Malalas 18.30 1–14 = 11–24 (Thurn)

Inhalt

In Kapitel 30 erzählt Malalas vom harten Durchgreifen gegen Manichäer in Persien, von dem ihm ein persischer Gewährsmann berichtet habe. Wenngleich der Manichäismus im Reich der Sassaniden tatsächlich verbreitet war, vgl. Hutter 1991, scheint hier eine Verwechslung von religiösen Minderheiten oder eine Projektion zu Grunde zu liegen. Denn persische Quellen schildern für diese Zeiten ein Vorgehen gegen die Mazdakiten, das einen ähnlichen Ablauf aufweist. Diesem Irrtum unterliegen auch Theophanes, der Malalas rezipiert, und spätere arabische Autoren. Malalas schildert die Begebenheiten in Persien mit Farben, die sehr römisch anmuten, vgl. Klima 1957, 255f. Zur Einführung in Mazdak und die Mazdakiten vgl. Hartmann 2005. Zu Kavadhs Herrschaft vgl. den Kommentar ad Malal. XVIII 4,1.

Philologisch-Historischer Kommentar
Parallelüberlieferung
Literatur

1 (11)
Ἐν δὲ τῷ αὐτῷ χρόνῳ ἀνεφάνη ἐν τοῖς Περσικοῖς μέρεσιν δόγμα
 
Μανιχαϊκόν· καὶ μαθὼν ὁ τῶν Περσῶν βασιλεὺς ἠγανάκτησεν· ὡσαύτως
 
δὲ καὶ οἱ ἀρχιμάγοι τῶν Περσῶν· ἦσαν γὰρ ποιήσαντες οἱ αὐτοὶ Μανι-
 
χαῖοι καὶ ἐπίσκοπον ὀνόματι Ἰνδαράζαρ. ὁ δὲ βασιλεὺς Περσῶν σιλέντιον
5 (15)
ποιήσας, καὶ πάντας αὐτοὺς κατεσχηκὼς καὶ τὸν ἐπίσκοπον τῶν Μανι-
 
χαίων, κελεύει τῇ παρεστώσῃ αὐτῷ ἐνόπλῳ στρατιᾷ, καὶ κατέκοψαν
 
ξίφεσι πάντας τοὺς Μανιχαίους καὶ τὸν ἐπίσκοπον αὐτῶν σὺν τῷ κλήρῳ
 
αὐτοῦ· καὶ ἐφονεύθησαν πάντες ἐπ’ ὄψεσιν τοῦ αὐτοῦ βασιλέως καὶ τοῦ
 
ἐπισκόπου τῶν χριστιανῶν. ἐδημεύθησαν δὲ καὶ αἱ ὑποστάσεις αὐτῶν,
10 (20)
καὶ τὰς ἐκκλησίας αὐτῶν δέδωκε τοῖς χριστιανοῖς, ἐκπέμψας θείας αὐτοῦ
 
σάκρας ἐν τῇ ὑπ’ αὐτοῦ διοικουμένῃ πολιτείᾳ, ὥστε τὸν εὑρισκόμενον
 
Μανιχαῖον πυρίκαυστον γενέσθαι· καὶ τὰς βίβλους δὲ αὐτῶν πάσας κατέ-
 
καυσεν. ἅτινα διηγήσατο βασταγάριος Περσῶν, ὅστις βαπτισθεὶς μετε-
 
κλήθη Τιμόθεος.
Philologisch-Historischer Kommentar
1/1 Ἐν δὲ τῷ αὐτῷ χρόνῳ: Über den Zeitpunkt und den amtierenden Herrscher gibt es unterschiedliche Berichte. Malalas datiert das Vorgehen gegen die Manichäer auf 528/529, Theophanes auf 523/524. Beides fällt unter die Herrschaft von König Kavadh. Die arabischen und persischen Quellen verbinden eine Razzia gegen die Mazdakiten hingegen mit Kavadhs Sohn und Nachfolger Chosroes, vgl. Crone 1991, 31, die folgende Autoren und Werke anführt: Nizām al-Mulk, Siyāsat-nāma (11. Jh.), Ibn al-Balkhi, Fārs-nāma (14. Jh.) und Mīrkhwānd, Rawda (15. Jh.) sowie die christlich-arabische Chronik von Seert (11. Jh.).

