Malalas 18.89 1–8 = 79–86 (Thurn)

Inhalt

Kapitel 18,89 thematisiert die Absetzung des Flavius Johannes (des "Kappadokers") als Prätoriumspräfekt. Die in O erhaltene Version der Chronik nennt keine Gründe für die Demission und konzentriert sich auf Ausführungen über eine weitere, spätere Affäre am Ort von Johannes' Exil in Kyzikos (Mysien), wohin der Kappadoker gesandt worden war, um als Priester im nahegelegenen Artake zu wirken. Johannes habe in Kyzikos demnach an der Ermordung des örtlichen Bischofs Eusebios mitgewirkt, wodurch er den Zorn Justinians auf sich zog und schließlich nach Antinous (Ägypten) verbannt wurde. Erst später (nämlich nach dem Tod Theodoras 548 n. Chr.) habe er nach Konstantinopel zurückkehren dürfen. Die gesamte Episode wird neben der hiesigen Passage nicht nur in einem ausführlichen, aber tendenziösen Bericht Prokops (BP I 25) behandelt, sondern hat auch eine enge Parallele in den Excerpta de insidiis (172,31–173,12), die hier wohl eine frühere Malalas-Version wiedergeben und verschiedene Informationen zu den Gründen und den näheren Umständen der Geschehnisse ergänzen.

Philologisch-Historischer Kommentar
Parallelüberlieferung
Literatur

1 (79)
Μηνὶ αὐγούστῳ ἀπεζώσθη Ἰωάννης ὁ ἐπίκλην Καππάδοξ, δὶς δια-
 
νύσας τὴν τῶν ἐπάρχων ἀρχήν. καὶ δημευθεὶς ἐπέμφθη ἐν Κυζίκῳ,
 
κληρωθεὶς διάκονος ἐν Ἀρτάκῃ· κἀκεῖσε φατριάσας μετά τινων κτητόρων
 
ἀνεῖλον Εὐσέβιον τὸν ἐπίσκοπον τῆς αὐτῆς Κυζικηνῶν πόλεως. μαθὼν δὲ
5 (83)
ὁ βασιλεὺς καὶ ἀγανακτήσας κατὰ τοῦ αὐτοῦ Ἰωάννου, πέμψας ἐξήτασεν
 
αὐτὸν ἐκεῖ διὰ τὸν γενόμενον φόνον. καὶ κατὰ κέλευσιν τοῦ αὐτοῦ βασι-
 
λέως ἐκεῖθεν ἐξωρίσθη ἐν Ἀντίνῳ. καὶ μετὰ χρόνον ἀνακληθεὶς τελευτᾷ ἐν
 
Βυζαντίῳ.
Philologisch-Historischer Kommentar
1/1 Μηνὶ αὐγούστῳ: Monatsnamen ohne Indiktionsangaben oder sonstige eindeutige Verweise auf das Jahr kommen in der Chronik hin und wieder vor; etwa im (zeitlich sehr dichten) Narrativ über die Friedensverhandlungen mit den Persern vor dem "Ewigen Frieden" von 532 (vgl. Malal. XVIII 53; XVIII 68); dann aber vor allen Dingen im letzten Drittel des 18. Buches: Neben dem hiesigen Kapitel betrifft das XVIII 96; 105; 108; 134; 139. Eventuell könnte das Fehlen der dort sonst regelmäßig begegnenden Formel "in derselben Indiktion" (ἰνδικτιῶνι τῇ αὐτῇ: vgl. XVIII 103; 109; 111; 120; 121; 123; 136) oder einer sonstigen Jahresangabe auf Textausfälle zurückzuführen sein. Die hiesige August-Angabe ist aus verschiedenen Gründen problematisch. Dem Augenschein nach müsste sie sich auf die zuletzt angegebene dritte Indiktion (XVIII 87: September 539 – August 540), beziehen und somit auf August 540 verweisen. Nicht ausgeschlossen wäre auch eine Datierung auf August 541, da das folgende Kapitel XVIII 90 bereits in die fünfte Indiktion gelegt wird, was gut zu Prokops Datierung in das zehnte Amtsjahr des Johannes (= 541) passen würde (Procop. BP I 25,3; 25,44). Die justinianischen Novellen legen jedoch nahe, dass das hier zuerst berichtete Ereignis, die Entlassung Johannes des Kappadokers aus dem Amt des praefectus praetorio Orientis, zwischen dem 7. Mai und dem 1. Juni 541 anzusetzen ist, da bis zum ersteren Datum Johannes noch auf den Urkunden erscheint, während sein Name ab dem zweiten Datum dort fehlt (7. Mai: Nov. 109; 1. Juni: Nov. 111 = Ed. 5). Man hat deswegen die Vermutung geäußert, dass die August-Angabe ein anderes Ereignis meint, welches ebenfalls in diesem Kapitel besprochen wird, nämlich die Versetzung des Johannes ins ägyptische Antinoe: PLRE IIIA (Johannes 11), 633. Dagegen hat jedoch Greatrex 1995, 7f. das Zeugnis eines Continuators des Marcellinus Comes angeführt, der eben diese Versetzung in das Jahr 544 legt (Marc. Com. add. 544; vgl. auch Procop. 17,40–45, wo Ereignisse, welche laut Malal. XVIII 101 in das Jahr 547 gehören, vier Jahre nach der Exilierung des Johannes nach Ägypten datiert werden). Damit meint die August-Angabe entweder ein anderes in diesem Kapitel berichtetes Ereignis (z.B die Verbannung nach Kyzikos bzw. Ernennung zum dortigen Diakon) oder es liegt hier ein Fehler des Malalas vor (letzterer Ansicht ist Potter 2015, 185).
1/3 ἀπεζώσθη: Zum Verb ζώννυμι 'ernennen zu einem Amt' und seinen Antonym ἀποζώννυμι 'aus einem Amt entlassen' in der Malalas-Chronik XVIII 87, 3.
1/3 ἀπεζώσθη Ἰωάννης ὁ ἐπίκλην Καππάδοξ: Zur Person Johannes des Kappadokers XVIII 61, 2. Seine Absetzung als Prätoriumspräfekt, die politisch einen "Paukenschlag" (Leppin 2011a, 236) bedeutete, sowie sein weiteres Schicksal schildert ausführlich Procop. BP I 25,11–44. Johannes sei demnach einer Intrige der Kaiserin Theodora zum Opfer gefallen, die ihm über die Frau Belisars, Antonina, einen Umsturzversuch vorgaukeln habe lassen. Angeblich in der Hoffnung, selbst den Kaiserthron zu erlangen (BG I 25,19: Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Behauptung bei Veh 1970, 482), traf er ungeachtet einer von Justinian persönlich bestellten Warnung (BG I 25,25) Antonina im Konstantinopolitaner Vorort Rufinianai, wo er, nachdem er einen Schwur auf seine Pläne geleistet habe, von den hinter einem Vorhang versteckten Narses und Markellos angegriffen worden sei. Zwar konnte er nach Konstantinopel entkommen, entschied sich dort aber für das Exil in einer Kirche und gegen eine persönliche Aussprache mit dem Kaiser, durch die er laut Prokop den ihm gewogenen Justinian hätte besänftigen können. So aber habe Theodora problemlos seine Absetzung bewirkt. Malalas' Bericht über die Begebenheit setzt erst an dieser Stelle ein und lässt über die Ursachen der Absetzung nichts verlauten. Hier ergänzen die Excerpta de insidiis (172,33–173,1) jedoch die Information, der Kappadoker habe mit Antonina gemeinsam ein Komplott gegen Justinian geschmiedet. Mit einiger Wahrscheinlichkeit kann man dies dem Text des Baroccianus – der in den Excerpta nahezu vollständig, aber eben mit Ergänzungen versehen wiedergegeben wird – hinzufügen. Damit bestätigt die Malalas-Überlieferung also zumindest den inhaltlichen Kern des Prokop-Berichtes. Für eine grundsätzliche Bestätigung der zentralen Rolle Theodoras in dieser Affäre vgl. außerdem Joh. Lyd. de mag. III 76. Zum Sachverhalt allgemein Stein 1949, 480–483; PLRE IIIA (Ioannes 11), 633f.; Evans 2011, 141–152; Leppin 2011a, 236–238; Potter 2015, 185–190.
1f./9 διανύσας: Die Grundbedeutung des Verbs διανύω ist 'vollenden, zum Ende führen'. In diesem Sinne kommt διανύω nur einmal in der Malalas-Chronik vor, im letzten Vers eines dreizeligen Orakel-Zitats in II 2 (ὠκέσι ποσὶ βάδιζε, θνητέ, ἄδηλον διανύων βίον "ein unscheinbares Leben vollenden"; siehe zum Orakel Schulz 2017a, 333f.). Im Malalas-Text selbst hat sich διανύω auf die Bedeutung 'ein Amt bekleiden' spezialisiert, vgl. neben vorliegender Stelle noch Malal. XIV 38 Ἰσοκάσιος ... διήνυσεν ἀρχὰς πολλὰς μετὰ δόξης; Malal. XVIII 135 Βαρσυμίου, τότε διανύοντος τὴν τῶν ἐπάρχων ἀρχήν. Thurn 2000, 485 hat diese Verwendung von διανύω in seinen "Index verborum ad res Byzantinas spectantium" aufgenommen. (Laura Carrara)
2/7 δημευθεὶς ἐπέμφθη ἐν Κυζίκῳ: Zu Kyzikos, einer in Mysia an der Südküste der Propontis gelegenen Stadt, IV 8, 6. Eine Verbannung nach Kyzikos inklusive Priesterweihe ist aus der justinianischen Regierungszeit schon einmal für das Jahr 529 überliefert, als dem Exkonsul und ehemaligen Sekretär des Kaisers, Priskos, Ähnliches widerfahren war: Malal. XVIII 43; cf. Theoph. 186,15–17; Excerpta de insidiis 171,35–172,5; Procop. Anecd. 16,7–10. Die Nachricht über die Verbannung liegt nicht nur in ihrer Formulierung bemerkenswert eng am Text der früheren Passage (XVIII 89, 2f.), sondern auch inhaltlich, da Priskos und Johannes mit derselben Bestimmung an denselben Ort geschickt werden. Die weitere Überlieferung offenbart (trotz teilweiser Widersprüche: XVIII 43, 1f.) noch mehr Parallelen zwischen den beiden Geschichten: Feindseligkeit der Kaiserin Theodora gegenüber beiden Personen (Priskos: Procop. Anecd. 17,7; EI 172,2; Johannes: Procop. BP I 25,4; Theoph. 186,16; vgl. EI 173,10–12); angebliche Flucht beider Männer ins Kirchenasyl (Priskos: EI 172,4–5; Johannes: Procop. I 25,31); jeweilige Erwähnung des nahe Kyzikos gelegenen Artake (Priskos: EI 172,4–5; Johannes: Procop. I 25,31; Malal. XVIII 89,3 XVIII 89, 3). Diese Überschneidungen können eine gewisse Skepsis an der Authentizität des Überlieferten aufkommen lassen, doch sind die Quellen zu zahlreich und zu heterogen, als dass sie grundsätzliche Zweifel an der Historizität der Berichte erlaubten. Dass beide ehemaligen Vertrauten Justinians an denselben Ort verbracht wurden, ist schon deswegen bemerkenswert, weil dieser vergleichsweise nah an Konstantinopel gelegen war. Als Gründe kämen eine Abschwächung der Strafen vonseiten Justinians oder eine gezielte Einflussnahme Theodoras infrage (die hier vielleicht loyale Anhänger hatte? Vgl. die Diagnose zu Antinoe XVIII 89, 7). Dass sowohl Priskos als auch Johannes nicht beseitigt, sondern zu Priestern geweiht wurden, könnte, abgesehen von politischen Erwägungen, auch mit der Einhaltung des Kirchenasyls zusammenhängen (kirchliche Offizielle konnten dem Schutzsuchenden körperliche Unversehrtheit auch nach Verlassen des Kirchenasyls garantieren: Wenger 1950, Sp. 838f.). Die Missachtung des Asyls wird von Malalas als barbarisches Verbrechen geschildert (vgl. Malal. XIV 45; XVI 6); gleichzeitig kann die Flucht in die Kirche in der Tat Leben retten (XV 16).
2/8 ἐπέμφθη ἐν Κυζίκῳ: Orts- statt Richtungsangabe nach einem Verb der Bewegung (πέμπω, 'senden'), siehe zu diesem Phänomen in der Malalas-Chronik XVIII 43, 2f..
2f./7 δημευθεὶς ἐπέμφθη ἐν Κυζίκῳ, κληρωθεὶς διάκονος: Vgl. die sehr ähnliche Formulierung in Malal. XVIII 43 bezüglich des Schicksals des Ex-Konsuls Priskos: δημευθεὶς ἐγένετο διάκονος καὶ ἐπέμφθη ἐν Κυζίκῳ. Mit Blick auf die Frage nach einem möglichen Wechsel des Autors im letzten Drittel des 18. Buches der Chronik ist eine derartige Wiederholung zu den Indizien für die Einheitlichkeit des Werkes zu zählen.
3/1 κληρωθεὶς διάκονος ἐν Ἀρτάκῃ: Artake bezeichnet nach Steph. Byz. Ethnica 127,13–22 Meineke sowohl eine Insel als auch einen Berg auf der Halbinsel von Kyzikos; ebendort wird auch ein Hafen für acht Schiffe bezeugt. Strab. XIII 4 (582) kennt Artake als einen Ort an der Spitze der besagten Halbinsel. Modern kann er mit dem heutigen Erdek (gr. Artaki, ca. 7-8 km von Kyzikos) identifiziert werden: RE 2 (1896), Sp. 1308f., s.v. Artake 1 (G. Hirschfeld); Hasluck 1910, 16–21; Ehrhardt 1983, 38). Die Erklärung, warum Malalas hier neben Artake als den eigentlichen Standort von Johannes' neuem Priesteramt auch das benachbarte Kyzikos erwähnt, liefern die Excerpta: Im größeren Kyzikos sollte der Verbannte demnach wohnen ( EI 173,1–2). Auch bei der früheren Verbannung des Priskos (XVIII 43) überliefern Malalas (in O) und Prokop unisono Kyzikos als den eigentlichen Ort des Exils; Artake kommt nur in EI 172,4–5 ins Spiel, wo erklärt wird, dass der zuvor in Kyzikos Gefangene in den Nachbarort entflohen war, um dort Asyl zu suchen (so EI 17 XVIII 43, 1f.). Bereits die pagane, noch von Stephanos überlieferte Tradition scheint Artake als Rückzugsort für Flüchtlinge zu kennen (vgl. das zitierte Epigramm des Demosthenes von Bithynien [hellenistisch?]: νάσσατο δ᾽ Ἀρτακίοισιν ἐφέστιος αἰγιαλοῖσιν; "and he settled as a refugee on the Artakian shores", Übs. Cairns 2011, 3; vgl. zum Kontext des Zitats ebd., 2–5).
3/5 κἀκεῖσε: Man erwartet hier dem Sinn nach das Adverb ἐκεῖ 'dort', nicht die Richtungsangabe ἐκεῖσε 'dahin'. Die Bedeutungsunterschiede zwischen ἐκεῖ und ἐκεῖσε (und allgemein zwischen den Adverbien, die ein Richtungsverhältnis zum Ausdruck bringen), sind allerdings in der Malalas-Chronik stark verwischt, siehe für Beispiele und Diskussion Wolf 1911, 38. In den letzten Zeilen dieses Kapitels sind die Ortsadverbien ἐκεῖ 'dort' und ἐκεῖθεν 'von dort' richtig verwendet.
3/6 φατριάσας: Sowohl die Handschrift O (f. 212, siehe auch Bury 1897, 230) als auch die Parallelüberliefung in EI 173, 2–3 (aus dem Ur-Malalas?) überliefern die Lesart φατριάσας (ohne rho). Chilmead 1691, II, 223 schlug die Schwreibweise φρατριάσας vor, wohl aufgrund der Etymologie des Verbes, ein später entstandener Latinismus aus der Wortfamilie von frater (auch das altgriechische Substantiv φράτρα könnte in der Wortbildung eine Rolle gespielt haben, siehe Wolf 1911, 74). In der Form φρατριάσας kommt das Verb auch in der Ausgabe von Dindorf 1831, 480 und in dem Latinismen-Verzeichnis von Körting 1879, 14 vor. Thurn 2000, 406 u. 494 (im Index verborum ad res Byzantinas spectantium) kehrt zur überlieferten Schreibweise φατριάσας zurück – zu Recht, da dies die Form ist, die auch sonst in der byzantinischen Gräzitat belegt ist: vgl. z.B. Schol. Aeschin. 2, 74, 1 Schulz φατριάζοντες καθ’ ἡμῶν; Etym. Mag. 799, 31–32 Gaisforf φατριάζειν, τὸ τῆς αὐτῆς φατρίας μετέχειν.
4/1 ἀνεῖλον: Klassisch (d.h. mit der starken Endung in - ο - statt der schwachen in - α -) gebildete Aoristform von αἰρέω, siehe Merz 1911, 33–34 mit Anm. 7.
4/2 Εὐσέβιον τὸν ἐπίσκοπον τῆς αὐτῆς Κυζικηνῶν πόλεως: PCBE III (Eusébios 13), 382f. Von der Ermordung des Bischofs von Kyzikos berichtet auch Prokop (BP I 25,37) und gibt an, der Geistliche sei ebenso verhasst gewesen wie Johannes. Trotz Prokops feindseliger Einstellung gegenüber dem Kappadoker steht dessen Schuld an dem Verbrechen für ihn nicht fest: Nach einem erfolglosen Gerichtsverfahren gegen den Bischof sei dieser laut Prokop von jungen Leuten auf dem Marktplatz getötet worden; nur seine persönliche Feindschaft zu dem Getöteten habe Johannes dann in den Verdacht gebracht, hinter dem Mord zu stecken (BP I 25,38–39). Die Folge ist die Verbannung nach Antinoe (dazu XVIII 89, 7). (Jonas Borsch mit Florian Battistella)
4f./9 μαθὼν δὲ ὁ βασιλεὺς καὶ ἀγανακτήσας κατὰ τοῦ αὐτοῦ Ἰωάννου: "Als aber der Kaiser dies vernahm und sich gegen diesen Johannes empörte" (Übs. Thurn/Meier 2009, 504). Ähnlich wie Prokop, demzufolge der Kappadoker zunächst noch ein angenehmes Leben in Kyzikos habe führen können (Procop. BP I 25,34), bezeugt Malalas hier das Umschlagen der Stimmung des Kaisers infolge des Mordes am Bischof Eusebios (vgl. BP I 25). Damit scheint auch Malalas davon auszugehen, dass der Kaiser dem bereits Verbannten nach dessen angeblichem Verschwörungsversuch zunächst noch wohlwollend gegenübergestanden habe (vgl. für die zunächst schonende Behandlung durch Justinian Leppin 2011a, 237; Potter 2015, 187).
5/4 ἀγανακτήσας: Zum Verb ἀγανακτέω 'zornig werden' als 'Handlungsmotor' in der Malalas-Chronik XVIII 41, 2f..
5/9 πέμψας: Zum Partizip πέμψας ohne Akkusativobjekt und in Verbindung mit einem Hauptverb in der Malalas-Chronik XVIII 46, 5. Für eine (spekulativere) Erklärung des Fehlens des Objekts nach πέμψας an dieser Stelle XVIII 90, 11.
5/9 πέμψας: Während es in O nur heißt, der Kaiser habe "ausgeschickt", um den Fall untersuchen zu lassen, werden in EI 173,5–8 die Gesandten spezifiziert: Es handelt sich um "Florus und den Exkonsul Paulus den Galater und den patricius Phokas und den Exprätor Thomas". Diese Delegation bestand aus "individuals with whom, to some degree, Theodora could work" (Potter 2015, 185). Ihre hochrangige Zusammensetzung bezeugt zudem, dass das Schicksal des Johannes eine bedeutende staatspolitische Affäre bildete (ebd., 186). Dass es sich um eine "unzureichende Untersuchung" handelte, wie Leppin 2011a, 237 auf Basis von Prokop annimmt, geht aus der Malalas-Evidenz nicht hervor. Prokop behauptet auch, Theodora habe noch Jahre nach dem Vorfall in Konstantinopel eigenmächtig Nachforschungen über die Affäre angestellt, wobei sie die Schuld des Johannes jedoch trotz radikaler Methoden immer noch nicht habe nachweisen können: Procop. Anecd. 17,40–45. Diese Episode wird auch von Malalas bezeugt, der sie aber ohne jeden Verweis auf Theodora als offizielle Untersuchung präsentiert: XVIII 101.
6/8 κατὰ κέλευσιν τοῦ αὐτοῦ βασιλέως: Zum Ausdruck κατὰ κέλευσιν: I 1, 8. (Brendan Osswald)
6f./2 ἐκεῖ ... ἐκεῖθεν: Anders als bei κἀκεῖσε in Z. 3 (XVIII 89, 3) sind diese zwei Ortsadverbien richtig eingesetzt.
7/3 ἐξωρίσθη ἐν Ἀντίνῳ: Orts- statt Richtungsangabe nach einem Verb der Bewegung (ἐξορίζω, 'verbannen'), siehe zum Phänomen in der Malalas-Chronik XVIII 43, 2f..
7/3 ἐξωρίσθη: Prokop betont ausdrücklich, dass Johannes keine Schuld nachgewiesen werden konnte, und schildert die demütigenden Bedingungen, denen Johannes bei der Reise in sein Exil ausgesetzt gewesen sei (Procop. BP I 25,40–43). In der Chronographia kommen diese Umstände nicht explizit zur Sprache. Im obigen Text erhält man durch die Verbannung den Eindruck, dass die Schuld des Johannes erwiesen sei. Der Text der Excerpta de insidiis 173,9 De Boor ist nuancierter: εὑρεθεὶς ὑπὸ μέμψιν ὢν τοῦ αὐτοῦ φόνου. Man kann daher PCBE III (Eusébios 13), 382f., hier 383 zustimmen, dass Johannes' Schuld nicht eindeutig erwiesen war. Die Verbannung könnte angesichts seiner Behandlung in Kyzikos auch dem Schutz des Johannes gedient haben.

Der Ort, an den man ihn nun schickte, lag weit entfernt vom Zentrum in einer Gegend, in der Theodora besonders großen Einfluss hatte: Potter 2015, 190. Laut Prokop (_BP_ I 25,44) war der Kappadoker aber auch dort nicht zum Schweigen zu bringen: Noch von hier aus habe er Personen wegen Steuerschulden angezeigt – vermutlich liegt hier eine Anspielung auf die harsche Fiskalpolitik vor, für die Johannes als Amtsträger bekannt gewesen war. (Florian Battistella, Jonas Borsch)
7/5 Ἀντίνῳ: In der Malalas-Chronik schwankt der Name der von Kaiser Hadrian zu Ehren seines Favoriten Antinoos gegründeten Stadt (XVIII 89, 7) zwischen der dritten Deklination auf -ώ und der zweiten Deklination auf -ος: In Malal. XI 20 heißt es ἔκτισεν δὲ πόλιν ἐν τῇ Αἰγύπτῳ, ἣν ἐκάλεσεν Ἀντίνω (Akkusativ der dritten Deklination – richtiger wäre allerdings -νώ, vgl. die Eigennamen Σαπφώ, Ναννώ), an dieser Stelle tritt hingegen der Dativ der zweiten Deklination auf, siehe dazu Wolf 1911, 22 mit Hinweisen auf den Übergang der Feminina auf -ώ in die zweite Deklination allgemein. Ursprünglich richtig ist die dritte Deklination, da der Nominativ Ἀντινόου (Kurzform von Ἀντινόου πόλις) lautet, kontrahiert deshalb Ἀντινώ; vgl. auch Johannes Moschus, Pratum Spirituale 44 (PG 87/3, Sp. 2897, 49) γέρων ἐκαθέζετο ἔξω τῆς πόλεως Ἀντινῶ (Nominativ: "in der Stadt 'Antinoo').

7/5 Ἀντίνῳ: Antinoe/Antinous in Ägypten (vgl. Procop. I 25,43), Kurzform für Antinoupolis. Es handelt sich um eine Gründung Hadrians zu Ehren seines Lieblings Antinoos, die als Zentrum einer privilegierten, die römische Herrschaft tragenden ägyptisch-griechischen Oberschicht installiert wurde (Zahrnt 1988, 701–706). Bei den Verwaltungsreformen Diokletians wurde der Ort zur Hauptstadt der Thebais; unter Valens zum Bischofssitz. Zum Ort RE 1 (1894), 2441f., s.v. Antinoupolis 1 (R. Pietschmann); PECS, 60, s.v. Antinoöpolis (S. Shenouda); Zahrnt 1988. (Jonas Borsch)
7/7 μετὰ χρόνον ἀνακληθεὶς: Für μετά mit Akkusativ zur Angabe von Zeitabständen in der Malalas-Chronik XVIII 88, 6. Ähnlich wie wohl bereits am Ende von Kap. XVIII 88 erfolgt hier ein zeitlicher Vorgriff: Johannes konnte erst mindestens 7 Jahre nach seiner Absetzung, nämlich nach dem Tod Theodoras 548 n.Chr., zurückkehren, wie aus Prokop (BP II 30,49–50) zu erfahren ist und in den Excerpta de insidiis bestätigt wird (EI 173,10–12). Laut Prokop musste er weiterhin als Priester tätig sein; die Excerpta nennen ihn allgemeiner einen Privatmann (παγανός).
Parallelüberlieferung
EI 172, 31–173, 12 de Boor (Ur-Malalas?)
Literatur
Bury (1897): Bury, John B.: Johannes Malalas: The Text of the Codex Baroccianus, ByzZ, 1897, 219–230.
Cairns (2011): Cairns, Francis: Artake and Hylaea in Propertius 1.8.25-6, Cambridge classical journal, 2011, 1–8.
Chilmead (1691): Chilmead, Edmund: Johannis Antiocheni cognomento Malalae Historia Chronica … nunc primum edita cum Interpret. & Notis Edm. Chilmeadi …, Oxonii, 1691.
Dindorf (1831): Dindorf, Ludwig: Iohannis Malalae Chronographiae ex recensione L. Dindorfii, Bonn, 1831.
Ehrhardt (1983): Ehrhardt, Norbert: Milet und seine Kolonien, Frankfurt, 1983.
Evans (2011): Evans, James Allan: The Power Game in Byzantium. Antonina and the Empress Theodora, London/New York, 2011.
Greatrex (1995): Greatrex, Geoffrey B.: The composition of Procopius’ Persian Wars and John the Cappadocian, Prudentia, 1995, 1–13.
Hasluck (1910): Hasluck, F. W: Cyzicus, Cambridge, 1910.
Körting (1879): Körting, Gustav: De vocibus latinis quae apud J. Malalam chronographum Byzantinum inveniuntur, Münster, 1879.
Leppin (2011a): Leppin, Hartmut: Justinian. Das christliche Experiment, Stuttgart, 2011.
Merz (1911): Merz, Ludwig: Zur Flexion des Verbums bei Malalas, Pirmasens, 1911.
Potter (2015): Potter, David: Theodora. Actress, Empress, Saint, Oxford, 2015.
Schulz (2017a): Schulz, Fabian: Theosophische Weissagungen bei Malalas, 2017
Stein (1949): Stein, Ernest: Histoire du Bas-Empire, Tome II. De la disparition de l’Empire d’Occident à la mort de Justinien (476–565), Paris/Bruxelles/Amsterdam, 1949.
Thurn (2000): Thurn, Johannes: Ioannis Malalae Chronographia, Berolini et Novi Eboraci, 2000.
Thurn/Meier (2009): Thurn, Johannes/Meier, Mischa: Johannes Malalas Weltchronik., Stuttgart, 2009.
Veh (1970): Veh, Otto: Prokop Perserkriege Griechisch-deutsch ed. Otto Veh. Prokop: Werke III, München, 1970.
Wenger (1950): Wenger, L.: s.v. Asylrecht, RAC, 1950, 836–844.
Wolf (1911): Wolf, Karl: Studien zur Sprache des Malalas, Tl. 1: Formenlehre, Diss. München, 1911.
Zahrnt (1988): Zahrnt, Michael: Antinoopolis in Ägypten: Die hadrianische Gründung und ihre Privilegien in der neueren Forschung, Aufstieg und Niedergang der römischen Welt, 1988.