Malalas 18.90 1–17 = 87–8 (Thurn)

Inhalt

Kapitel 90 enthält den ungewöhnlichen Bericht über eine wahrsagende Frau und die starken Reaktionen, die ihre Vorhersagen in der Hauptstadt hervorriefen: Ihre Ankündigung, Konstantinopel werde binnen drei Tagen von den Fluten verschlungen werden, erscheint den Menschen aufgrund gerade eingetroffener Katastrophenmeldungen aus verschiedenen Reichsteilen plausibel. Das Volk bricht daraufhin in Gebete und Bittprozessionen aus, um das drohende Schicksal noch abzuwenden. Als Vertreter der kaiserlichen Gewalt wird schließlich der Hofkammerherr Narses mit Gefolge entsandt, um den Fall zu untersuchen; auch ohne sein direktes Zutun, sondern nur aus Furcht vor den Vorhersagen zerstreuen sich jedoch bald zumindest Teile der Volksmenge wieder.

Philologisch-Historischer Kommentar
Parallelüberlieferung
Literatur

1 (87)
Ἰνδικτιῶνος εʹ συνέβη γενέσθαι τοιοῦτον πρᾶγμα. γυνή τις κατα-
 
μένουσα πλησίον τῆς λεγομένης Χρυσῆς πόρτας χρηματισθεῖσα ἐν μιᾷ
 
νυκτὶ ἐφλυάρησε πολλά, ὥστε συνδραμεῖν τὰ πλήθη Κωνσταντινουπό-
 
λεως καὶ ἀπελθεῖν λιτανεύοντα εἰς τὸν ἅγιον Διομήδην εἰς Ἱερουσαλὴμ
5 (91)
καὶ καταγαγεῖν τὴν γυναῖκα ἐκ τοῦ οἴκου αὐτῆς καὶ εἰσαγαγεῖν εἰς τὴν
 
ἐκκλησίαν τοῦ ἁγίου Διομήδους· ἔλεγε γάρ, ὅτι μετὰ τρεῖς ἡμέρας ἀνέρχε-
 
ται ἡ θάλασσα καὶ πάντας λαμβάνει. καὶ πάντων λιτανευόντων καὶ κρα-
 
ζόντων τὸ ‘κύριε ἐλέησον·’ ἠκούετο γάρ, ὅτι καὶ πόλεις πολλαὶ κατε-
 
πόθησαν. τότε δὲ καὶ ἐν Αἰγύπτῳ καὶ ἐν Ἀλεξανδρείᾳ θνῆσις ἀνθρώπων
10 (1)
γέγονεν. ὁ δὲ αὐτὸς βασιλεὺς πέμψας Ναρσῆν τὸν κουβικουλάριον μετὰ
 
δρομώνων καὶ ἄλλους τινὰς μαθεῖν τὰ γενόμενα, καὶ ἀπελθόντων τῶν
 
παίδων Ναρσοῦ κατ’ ἐπιτροπὴν αὐτοῦ εἰς τὸν ἅγιον Διομήδην καὶ
 
μαθόντων παρὰ τοῦ συναχθέντος ὄχλου τὰ λεγόμενα ὑπὸ τῆς γυναικός,
 
ἐλθόντες ἀπήγγειλαν Ναρσῇ τὰ γενόμενα ἐν τῇ ἐκκλησίᾳ, καὶ ὅτι ἤκου-
15 (6)
σαν ἀπὸ τῆς γυναικὸς τῆς χρηματισθείσης, ὅτι μετὰ τρεῖς ἡμέρας ἀνέρχε-
 