Entsprechend divergent sind die Forschungsmeinungen: Theophanes‘ Datierung wird von Klima 1957, 295 akzeptiert; sie ist aber von Malalas abhängig und erklärt sich durch einen Synchronisationsfehler (Kavadhs Todesdatum liegt auch fünf Jahre zu früh), vgl. Crone 1991, 32 und Jeffreys 1990d, 270. Malalas' Datierung wird von Christensen (Christensen 1925, 124; Christensen 1944, 354) akzeptiert. Nöldeke interpretiert die arabischen Quellen folgendermaßen: Die einen, die den Status von Chosroes nicht erwähnen, beziehen sich auf seine Zeit als designierter Nachfolger, was sich mit Malalas’ Datierung vereinen lässt, die anderen, die Chosroes König nennen, bezeugen einen zweiten Aufstand der Mazdakiten, den Malalas nicht erwähnt – Nöldeke 1879, 466ff.

Diese Rekonstruktion ist von Crone 1991, 31f. in Zweifel gezogen worden. Die islamischen Quellen scheinen ihr nicht von zwei, sondern von ein und demselben Ereignis zu sprechen, das nach Chosroes Inthronisation anzusetzen ist. Denn gegen Malalas’ Datum spreche, dass sich die Perser gerade im Krieg mit den Römern befanden und unnötiges Blutvergießen vermeiden wollten, von dem andere Zeitgenossen wie Prokop gewiss gehört hätten. Gegen eine Beseitigung „aller“ Manichäer/Mazdakiten zu diesem Zeitpunkt spreche auch, dass Malalas später berichtet, dass der Perserkönig (nun Chosroes) „den seinem Staat unterstehenden Manichäern“ Toleranz gewährte (XVIII 69). Crone rekonstruiert die Ereignisse daher folgendermaßen: Nach dem Tod des Kavadh (531) brach eine Rebellion der Mazdakiten aus, die Chosroes erst mit einem Toleranzedikt beruhigte, um seine Nachfolge zu sichern. Als er fest auf dem Thron saß, habe er sich daran gemacht, sie zu zerschlagen, was spätestens 540 abgeschlossen war.

Crones Angriff auf die communis opinio ist von Rubin kritisiert worden, Rubin 1995, 230f. mit Anm. 11, hauptsächlich, weil mit der Spätansetzung des Konflikts die wichtigste Voraussetzung (geschwächte Aristokratie) von Chosroes Reformen, die er nach dem Herrschaftsantritt durchsetzte, wegfällt. Im Anschluss an Rubin setzt auch Wiesenhöfer Wiesehöfer 2009, 403 Anm. 35 die Zusammenstöße wieder unter Kavadh und beruft sich in diesem Zusammenhang auf Nöldeke.

