περιλαβεῖν, sondern ein anderes Kompositum von λαμβάνω mit π-Anlaut ist: παραλαβεῖν; für παραλαμβάνω als 'eine Stadt (o.ä.) erobern, einnehmen' vgl. z.B. Hdt. 3, 7, 1 Πέρσαι ... τάχιστα παρέλαβον Αἵγυπτον; Thuc 1, 19, 1 Ἀθηναῖοι δὲ ναῦς τε τῶν πόλεων ... παραλαβόντες und LSJ I 3 s.v. παραλαμβάνω. παραλαβεῖν wird bestätigt durch die Parallelüberlieferung in Fragm. Tusc. IV, p. 26 Mai und in Theoph. 227, 19 de Boor; es kommt auch im Text von O als Hauptverb (παρελήφθη) des Satzes vor und im mit dieser Stelle intertextuel verbundenen Abschnitt XVIII 88 (XVIII 110, 1 ). (Laura Carrara mit Olivier Gengler)
2f./8 ὅτι μετὰ τὸ παραλαβεῖν Βελισσάριον Ῥώμην πάλιν παρελήφθη ὑπὸ τῶν Γότθων: Es handelt sich hier um einen stark verkürzten Rückblick auf die vorangegangenen Kriegshandlungen. Malalas hatte die Kriege in Italien bis hierhin zwei Mal erwähnt: In XVIII 88 wird in aller Kürze Belisars erster Feldzug von 535 bis 540 zusammengefasst; XVIII 97 verweist in einem Satz auf die Eroberung Roms durch die Goten im Herbst 546. Die hiesige Skizze muss sich demnach auf die nun folgende Kriegsphase beziehen: Belisar hatte Rom nach dem Rückzug von Totilas (XVIII 116, 3 ) Goten aus der schwer zu verteidigenden Stadt bereits im Frühjahr 547 wieder einnehmen können. Nach wechselhaften Kämpfen und disziplinarischen Problemen in der Truppe wurde er jedoch 548/49 abberufen; der Posten des Oberbefehlshabers blieb in der Folge zunächst vakant. 550 gelang es Totila schließlich erneut, Rom zu erobern (vgl. zu dieser Kriegsphase und den Reaktionen in Konstantinopel Procop. BG III 22–30, 35–38; dazu Stein 1949, 584–597; Wolfram 1990b, 355–357; Leppin 2011a, 270f.). Malalas' knapper Satz entspricht diesem Verlauf durchaus und passt als Rückblick auch zeitlich ins Bild. Angesichts des Kontextes kann er sich gut auf die Eroberung Roms 550 beziehen, die somit nicht, wie Leppin 2011a, 270 meint, aus dem Bericht ausgeblendet würde. Die Passage ist auch durchaus nicht "confused", wie Mango/Scott 1997, 332 Anm. 2 unter Bezug auf den nahezu wortgleichen Text bei Theophanes urteilen: Sie stellt vielmehr eine starke Komprimierung des Sachverhaltes dar, die für die Darstellung der justinianischen Italienfeldzüge in der Chronographia charakteristisch ist. Das wechselhafte Kriegsgeschehen in Italien, die Rolle Belisars oder die Chronologie treten in den drei relevanten Passagen (XVIII 88, 97, 110) in den Hintergrund. Im Zentrum stehen generelle Auskünfte darüber, dass zwei unterschiedliche Feldherren – Belisar und Narses – in Italien gekämpft hatten, dass der erste zunächst Erfolge gefeiert hatte, es dann zu Rückschlägen gekommen war, und schließlich unter Führung des zweiten Feldherrn der Sieg errungen worden war. (Jonas Borsch)
2f./9 μετὰ τὸ παραλαβεῖν Βελισάριον Ῥώμην: Substantivierter Infinitiv nach der Präposition μετά in der Funktion eines temporalen Nebensatzes, mit Subjekt wie auch Objekt im Akkusativ. Dieselbe Konstruktion kommt dreimal in der Chronik vor, bei Mal. XII 45 μετὰ δὲ τὸ ἀποθέσθαι Διοκλητιανὸν τὴν βασιλείαν, "nachdem aber Diokletian die Herrschaft abgelegt hatte", Mal. XII 47 μετὰ τὸ ἀποθέσθαι τὴν βασιλείαν Μαξιμιανόν, "nachdem Maximianus die Herrschaft abgelegt hatte", und Mal. XVII 12 μετὰ τὸ καταλαβεῖν αὐτὸν τὴν ἀνατολήν, "nachdem er den Osten erreicht hatte"; siehe dazu Rüger 1895, 7, 44; Weierholt 1963, 44–45. (Laura Carrara)
Parallelüberlieferung
Fragm. Tusc. S. 26 Mai; Theoph. 227, 17–20 de Boor, Cedr. 659, 4–6 Bekker = 409.5 20–23 Tartaglia
Literatur
Brodka (2018): Brodka, Dariusz: Narses – Politik, Krieg und Historiographie im 6. Jahrhundert n. Chr., Berlin, 2018.
Chilmead (1691): Chilmead, Edmund: Johannis Antiocheni cognomento Malalae Historia Chronica … nunc primum edita cum Interpret. & Notis Edm. Chilmeadi …, Oxonii, 1691.
Dindorf (1831): Dindorf, Ludwig: Iohannis Malalae Chronographiae ex recensione L. Dindorfii, Bonn, 1831.
Fauber (1990): Fauber, Lawrence: Narses: the Hammer of the Goths, Gloucester, 1990.
Helms (1971): Helms, Peter: Syntaktische Untersuchungen zu Ioannes Malalas und Georgios Sphrantzes, Helikon, 1971, 309–388.
James (1990): James, Alan: The language of Malalas, 1: General survey, Jeffreys, Elisabeth/Croke, Brian/Scott, Roger, Studies in John Malalas, 6, Sydney 1990, 217–224.
Jeffreys/Jeffreys/Scott (1986): Jeffreys, Elizabeth/Jeffreys, Michael/Scott, Roger: The Chronicle of John Malalas. A Translation, Melbourne, 1986.
Leppin (2011a): Leppin, Hartmut: Justinian. Das christliche Experiment, Stuttgart, 2011.
Mango/Scott (1997): Mango, Cyril and Scott, Roger: The Chronicle of Theophanes Confessor. Byzantine and Near Eastern History AD 284–813, Oxford, 1997.
Puech (2006): Puech, Vincent: Malalas et la prosopographie du VIe siècle. Un éclairage sur le régime de Justinien, Recherches sur la chronique de Jean Malalas, 2006, 213–226.
Rüger (1895): Rüger, Anton: Studien zu Malalas. Präpositionen und Adverbien. Das 18. Buch. Die konstantinischen Excerpte. Die tuskulanischen Fragmente, Bad Kissingen, 1895.
Stein (1949): Stein, Ernest: Histoire du Bas-Empire, Tome II. De la disparition de l’Empire d’Occident à la mort de Justinien (476–565), Paris/Bruxelles/Amsterdam, 1949.
Thurn (2000): Thurn, Johannes: Ioannis Malalae Chronographia, Berolini et Novi Eboraci, 2000.
Weierholt (1963): Weierholt, Kristen: Studien im Sprachgebrauch des Malalas, Oslo, 1963.
Wolfram (1990b): Wolfram, Herwig: Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. Entwurf einer historischen Ethnographie, München, 1990.