ται ἡ θάλασσα καὶ κατακλύζει πάντας. καὶ ἀκούσαντες οἱ ὄχλοι τῶν
 
λεγομένων παρ’ αὐτῆς ἀνεχώρουν πτοούμενοι.
Philologisch-Historischer Kommentar
1/1 Ἰνδικτιῶνος εʹ: Die fünfte Indidiktion fällt in die Zeitspanne zwischen September 541 und August 542. Die von Jeffreys/Jeffreys/Scott 1986, 286 (vgl. Mango/Scott 1997, 326 Anm. 1; Thurn 2000, 406 App.; Thurn/Meier 2009, 505 Anm. 558) mit der bei Malalas geschilderten (und sonst nicht überlieferten) Begebenheit in Verbindung gebrachte (XVIII 90, 8f.) Flutkatastrophe bei Theophanes (224,29–33), Georgios Monachos (628,13–17) und Kedrenos (657,15–19; über eine erdbebenbedingte Flutwelle in justinianischer Zeit berichtet auch Leo Gramm. 128,11–13) wird von Theophanes (224,29) auf 544/45 und von Kedrenos auf 543/44 datiert (657,15: 17. Regierungsjahr Justinians). Daraus resultiert Unsicherheit über die chronologische Einordnung der Stellen: Vgl. Capelle 1924, 347 und Hermann 1962, 1110f. mit Datierung des Theophanes/Kedrenos-Ereignisses auf 543; Guidoboni/Comastri/Traina 1994, 329 unter Zusammenführung aller Passagen (544/45); Meier 2004a, 663 (541/42 [?]). Zumindest eines der von Malalas im vorliegenden Abschnitt berichteten Ereignisse hat einen sicheren terminus ante quem, nämlich der Ausbruch der Pest in Ägypten, der vor März 542 anzusetzen ist (XVIII 90, 9f.). Wenn, wie Malalas behauptet, die hier thematisierten Weissagungen tatsächlich mit frisch eingetroffenen Nachrichten von der Seuche in Ägypten zusammengebracht wurden, kann man demzufolge davon ausgehen, dass die hier geschilderten Ereignisse chronologisch im Herbst/Winter 541/42 anzusiedeln sind.
1/3 συνέβη γενέσθαι τοιοῦτον πρᾶγμα: "Ereignete sich ein derartiger Vorfall:" (Thurn/Meier 2009, 504). Der Bericht über die wahrsagende Frau hebt nicht mit einer der sonst verbreiteten Kurzzusammenfassungen an (vgl. etwa XVIII 87: "wurde Großantiocheia [...] eingenommen"; XVIII 88: "wurde Belisar nach Rom entsandt"; XVIII 89: "wurde Johannes [...] seines Amtes entkleidet", Übs. Thurn/Meier 2009, 502f.), sondern mit einem sehr allgemeinen Einleitungssatz: Scheinbar ließ sich das Geschehen angesichts seines ungewöhnlichen Charakters nicht auf ein einfaches Schlagwort bringen.
1/7 γυνή τις: Dass nach Malalas die Äußerungen "irgendeiner Frau" genügten, um Konstantinopel in Aufruhr zu versetzen, deutet Meier 2004a, 322 als Ausweis einer angsterfüllten, leicht entzündbaren Stimmung.
2/2 πλησίον τῆς λεγομένης Χρυσῆς πόρτας: Das Goldene Tor (Χρυσαὶ Πύλαι bzw. Χρυσεία Πύλη/Πόρτα: vgl. Müller-Wiener 1977, 297) liegt am südlichen Ende der theodosianischen Landmauer (XVIII 124, 2) und bildete den Endpunkt der Via Egnatia, der Hauptverbindung zwischen der Stadt und dem Balkan. An topographisch exponierter Stelle gelegen, fungierte der dreigliedrige Bau als Haupttor Konstantinopels und diente gleichzeitig als Kulisse für feierliche Einzüge der Kaiser. Zum Tor allgemein Schneider 1943, 39–62; Müller-Wiener 1977, 297–300; Asutay-Effenberger 2007, 54–61 (Datierung). Malalas (XIV 13) führt den Namen auf die Vergoldung der Torflügel zurück, die noch unter Theodosios erfolgt sei (dazu XIV 13, 10f.). Allgemein zu πόρτα: V 6, 7.

Das Adverb πλησίον in Verbindung mit topographischen Fixpunkten (Gebäuden) benutzt Malalas mit Blick auf seine Heimatstadt Antiochia üblicherweise zur Bezeichnung von Stadtvierteln, wie Caire (im Druck) jüngst gezeigt hat. Es steht zu vermuten, dass diese Verwendung sich auch auf den hiesigen Fall übertragen lässt. Meier 2004a, 323 weist darauf hin, dass zwei von Theophanes überlieferte Erdbeben (Theoph. 222,25–30 de Boor und Theoph. 229,5–14 de Boor), von denen sich eines mit eng verwandtem Text auch bei Malalas findet (Malal. XVIII 118), auf besonders starke Schäden in der Gegend nahe dem Goldenen Tor verweisen. Damit scheint sich die Ansprache des Goldenen Tores als "Marker" eines Stadtviertels zu bestätigen. Nach Meier muss der Umstand, dass gerade jenes Viertel, in dem sich der Vorfall um die Wahrsagerin abgespielt hatte, kurze Zeit später besonders schwer von einem Erdbeben getroffen wurde, von den Zeitgenossen (zusammen mit einer weiteren wundersamen Koinzidenz, vgl. XVIII 90, 4) als Ausweis eines einheitlichen "Geschehniszusammenhanges" gedeutet worden sein. (Jonas Borsch mit Florian Battistella)
2/7 χρηματισθεῖσα: Die Handschrift O (f. 312) überliefert die Lesart κρεμασθεῖσα, welche "un texte tout a fait absurde" ergibt (Festugière 1979, 237). Eine sehr plausible Konjektur gelang schon Chilmead 1691, II, 223 Anm. 6, der χρηματισθεῖσα vorschlug. χρηματισθεῖσα ist Partizip Aorist Passiv von χρηματίζω, ein vieldeutiges Verb, das auch 'orakeln' (LSJ s.v. I 4) und im Passiv 'von Orakeln erfüllt sein' (LSJ. s.v. I 4 Pass.) bedeuten kann. χρηματίζω ist tatsächlich ein geläufiges Wort in der Malalas-Chronik, insbesondere im Kontext von Orakeln und Prophezeihungen (siehe die Belege bei Thurn 2000, 495, geordnet nach Kategorien). Chilmeads Konjektur überzeugt also sowohl für diese Stelle als auch für Z. 15, wo ein ähnliches Überlieferunsproblem vorliegt XVIII 90, 15.
2f./7 χρηματισθεῖσα ἐν μιᾷ νυκτὶ ἐφλυάρησε πολλά: "wurde in einer Nacht vom Wahrsagegeist erfüllt und sprudelte vieles heraus" (Thurn/Meier 2009, 504): Der Glaube an divinatorische und andere hellseherische Praktiken war im spätantiken und frühmittelalterlichen Christentum trotz teils scharfer theologischer Kritik weiterhin präsent. Gerade das Empfangen von Zukunftsvorhersagen und anderen Weissagungen im Schlaf sowie damit verbundene Praktiken wie die Inkubation blieben verbreitet: Vgl. RAC 3 (1957), 1235–1251, s.v. divinatio (P. Courcelle), insbes. 1242–1245. Auch in der Chronographie sind Orakel und Hellseherei ein präsentes Thema; geäußerte Vorhersagen treten dabei regelmäßig auch tatsächlich ein (zu den theosophischen Orakeln mit Diskussion der relevanten Stellen Schulz 2017a; für eine zweite "hellseherische" Figur der justinianischen Zeit vgl. die Geschichte von Andreas und seinem Hund: XVIII 51). (Jonas Borsch)
2f./8 ἐν μιᾷ νυκτὶ: Nach Wolf 1911, 50 liegt hier ein Beispiel für die Verwendung des Zahlwortes εἷς, μία, ἕν 'eins' in der Bedeutung 'ein beliebiger' (= τις) vor, wie z.B. auch in Malal. XV 10 μία χήρα ... ὀνόματι Ἰουβεναλία 'eine Witwe ... namens Iuvenalia'; Malal. XVIII 46 ἕνα ρῆγα αὐτῶν 'einen ihrer Anführer'. Mit dieser Interpretation des Zahlwortes (explizit zu finden auch bei Chilmead 1691, II, 223 nocte quadam) läge die Betonung auf der Unvorhersehbarkeit der übernatürlichen Inspiration, die in jeder beliebigen Nacht die Menschen überwältigen kann.
Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass an dieser Stelle das Zahlwort εἵς, μία, ἕν seine ursprüngliche Bedeutung bewahrt hat und eher die Tatsache zum Ausdruck bringt, dass die alte Frau in einer einzigen Nacht von Wahrsagerei erfüllt wurde. In diesem Fall würde die Emphase auf der Gegenüberstellung zwischen der kurzen Dauer des Vorfalls (μία νύξ - eine einzige Nacht) und der großen Zahl der in dieser Zeit verkündeten Prophezeihungen (πολλά) liegen.
3/2 ἐφλυάρησε: Das Verb φλυαρέω ist charakteristisch für bestimmte Textgattungen der klassischen Literatur des 5.-4. Jh. v. Chr., in erster Linie für die Kömodie (vgl. die zahlreichen Belege u.a. aus Aristophanes und Menander in LSJ s.v. φλυαρέω). Die bevorzugte Verwendung dieses Verbes in Dialogen deutet darauf hin, dass es ursprünglich nicht dem höheren Stil, sondern der Gebrauchssprache und der Konversation angehörte (Björck 1950, 40, 45). Semantisch bezeichnet φλυαρέω nicht einfach allgemein das 'Vielreden', sondern hat einen dezidiert negativen Unterton und bedeutet 'reden ohne Sinn und Zweck', 'schwätzen', 'dummes Zeug reden', vgl. z.B. Hdt. VII 103, 5 τῶν σὺ ἐών ἅπειρος πολλὰ φλυηρέεις [dieselbe Kombination πολλὰ φλυαρεῖν wie in vorliegender Malalas-Passage], "Du hast von diesen Dingen keine Erfahrung und redest viel Unsinn".

Setzt man voraus, dass dem Verfasser dieser Passage diese Konnotationen des Verbes bewusst waren, dann ist diese terminologische Wahl in doppelter Hinsicht interessant: Auf der stilistischen Ebene hat er mit φλυαρέω ein Verb ausgesucht, das auf die Leser der Chronik wie ein auffälliger Attizismus gewirkt haben muss. Auf der Ebene der Semantik disqualifiziert das Verb vordergründig die Prophezeiungen der alten Frau, da diese als leeres Geschwätz eingeführt werden. Das hat Folgen für die Interpretation der Passage: Wenn die Vorhersagen der alten Frau ein φλυαρεῖν in o.g. Sinn sind, dann können die Reaktionen der Bevölkerung nicht anders als Ausdrücke übertriebenen, unbegründeten Aberglaubens sein.
3/4 ὥστε συνδραμεῖν τὰ πλήθη Κωνσταντινουπόλεως: Dieselbe syntaktische Konstruktion ὥστε + Konsekutivsatz zur Beschreibung der Massenreaktion der konstantinopolitanischen Bevölkerung auf eine übernatürliche bzw. als übernatürlich bewertete Begebenheit findet sich auch in Malal. XVIII 77 (Erdbeben) ὥστε πᾶσαν τὴν πόλιν συναχθῆναι ἐν τῷ λεγομένῳ φόρῳ.
3ff./4 ὥστε ... Διομήδους: Die starken Reaktionen der Bevölkerung (Massenauflauf, Bittprozessionen, Überführung der wahrsagenden Frau in eine Kirche) verdeutlichen einerseits die anhaltende Präsenz von Glaubenselementen, wie sie im intellektuellen theologischen Milieu als pagan kritisiert und teils sogar verfolgt wurden (XVIII 90, 2f.; Kritik und Verfolgungen: RAC 3 (1957), s.v. Divinatio, 1249f.); andererseits zeugen sie ganz allgemein von der stark aufgeladenen religiösen Atmosphäre (Meier 2004a, 321–323; XVIII 90, 1). Bittprozessionen sind in der Chronographie eine der typischen Reaktionen auf Naturkatastrophen (XVIII 55, 1f.). Dieser Fall ragt insofern heraus, als es sich lediglich um eine entsprechende Vorhersage handelt, die dann mit Katastrophennachrichten aus anderen Teilen des Reiches verbunden wird (Z. 6–10). Man wurde hier offenbar bereits präventiv tätig, ähnlich wie im Falle eines wahrscheinlich schadlos verlaufenen Erdbebens in Konstantinopel 533/34 n. Chr. (XVIII 77, 3).
4/6 τὸν ἅγιον Διομήδην εἰς Ἱερουσαλὴμ: Die Kirche lässt sich mit der dem Heiligen Diomedes geweihten, aus einem Kloster mit zugehöriger Kirche bestehenden Einrichtung unweit der Porta Aurea identifizieren, die auch unter dem Namen Ἱερουσαλὴμ/Νέα Ἱερουσαλὴμ bekannt war: Janin 1953, 100–102. Der Name Ἱερουσαλὴμ wurde gleichzeitig offenbar auch für das Viertel benutzt, in dem sich die Kirche befand, was die Verwendung von εἰς ("in Jerusalem") an dieser Stelle erklärt: Vgl. Mango/Scott 1997, 351 Anm. 3.

Meier 2004a, 323 beobachtet, dass der Gedenktag des Diomedes, der 16. August, mit dem Tag zusammenfällt, an dem im Jahr 542 ein Erdbeben die Stadt traf (Janin 1953, 102; vgl. Typicon I 372–374): Er geht davon aus, dass das Eintreten einer Katastrophe gerade am Tag jenes Heiligen, in dessen Kirche die Wahrsagerin bestaunt worden war, von der Bevölkerung als Hinweis auf überirdische Zusammenhänge gedeutet werden musste XVIII 90, 2.
4/8 Διομήδην: Akkusativ des Eigennamens Διομήδης, welcher klassisch-homerisch Διομήδεα lautet. An dieser Stelle und in Z. 12 (aber nicht in Z. 6, wo der Genitiv Διομήδους vorkommt, XVIII 90, 6) beeinflußt die α-Deklination die Kasusbildung, siehe Wolf 1911, 21. (Laura Carrara)
6/1 ἐκκλησίαν τοῦ ἁγίου Διομήδους: Zur Kirche des Diomedes XVIII 90, 4.
6/4 Διομήδους: Klassisch-homerischer Genitiv von Διομήδης; die Form Διομήδου, gebildet unter dem Einfluss der α-Deklination, kommt in Malal. XVIII 16 Διομήδου σιλεντιαρίου vor, siehe Wolf 1911, 21 und XVIII 90, 4 zum Akkusativ Διομήδην. (Laura Carrara)
6/5 ἔλεγε γάρ κτλ.: Nachdem der Fokus der Erzählung über mehrere Zeilen auf die Aktionen und Reaktionen der Bevölkerung gerichtet gewesen ist, tritt plötzlich die Prophetin wieder in den Vordergrund: Sie ist das Subjekt von ἔλεγε. Dieser ἔλεγε-Satz wirkt wie ein 'Anhang' zum in Z. 3 mit ἐφλυάρησε bereits Gesagten und drückt den genaueren Inhalt der ominösen Prophezeihungen aus. Diese Reprise führt zu einer partiellen Wiederholung der Beschreibung des Verhaltens der Menschenmenge: Es wird erneut gesagt, dass die Menschen eine Bittprozession abhielten (Z. 7 πάντων λιτανευόντων, vgl. bereits Z. 4 λιτανεύοντα). Dieser sprunghafte Duktus der Narration überrascht bei Malalas erstmal nicht. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der in der O-Version gleich darauf folgende Text (Z. 8–9 ἠκούετο γάρ ὅτι καὶ πόλεις πολλαὶ κατεπόθησαν) Produkt einer Kürzung bzw. Bearbeitung ist (XVIII 90, 8), ist es allerdings nicht auszuschließen, dass auch die Gedankenfolge bzw. der Wortlaut dieser Zeilen (Z. 6–7) nicht mehr dem Malalas-Original entspricht.
6f./5 ἔλεγε ... λαμβάνει: Die von der Wahrsagerin vorhergesagte Flutwelle hat natürlich biblische (namentlich alttestamentliche) Konnotationen: Vgl. Gen 6,17; 7,4 (Ankündigung der Sintflut, die auf sieben Tage im Voraus angekündigt wird – in dem Spruch der Seherin sind es drei).
7/11 κραζόντων: In der Malalas-Chronik kommen das Präsens κράζω und das daraus abgeleitete Imperfekt ἔκραζον häufiger vor als der Aorist ἔκραξα (Liste aller Belege bei Thurn 2000, 488). In der klassischen Gräzität sind die Verhältnisse genau umgekehrt, da dort κράζω seltener (und vielleicht sekundär entstanden?) als die Aorist und Perfektformen ist, siehe LSJ s.v. κράζω und Merz 1911, 22 mit Stellenangaben.
8/5 ἠκούετο γάρ, ὅτι καὶ πόλεις πολλαὶ κατεπόθησαν: Stimmt man der verbreiteten These zu, wonach die in der Handschrift O überlieferte Fassung der Malalas-Chronik eine Reduktion des Originals ist (insbesondere was den letzten Teil von Buch XVIII angeht), dann könnte vorliegender knapper Satz ein gutes Beispiel für die Ergebnisse eines solchen Kürzungsprozesses sein: Nur die zentrale Begebenheit (Überschwemmungen in Städten) wird mitgeteilt, weitere Details wie die Namen und die geographische Lage der betroffenen Städte sind weggelassen. Der Malalas-Originaltext könnte bei Theoph. 224, 29–33 de Boor stehen, wo von verheerenden Überschwemmungen in anderen Regionen des Oströmischen Reiches (nicht in Konstantinopel) unter Justinian ausführlich(er) die Rede ist:

Τούτῳ τῷ ἔτει ἐπανέστη ἡ θάλασσα τῇ Θρᾴκῃ ἐπὶ μίλια δʹ καὶ ἐκάλυψεν αὐτὴν ἐπὶ τὰ μέρη Ὀδύσσου καὶ Διονυσοπόλεως καὶ τὸ Ἀφροδίσιον· καὶ πολλοὶ ἐπνίγησαν ἐν τοῖς ὕδασιν. καὶ πάλιν τῷ τοῦ θεοῦ προστάγματι ἀπεκατέστη ἡ αὐτὴ θάλασσα εἰς τοὺς ἰδίους τόπους

"In diesem Jahr brach das Meer in Trakien über eine Strecke von vier Meilen herein und überflutete die Region im Bereich Odyssos, Dionysopolis und Aphrodision. Und viele ertranken in den Gewässern. Und auf Befehl Gottes zog sich dieses Meer wieder auf seine eigentlichen Grenzen zurück" (Übersetzung von Thurn/Meier 2009, 505 Anm. 558, leicht modifiziert).

Möglich ist es auch, dass die zitierte Theophanes-Stelle im Ur-Malalas auf den (dort ebenfalls bereits vorhandenen) ἠκούετο-Satz folgte, der somit als eine Art 'zusammenfassende Einleitung' des Berichts über die vielen Überschwemmungen diente, siehe für diese Rekonstruktion Jeffreys/Jeffreys/Scott 1986, 286. Der Passiv-Aorist von καταπίνω gehört in der Tat zum Wortschatz des Malalas im Kontext einer Überschwemmung, vgl. Malal. XVII 15 XVIII 90, 8.

Von einer Zugehörigkeit der zitierten Theophanes-Passage zum Ur-Malalas gehen auch Mango/Scott 1997, 326 Anm. 1 aus, wobei aus ihren Ausführungen nicht klar hervorgeht, an welcher Stelle des Malalas-Textes ihrer Meinung nach der Theophanes-Zusatz zu verorten sei. Einerseits behaupten sie, dass die fragliche Theophanes-Stelle unmittelbar auf den Satz mit der Prophezeiung der alten Frau über die bevorstehende Überschwemmung folgte (d.h. Z. 6f. des Thurn-Kapitels), andererseits geben sie als Stellenagabe dazu "Malal. 481.12", verweisen also auf Dindorf 1831, 481, Z. 12 (=Mal. XVIII 119), was mit dem späteren, einem anderen Thema gewidmeten θνῆσις-Satz korrespondiert. Vielleicht rechnen Mango und Scott mit der Möglichkeit, dass im Ur-Malalas die heutige Theophanes-Passage 224, 29–33 de Boor an der Stelle des ἠκούετο-Satzes stand (der dann nur Folge einer späteren Epitormierung wäre, s.o.)

Abgesehen von diesen Details, wird die Grundannahme, dass Theoph. 224, 29–33 de Boor den Ur-Malalas auf der einen oder anderen Weise als Vorlage hatte, in der Forschung allgemein akzeptiert (siehe auch Meier 2004a, 322 und 663 Anm. 63]); allein Rochow 1983, 469 betrachtet das als "unsicher".
8/11 κατεπόθησαν: Der mit κατεπόθησαν endende kurze Satz führt näher aus, warum die konstantinopolitanische Bevölkerung den Vorhersagen der alten Frau über eine bevorstehende Überschwemmung Glauben schenkte: Weil man gehört hatte, dass viele anderen Städte bereits unter Wasser standen. Damit die durch γάρ (in ἠκούετο γάρ) ausgedrückte logische und ursächliche Verbindung zwischen diesen zwei Momenten (Vorhersage und Vorefahrung) beibehalten wird, muss die im ἠκούετο-Satz erwähnte Katastrophenart identisch mit derjenigen sein, die die alte Frau prophezeit, d.h. auch eine Überschwemmung. Deshalb ist die Konjektur von Meier 2004a, 321 Anm. 89 κατεπόρθησαν 'sie wurden vernichtet' (Pass. Aorist von καταπορθέω) für das überlieferte Verb κατεπόθησαν 'sie wurden überflutet' (Pass. Aorist von καταπίνω) klug, aber unnötig. Darüber hinaus ist καταπίνω ein bewährtes Wort für Überschwemmungen (vgl. z.B. Plb. II 41, 7 πόλις καταποθεῖσα ὑπὸ τῆς θαλάττης und in der Chronik des Malalas noch XVII 15 κατεπόθη ὑπὸ θεομηνίας ὑδάτων ποταμιαίων Ἔδεσα). Endgültig gesichert ist κατεπόθησαν, wenn man akzeptiert, dass Theoph. 224, 29–33 de Boor, wo es eben um eine Flutwelle (und nicht um eine andere Art von Stadtzerstörung) an der thrakisch-pontische Küste geht, an dieser Stelle den Ur-Malalas aufbewahrt hat XVIII 90, 8. (Laura Carrara)
8f./11 ἠκούετο γάρ, ὅτι καὶ πόλεις πολλαὶ κατεπόθησαν: Die Vermutung von Jeffreys/Jeffreys/Scott 1986, 286, dass die bei Theophanes und anderen überlieferte Überflutungskatastrophe in Thrakien an diese Stelle gehört, bereitet sprachlich keine Schwierigkeiten (XVIII 90, 8). Eine entsprechende Ergänzung an dieser Stelle erschiene auch inhaltlich eine naheliegende Lösung, da irgendwelche Hochwasser, bei denen Städte überflutet wurden (was sowohl in dieser Malalas-Passage als auch in der Theophanes-Tradition berichtet wird), der Katastrophenliste bei Meier 2004a zufolge (hier: 661–666) zwischen 529/30 und 549/50 abseits dieser Ereignisse nicht überliefert sind. Dass Theophanes das Hochwasser in Thrakien in einem Eintrag für das Jahr 544/45 platziert, muss für diese Annahme kein Hinderungsgrund sein: Dieser Umstand könnte beispielsweise schlicht darauf zurückzuführen sein, dass Theophanes das Lemma (das in der vorliegenden Form alleine diese Information enthält) mit Inhalt füllen wollte. Guidoboni/Comastri/Traina 1994, 329f. führen Malalas zusammen mit der Theophanes-Tradition in ihrem Erdbebenkatalog als Belege für ein einziges Ereignis (sie rekonstruieren einen Tsunami, d.h. die Sekundärwirkung eines Erdbebens – zur Diskussion XVIII 93, 2). Vgl. für diese Einordnung auch Meier 2004a, 322; 663 Anm. 63 mit kurzer Erwähnung der Überlieferungsproblematik. Ohne die Malalas-Stelle (trotz Kenntnis des Guidoboni-Kataloges) Ambraseys 2009, 197f.

Die Einführung dieses Einschubs mit ἠκούετο verweist auf in Konstantinopel grassierende Gerüchte; sie bestätigen den Inhalt der im vorangehenden Satz berichteten Weissagung (XVIII 90, 8).
9/10 θνῆσις: Lieblingswort der Malalas-Chronik, mit fünf Belegen (vier davon allein im Buch XVIII), sonst spärlich bezeugtes Substantiv wohl medizinischen Ursprungs (vgl. Ruf. fr. 69 [352, 8–10 Daremberg-Rouelle] εἰ μὲν γὰρ ὁ περιέχων ἡμᾶς ἀὴρ αἴτιος γίγνοιτο τοῦ λοιμοῦ, τῶν πτηνῶν πάντων καὶ ὀρνίθων ἐτέρων ἡ θνῆσις ἕσται πρότερον – θνῆσις τῶν πτηνῶν καὶ ὀρνίθων hat dieselbe Bedeutung wie φθορά τῶν τετραπόδων ζώων in dem folgenden, ganz parallel gebauten Satz, d.h. 'Vernichtung').

Sowohl Festugière 1978, 226 als auch Thurn 2000, 486 setzen θνῆσις bei Malalas explizit und direkt mit 'Seuche, Pest' gleich. In erster Linie bedeutet allerdings das Substantiv θνῆσις, wie die Herleitung aus θάνατος / θνῄσκω nahelegt und wie auch in der soeben zitierten Stelle des des Artzes Rufus von Ephesos (1.-2. Jh. n. Chr.) der Fall ist (s.o.), auch bei Malalas 'Sterben, Sterblichkeit'.

Die Tatsache, dass Malalas θνῆσις oft im Kontext von Massensterben infolge einer Pestseuche benutzt, und dass die Pest auch bei Rufus von Ephesos der Hintergrund der Wortverwendung ist, ändert nichts an deren Grundbedeutung: Vgl. Malal. VIII 21 τὴν λοιμικὴν θνῆσιν ("Sterben infolge der Pest" richtig Thurn/Meier 2009, 214 – würde bereits θνῆσις an sich 'Pest' bedeuten, wäre die Spezifizierung λοιμική überflüssig); Malal. XVIII 92 ἐπεκράτησεν γὰρ ἡ θνῆσις ἐπὶ χρόνον, ὥστε μὴ αὐταρκεῖν τοὺς θάπτοντας ("Das Sterben hielt eine Zeit lang, sodass diejenigen, die begruben, nicht ausreichten" - der Hinweis auf die Bestatter macht klar, dass θνῆσις die Sterberate, nicht ihre Ursache, tatsächlich eine Pestepidemie, meint); Malal. XVIII 120 θνῆσις ἀνθρώπων ("Sterben von Menschen" ohne Nennung der näheren Ursache - Jeffreys/Jeffreys/Scott 1986, 295 bauen jedoch einen Hinweis auf die Pest in ihre Übersetzung ein: "people died of the plague"); Malal. XVIII 127 θνῆσις ἀπὸ βουβώνων ("Massensterben durch die Beulenpest" richtig Thurn/Meier 2009, 520 – würde θνῆσις allein 'Pest' bedeuten, wäre die Spezifizierung ἀπὸ βουβώνων überflüssig). An vorliegender Stelle steht es wie in Malal. XVIII 92 und 120: θνῆσις bezeichnet ein 'Massensterben', Hintergrund und Ursache dessen eine Pestepidemie ist(XVIII 90, 9f.).
9f./2 τότε δὲ καὶ ἐν Αἰγύπτῳ καὶ ἐν Ἀλεξανδρείᾳ θνῆσις ἀνθρώπων γέγονεν: Bei der hier geschilderten Seuche handelt es sich um die Anfänge der berühmten so genannten "justinianischen Pest" (die anlässlich ihrer weiteren Ausbreitung nochmals in Malal. XVIII 92 thematisiert wird). Dass die Krankheit in Ägypten erstmals aufgetreten war, bestätigt unter anderem Procop. BP II 22,6; vgl. zu diesem ersten Ausbruch mit weiteren Quellen Stathakopoulos 2004, 278–280; Meier 2004a, 326 Anm. 113; 663 Anm. 62. Dieses Ereignis lässt sich zumindest ungefähr datieren: Für die Ausbreitung der Pest nach Konstantinopel kann aufgrund eines Ediktes, das die Seuche bereits voraussetzt, der 1. März 542 als terminus ante quem angesetzt werden (damit ist die Datierung von Procop. BP II 22,9 auf Frühjahr desselben Jahres leicht zu korrigieren, vgl. Meier 2004a, 326). Die Seuche in Ägypten muss, wie die hiesige Stelle bezeugt, zumindest um so viel früher angesetzt werden, dass zunächst die Nachricht über den dortigen Ausbruch eintraf, bevor die Krankheit in Konstantinopel selbst in signifikanter Art und Weise zu bemerken war (vgl. zur Datierung auf Mitte 541 Stathakopoulos 2004, 278f. unter Modifikation von Stein 1949, 841 [Oktober 541 ]).
10/7 Ναρσῆν: Zur Deklination von Ναρσής/-ῆς in der Malalas-Chronik XVIII 90, 12.
10/7 Ναρσῆν τὸν κουβικουλάριον: Mit Narses, dem seit ca. 537/38 amtierenden praepositus sacri cubiculi (Haushofmeister/"Grand Chamberlain": Boak/Dunlap 1924, 284–299), schickte der Kaiser einen hochrangigen, in Konstantinopel durch sein geschicktes Vorgehen bei der Niederschlagung des Nika-Aufstandes (Malal. XVIII 71) als ebenso krisenfest wie skrupellos profilierten Mann an den Ort des Geschehens. Zu seiner Person XVIII 66, 12.
10/10 μετὰ δρομώνων: μετὰ mit Genitiv zur Angabe von Streitkräften ist in der Malalas-Chronik sehr beliebt, siehe für Diskussion und Belege Rüger 1895, 7, 9(g), 42(A).
11/1 δρομώνων: Bezeichnung von Militäreinheiten; üblicherweise auf Schiffe angewandt: ODB 1 (1991), 662, s.v. Dromon (E. McGeer/A. Cutler). Die wörtliche Bedeutung der Bezeichnung (δρομών = "Läufer") und der Kontext lassen aber die Annahme zu, dass an der hiesigen Stelle Fußeinheiten, vielleicht auch nur unbewaffnete Bedienstete des Narses, gemeint sind.
11/3 ἄλλους τινὰς: Verfolgt man die in XVIII 90, 8 vorgestellte These (in der O-Fassung der Malalas-Chronik habe vorliegendes Kapitel Kürzungen erfahren) weiter, so könnte man vermuten, dass auch die hier vorliegende vage Ausdrucksweise "einige weitere (Leute)" ein Produkt dieses Epitomierungsprozesses sei.

Ein ähnliches Phänomen könnte, in einem ähnlichen Kontext, auch in Malal. XVIII 89 vorliegen. Man könnte nämlich denken, dass dort (und zwar nach πέμψας in Z. 5) die abgekürzte Handschrift O die Namen der Gesandten des Kaisers weggelassen habe, während die Parallelüberlieferung (_EI_ 173, 6–9 de Boor) sie (und ihre jeweiligen militärischen und gesellschaftlichen Stellungen) aus dem Ur-Malalas übernahm. Andererseits ist die absolute (d.h. ohne Akkusativobjekt) Verwendung eines Partizips wie πέμψας nicht unüblich in der Malalas-Chronik (XVIII 89, 5); sie reicht an sich genommen nicht aus, um Textausfälle bzw. -auslassungen zu vermuten.
11/5 μαθεῖν: Finaler Infinitiv ohne Artikel, eine in der Malalas-Chronik abhängig vom Verb 'schicken' (hier πέμψας in Z. 10) nicht seltene Erscheinung, siehe Belege und Diskussion bei Weierholt 1963, 50–51.
11f./9 ἀπελθόντων τῶν παίδων Ναρσοῦ: Malalas schildert hier ein bemerkenswertes Vorgehen: Anstatt sich persönlich ein Bild von der Lage zu machen, schickt Narses seine Diener (παῖδες) aus, deren Erkundungsgang und Rückkehr dann etwas umständlich geschildert werden. Diese Maßnahme deutet darauf hin, dass der cubicularius es vermeiden wollte, in der aufgewühlten Situation durch sein Auftreten für weiteren Aufruhr zu sorgen.
12/1 παίδων: Ein weiteres Wort (nach ἐφλυάρησε in Z. 3, XVIII 90, 3), welches vielleicht den Lesern der Malalas-Chronik wie ein gesuchter Attizismus vorkam. παῖς in der Bedeutung 'Sklave, Diener' (und nicht 'Kind') ist insbesondere in der (attischen) Sprache der Bühne verbreitet, vgl. z.B. Aesch. Choeph. 653 παῖ παῖ, Aristoph. Ach. 395 παῖ παῖ und Nub. 132 παῖ, παιδίον und Chantraine 1990, 848 ("notamment en attique"). Für den Plural παῖδες in der Bedeutung 'Leute, Gefolge' (und nicht 'Kinder') führt LSJ s.v. παῖς III [Demosth.] 33, 8 ὤνὴν ποιοῦμαι τῆς νεὼς καὶ τῶν παίδων (παῖδες bezogen also auf die Bemannung eines Schiffes) an. In ähnlichen Kontexten benutzt Malalas in der Bedeutung 'mit seinem (militärischen) Geleit' den Ausdruck μετὰ τῶν ἀνθρώπων, XVIII 46, 6. παῖδες als 'Anhänger' kommt auch noch in Malal. XIV 40 εἶχαν γὰρ πλῆθος Γότθων καὶ κόμητας καὶ ἄλλους παῖδας vor ("other followers" übersetzten Jeffreys/Jeffreys/Scott 1986, 205; "weitere Söhne" hingegen Thurn/Meier 2009, 383 mit Blick auf die wenige Zeilen davor genannten leiblichen Söhne des Aspars, Ardaburios und Patrikios).



12/2 Ναρσοῦ: Genitiv Singular des Eigennamens Ναρσής/-ῆς, welcher in der Malalas-Chronik immer nach dem für Maskulina auf -ης (z.B. στρατιώτης, -ου) gewöhnlichen Muster dekliniert ist, siehe Wolf 1911, 16. Anders gebeugt ist z.B. der Eigenname Οὐιττιγίς/ής, Genitiv Οὐιττιγή in Malal. XVIII 88 (XVIII 88, 3).
12/3 κατ’: Die Präposition κατά ist hier einleuchtende Konjektur von Dindorf 1831, 481 für die überlieferte Lesart μετ' der Handschrift O (f. 312), siehe LSJ s.v. κατά B IV 1 'in accordance with' und vgl. den ähnlichen und in der Malalas-Chronik fast formelhaften Ausdruck κατὰ κέλευσιν (+ Gen.) 'gemäß dem Befehl (von)', XVIII 89, 6.
12/7 τὸν ἅγιον Διομήδην: Zur Kirche des Diomedes XVIII 90, 4.
14/3 Ναρσῇ: Zur Deklination von Ναρσής/-ῆς in der Malalas-Chronik XVIII 90, 12.
14/10 ὅτι: Zweite Ebene der Subordination in diesem Satzgefüge (ἀπήγγειλαν Ναρσῇ τὰ γενόμενα ... καὶ ὅτι ἤκουσαν ... ὅτι ἀνέρχεται ἡ θάλασσα καὶ κατακλύζει) – keine allzu geläufige Erscheinung in der Malalas-Chronik. Zur Partikel ὅτι als Einleitung der Oratio obliqua bei Malalas siehe Helms 1971, 377.
15/2 ἀπὸ: ἀπό für die auf O (f. 312) überlieferte Präposition ὑπό ist eine weitere (nach κατά für μετά in Z. 12 XVIII 90, 12) gute und notwendige Konjektur von Dindorf 1831, 481.
Anders als ὑπό, zählt ἀπό (zusammen z.B. mit παρά) zu den Präpositionen, die in Prosa vom Verb ἀκούω zur Bezeichnung der Quelle bzw. der Herkunft einer Information abhängen, siehe LSJ s.v. ἀκούω I c und z.B. Thuc. I 125, 1 Οἱ δὲ Λακεδαιμόνιοι, ἐπειδὴ ἀφ’ ἁπάντων ἤκουσαν γνώμην κτλ. Die Verwechslung zwischen ὑπό und ἀπό könnte unter dem Einfluss des wenige Zeilen zuvor vorkommenden (Z. 13), fast identischen Ausdrucks ὑπὸ τῆς γυναικός entstanden sein.
15/6 χρηματισθείσης: Die Handschrift O (f. 312) überliefert κρεμασθείσης; die sehr gute Konjektur χρηματισθείσης stammt von Chilmead 1691, II, 223 Anm. 6, XVIII 90, 2.
15f./7 ὅτι μετὰ τρεῖς ἡμέρας ἀνέρχεται ἡ θάλασσα καὶ κατακλύζει πάντας: Das Geschehen wird hier – gerade im Vergleich zu den häufig sehr kurzen Darstellungen im letzten Teil von Buch XVIII – ungewöhnlich detailliert geschildert. Die fast wörtliche Wiederholung des in Z. 6f. bereits zitierten Spruches ist dabei besonders auffällig. Es könnte in dieser Passage eine Art kleine "Erzählung in der Erzählung" vorliegen, die vielleicht separat kursierte. Für das mögliche Aufgreifen von mündlichen Berichten in der Chronographie vgl. den Kommentar zu Malal. XVIII 23 sowie Borsch/Radtki-Jansen 2017.
15f./11 ἀνέρχεται ... κατακλύζει: Die zwei Verbformen sind in Präsens, beziehen sich aber auf ein für die Zukunft erwartetes und noch nicht eingetretenes Ereignisse. Für ähnliche Fälle von Präsens statt Futur in der Malalas-Chronik siehe Merz 1911, 24 mit Stellenangaben.
16f./8 ἀκούσαντες οἱ ὄχλοι τῶν λεγομένων παρ’ αὐτῆς ἀνεχώρουν πτοούμενοι: Offenbar war vor der Kirche noch mehr Volk zusammengekommen. Narses, der wegen des Volksaufruhrs ausgeschickt worden war, brauchte jedoch nicht mehr einzugreifen, da die Menschenmenge sich alleine durch die Kunde von dem Spruch der Frau von selbst zerstreute. Das passt zwar nicht zum Rest der Erzählung – vormals waren die Leute wegen des Spruches ja noch in die Kirche geströmt – dennoch bricht der Abschnitt hier ab: Der Abzug der Menge alleine aufgrund des furchterregenden Spruches bildet offensichtlich die Pointe des Berichts. Hier sehen wir abermals am Ende eines Abschnittes die Furcht (anderswo φόβος: XVIII 52, 1) als starkes Handlungsmovens.
17/5 πτοούμενοι: In seinem 'Index verborum memorabilium' führt Thurn 2000, 520 einen einzigen Malalas-Beleg für das Verb πτοέομαι (übersetzt als 'terreo') an, Malal. XVIII 14 πτοηθέντες Ῥωμαίους (auffälliges Passiv mit Akkusativobjekt, XVIII 14, 18). Zu diesem Beleg ist vorliegende Stelle hinzuzufügen, darüber hinaus auch Malal. XIII 23 u. 25 (beide Male πτοηθεὶς).
Parallelüberlieferung
Theoph. 224, 29–33 de Boor; Georg. Mon. 628, 14–17 de Boor; Cedr. 657.4 Tartaglia; Leo Gramm. 128,11–13 Bekker (?).
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