Der Kritik an Crone ist folgendes hinzufügen: In einer neu edierten arabischen Quelle (Abu'l-Baqā, Manāqib), die nicht Chosroes sondern Kavadh mit der Niederschlagung der Mazdakiten zu verbinden scheint, was Nöldekes These stützen würde, bringt Crone textkritische Zweifel an, die überzogen wirken – Crone 1991, 31. Insofern ist Malalas’ Datierung derjenigen der arabischen und persischen Quellen vorzuziehen, die allesamt spät sind.
(Fabian Schulz)
1/6 ἀνεφάνη ἐν τοῖς Περσικοῖς μέρεσιν: Malalas’ Angabe, in dieser Zeit sei bei den Persern der manichäische Glaube aufgekommen, lässt sich schwer mit Malal. XII 42,2 vereinen, wo sein Aufkommen in die Zeit Diokletians datiert wird. (Fabian Schulz)
1f./11 δόγμα Μανιχαϊκόν: Die Verwechslung von Manichäismus und Mazdakismus rührt vielleicht nicht nur daher, dass Römer eine lokale Häresie auch bei den Nachbarn grassieren sahen, sondern auch daher, dass Perser eine lokale Bewegung als fremd hinstellten. Die Wurzeln des Mazdakismus scheinen eher im Zoroastrismus zu liegen, wenngleich gewisse Lehren durchaus Affinitäten zum Manichäismus aufweisen; vgl. ²Encyclopaedia of Islam, Mazdak und Crone Crone 1991, 27f. Zu Mazdaks Kosmologie und Ethik vgl. Blois 2012. Zum Manichäismus vgl. Hutter 2010. (Fabian Schulz)
2/7 βασιλεὺς: Bei Malalas ist der namenlose König mit Kavadh zu identifizieren, den Theophanes beim Namen nennt. Zu Kavadh vgl. Malal. XVIII 4,1. (Fabian Schulz)
2/8 ἠγανάκτησεν: Bei Malalas reicht als Motivation für das harte Durchgreifen, dass der König sich über die Ausbreitung der Manichäer ärgert. Bei Theophanes ist die Bedrohung manifester: Die „Manichäer“, zu denen auch „Senatoren“ gehören, versprechen Kavadhs Sohn Phthasuarsas, der in der Nachfolge übergangen werden soll, seinen Vater (durch Gebete) zur Abdankung und zu dessen Ernennung zu bewegen, wenn er ihren Glauben im Anschluss protegiert. Darauf willigt Phthasuarsas ein, den die „Manichäer“ von klein auf eingewickelt hatten. Diese Geschichte spiegelt inneraristokratische Machtkämpfe, wie Wiesehöfer 2009, 402 wahrscheinlich macht. (Fabian Schulz)
3/3 οἱ ἀρχιμάγοι τῶν Περσῶν: Klima wendet gegen Malalas’ Darstellung ein, dass es nur einen Erzmager gegeben habe, vgl. Klima 1957, 255. (Fabian Schulz)
3/7 ἦσαν γὰρ ποιήσαντες: Imperfekt von εἰμί + Partizip Aorist Aktiv dient zur Umschreibung des Plusquamperfekt Aktivs, vgl. Psaltes 1913, §344 und Horrocks 2010a, 346. (Fabian Schulz)
3f./9 ποιήσαντες … ἐπίσκοπον: Bischofsweihen waren in der Spätantike oft konfliktreich, vgl. Norton 2007, besonders in Antiocheia. Im 4. Jh. war die Stadt Hauptschauplatz des Trinitarischen Streits und wurde eponym für das Antiochenische Schisma (vgl. TRE Antiochia). Auch im 6. Jh. gab es zahlreiche Auseinandersetzungen über Ordinationen, in denen sich Anhänger und Gegner des Konzils von Chalkedon gegenüberstanden; vgl. Allen 2011. Dieses Konfliktmuster projiziert Malalas nach Persien; vgl. Klima 1957, 255. (Fabian Schulz)
4/5 Ἰνδαράζαρ: Im Namen „Indarazar“ bzw. „Indazar“, wie er verkürzt bei Theophanes lautet, hat Nöldeke das Pahlavi-Wort 'andarzgar' erkannt, das 'Ratgeber' oder 'Lehrer' bedeutet – Nöldeke 1879, 462 Anm. 3. Christensen sieht darin einen Ehrennamen, der Mazdak beigegeben worden sei – vgl. Christensen 1925, 123 und Christensen 1944, 353. Umgekehrt könnte Mazdak das Epitheton sein und „Indarazar“ bzw. Vindārāzār der Personenname – vgl. Klima 1957, 257 Anm. 24. (Fabian Schulz)
4/10 σιλέντιον: σιλέντιον ist ein gräzisierter terminus technicus, der eine spezielle Ratssitzung bezeichnet (vgl. den Kommentar ad Malal. XIII 22,3). Hier werden römische Verfahren auf die Perser projiziert. Malalas benutzt technische Begriffe nicht nur über Kulturen, sondern auch über Zeiten hinweg. „Agamemnon is as likely to summon a conventus as Leo I“ (Jeffreys 2003, 504 und Jeffreys 1990c, 60–61.
Das Massaker an den Mazdakiten, das die persischen und arabischen Quellen bezeugen, fand, wie Crone 1991, 30f. mit Anm. 224 anmerkt, ebenfalls bei einem Treffen am Hof statt. Dieser Umstand spricht ihrer Einschätzung nach gegen die These von Nöldeke, dass es sich um zwei verschiedene Ereignisse handelt – vgl. Nöldeke 1879, 466ff.
(Fabian Schulz)
5/5 κατεσχηκὼς: Subjektswechsel. (Fabian Schulz)
7/6 τὸν ἐπίσκοπον αὐτῶν σὺν τῷ κλήρῳ: Hier werden christliche Einrichtungen auf die Manichäer bzw. Mazdakiten übertragen. (Fabian Schulz)
8/5 ἐπ’ ὄψεσιν: ἐπ’ ὄψεσιν wird von Malalas noch dreimal benutzt, um die Person zu bezeichnen, die Zeuge eines Gewaltakts (V 17,20), einer Strafmaßnahme (VII 12,8) und einer Kriegserklärung (XVIII 56, 41) wird. Theophanes benutzet ἐπ’ ὄψεσιν von Personen, die mitansehen müssen, wie Angehörige hingerichtet werden (Theoph. 265,4 und 290,2). Der Ausdruck ἐπ’ ὄψεσιν ist in der byzantinischen Literatur verbreitet und hat sich bis ins Neugriechische gehalten, vgl. Rüger 1895, 40 Anm. 1. (Fabian Schulz)
8f./7 τοῦ αὐτοῦ βασιλέως καὶ τοῦ ἐπισκόπου τῶν χριστιανῶν: Das unvermittelte Auftreten des anonymen christlichen Bischofs überrascht und ist vielleicht auf eine Kürzung des Malalas-Texts zurückzuführen. Denn bei Theophanes wird er vorher namentlich genannt: „Boazanes, Bischof der Christen, der von Kavadh als bester Arzt geschätzt wurde“ – τὸν τῶν Χριστιανῶν ἐπίσκοπον Βοαζάνην, ἀγαπώμενον παρὰ Κουάδου ὡς ἰατρὸν ἄριστον (Theoph. 170,13f.). Dass Bischof und König gemeinsam als Beobachter der Hinrichtung genannt werden, ist erklärungsbedürftig, da sie sich auf verschiedenen Hierarchie-Ebenen befinden und am Geschehen unterschiedlich beteiligt sind: Der Herrscher, der die Maßnahme angeordnet hatte, erscheint als Aufseher; der christliche Bischof, dessen Gemeinde die Kirchen der Manichäer anschließend zugeschlagen werden (Z. 10), lässt sich als Geschädigter denken. Bei Theophanes steht eine andere Person neben dem Bischof: nicht τοῦ αὐτοῦ βασιλέως, sondern τοῦ ἀρχιμάγου (Theoph. 170,20), so dass sich Bischof und Erzmager als religiöse Würdenträger bzw. Geschädigte auf einer Ebene befinden.
Malalas’ Text suggeriert hingegen – jedenfalls in der Form, die wir vor uns haben – ein enges Verhältnis zwischen Perser-König und Bischof, wie es oft zwischen Bischof und christlichem Kaiser bestand; vgl. Just 2003 zum 4. Jh.; zu Patriarchen und Kaisern vgl. Grünbart/Rickelt/Vucetic 2013.
Die Gegenwart des christlichen Bischofs muss nicht erfunden sein. Vielleicht handelt es sich bei ihm um einen Repräsentanten der sogenannten Nestorianer, die in Persien toleriert wurden, vgl. LeCoz 1995 und Baum/Winkler 2000. Zur Inkulturation des Christentums im Sasanidenreich vgl. Mustafa/Tubach/Vashalomidze 2007.
Genauso unhistorisch wie die Behauptung, dass der Perserkönig die „Manichäer“ bekämpft habe, ist die Behauptung, er habe im Gegenzug die Christen protegiert; trotzdem bleibt sie erklärungsbedürftig. Soll der Perserkönig etwa positiv gezeichnet werden? Eher soll der Erfolg staatlicher Zwangsmaßnahmen gegen die Manichäer auch jenseits der Reichsgrenzen illustriert werden.
(Fabian Schulz)
9/4 ἐδημεύθησαν δὲ καὶ αἱ ὑποστάσεις αὐτῶν: δημεύω – ‚seize as public property‘, ‚confiscate‘ bereits bei Thukydides (vgl. LSJ δημεύω 1). Bei Malalas ist diese kaiserliche bzw. staatliche Zwangsmaßname häufig belegt und wird z.B. gegen Heiden vollstreckt: XVIII 42,2. ὑπόστασις in der hier vorliegenden Bedeutung ‚wealth, substance, property‘ erscheint erstmals in der Septuaginta (vgl. LSJ ὑπόστασις 6). (Fabian Schulz)
10/2 τὰς ἐκκλησίας αὐτῶν δέδωκε τοῖς χριστιανοῖς: Dass die beschlagnahmten „Kirchen“ den Christen übergeben wurden, ist ausgeschlossen. Selbst von mazdakitischen Tempeln weiß man nichts; vgl. Klima 1957, 255. (Fabian Schulz)
10f./8 ἐκπέμψας θείας αὐτοῦ σάκρας… ὥστε: Das dreiendige Adjektiv σάκρος ist die gräzisierte Form von sacer und bedeutet ‚heilig‘, zumal im Zusammenhang mit dem Kaiser (LSJ Supp., LBG). Als Substantiv im Plural Femininum kann es laut LSJ Supp. die Bedeutung ‚imperial archives‘ haben. Hier scheint dieser Gebrauch vorzuliegen, aber in anderer Bedeutung. Denn σάκρα wird zumeist als ‚sacred rescripts‘ bzw. ‚göttliche Erlasse‘ übersetzt, was in diesem Kontext Sinn macht. Bei Malalas ist das feminine Substantiv dreimal im Singular und noch 13x im Plural belegt, davon viermal qualifiziert durch θεῖος (was etwas redundant anmutet und vielleicht ein Hinweis auf schwindende Lateinkenntnisse ist; siehe aber für eine alternative Interpretation solcher 'Doppelungen' die Anmerkung bezüglich Πῖος εὐσεβὴς von XI 21 in dem philologischen Kommentar zu XVIII 48 Z. 2). