Malalas 18.140 1–4 = 44–47 (Thurn)

Inhalt

In XVIII 140 wird ein letztes Mal auf das militärische Geschehen in Italien verwiesen (s. schon XVIII 88, 97, 110, 116): der Chronist berichtet vom Eintreffen neuer Siegesnachrichten und -symbole nach der Eroberung der norditalischen Städte Verona und Brescia durch den Feldherrn Narses. (Olivier Gengler)

Philologisch-Historischer Kommentar
Parallelüberlieferung
Literatur

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Καὶ τῷ αὐτῷ μηνὶ ἐπινίκια ἦλθον ἀπὸ Ῥώμης ἀπὸ Ναρσοῦ τοῦ
 
πατρικίου, ὡς ὅτιπερ παρέλαβε πόλεις ὀχυρὰς τῶν Γότθων <δύο>, του-
 
τέστι Βεροΐαν καὶ Βρίγκας. ἔπεμψε καὶ τὰς τῶν αὐτῶν πόλεων κλεῖς μετὰ
 
καὶ τῶν λαφύρων.
Philologisch-Historischer Kommentar
1/9 ἀπὸ Ναρσοῦ τοῦ πατρικίου: Zu Narses (PLRE IIIB (Narses 1) 912–928) XVIII 66, 12. Der Titel patricius__ ist für Narses zum ersten Mal im März-April 559 belegt: PLRE IIIB (Narses 1) 924; der Chronist ist hier abermals ziemlich genau in seiner Verwendung offizieller Bezeichnungen. Vgl. auch Paul. Diac. Hist. Lang.__ II 3: Hic Narsis prius quidem chartularius fuit, deinde propter virtutum merita patriciatus honorem promeruit__. S. dazu Brodka 2018, 120f. Zum Titel patricius auch: XIII 27, 15. (Olivier Gengler)
2/3 ὅτιπερ: Die Konjunktion ist hier pleonastisch verwendet, wie in II 16 80. Vgl. Lampe s.v. ὅτι 3. (Olivier Gengler)
2/9 <δύο>: Diese Ergänzung von Thurn (aus Theoph. 237,14) ist unnötig: sie ist grammatikalisch nicht notwendig und Theophanes hätte das Wort selbst anhand des Kontextes hinzufügen können. (Olivier Gengler)
3/2 Βεροΐαν: Gemeint ist die Stadt Verona in Venetien. Die gr. Form des Namens ist normalerweise Βερώνα (Proc. Bella__ VII 3,3) oder Οὐήρωνα (Ptol. III 1,31), evtl. Βέρων (Sozomen. IX 12,4) bzw. Οὐήρων (Strab. V 1,6). Theophanes hat die Form Βηρωΐαν und Kedrenos Βιρίαν, was darauf schließen lassen könnte, dass Theophanes' Vorlage bereits eine abweichende Form des Namens enthielt, die in O nach dem bekannteren Namen Βεροία normalisiert erscheint.

Die Stadt Verona lag in der Antike an einem strategischen Knotenpunkt und kontrollierte die Wege zu den Alpen, den Apeninnen und Illyrien: DNP__ 12.2 (2002), 77–78 s.v. Verona (E. Buchi). Laut Agnellus von Ravenna (79, MGH SS rer Lang. S. 331,26) wurde die Stadt am 20. Juli 561 eingenommen. Vgl. auch Paul. Diac. Hist. Lang.__ II 2 (MGH SS rer Lang. S.73,4–9). (Olivier Gengler)
3/4 Βρίγκας: Wahrscheinlich Brescia (Lat. Brixia, gr. Βριξία z.B. bei Strabo V 1,6), ca. 70 km westlich von Verona. Theophanes und Kedrenos haben ebenfalls die Form Βρίγκας. (Olivier Gengler)
3f./5 ἔπεμψε καὶ τὰς τῶν αὐτῶν πόλεων κλεῖς μετὰ καὶ τῶν λαφύρων: McCormick 1986, 66 Anm. 109 zitiert andere Beispiele für Siegesnachrichten sowie die Entsendung von Beute oder Gefangenen an Kaiser Justinian: Procop. Bella V 14,15 (vgl. 24,1) (die Schlüssel von Rom und den gotischen Anführer Leuderis); VII 25,34 (wieder die Schlüssel von Rom); VIII 33,27 (die Schlüssel von Rom und Totilas blutiges Gewand: XVIII 116, 4); IV 28,46 und VIII 14,43 (die von den Mauren zurückeroberte römische Fahne bzw. vier persische Fahnen). Vgl. auch Evagrius, Hist. Eccl. V,9 (204, 20–25), wo Justin II. die Schlüssel von Nisibis verlangt. Solche Sendungen dokumentieren mithin die symbolische Anerkennung der übergeordneten Befehlsgewalt des Kaisers und machen den Sieg für die Bewohner der Hauptstadt erfahrbar: McCormick 1986, 190–191.

Laut Paulus Diac. hatte Narses den gefangenen Widin nach Konstantinopel geschickt. Falls diese Episode mit dem in diesem Abschnitt beschriebenen Geschehen tatsächlich in Verbindung zu setzen ist (XVIII 140, 1), wäre die Sendung des gotischen Anführers in die Hauptstadt als Teil der Siegesnachricht (vor oder mit der Sendung der Schlüssel und der Beute) zu betrachten. Ca. 530 hatte z.B. Moundos nach seinem Sieg in Thrakien ebenfalls die Beute sowie einen barbarischen Anführer an den Kaiser gesendet: XVIII 46, 15. (Olivier Gengler)
4/2 τῶν λαφύρων: In der Chronographia kommt viel häufiger das Lehnwort πραῖδα (und das abgeleitete Verb πραιδεύω) vor: II 7, 15. Dass τά λάφυρα lediglich hier und im Zusammenhang mit dem Triumph über Gelimer (XVIII 81, 3) verwendet wird, spiegelt vielleicht den Wortschatz einer textuellen Quelle (eines Berichtes oder einer offiziellen Nachricht) wider. (Olivier Gengler)
Parallelüberlieferung
Theoph. 237,13–15; Cedr. 679,13–15. Vgl. möglicherweise Menander Prot., fr. 3,1–3,2 Blockley; Paulus Diac. II 2–3 (MGH SS. rer Lang. 72,28–74,2); Agnellus, Lib. Pont. 79 (MGH SS. rer Lang. 331,25–26). (Olivier Gengler)
Literatur
Brodka (2018): Brodka, Dariusz: Narses – Politik, Krieg und Historiographie im 6. Jahrhundert n. Chr., Berlin, 2018.
Fauber (1990): Fauber, Lawrence: Narses: the Hammer of the Goths, Gloucester, 1990.
Mango/Scott (1997): Mango, Cyril and Scott, Roger: The Chronicle of Theophanes Confessor. Byzantine and Near Eastern History AD 284–813, Oxford, 1997.
McCormick (1986): McCormick, Michael: Eternal victory. Triumphal rulership in late antiquity, Byzantium, and the early medieval West, Cambridge / Paris, 1986.
Stein (1949): Stein, Ernest: Histoire du Bas-Empire, Tome II. De la disparition de l’Empire d’Occident à la mort de Justinien (476–565), Paris/Bruxelles/Amsterdam, 1949.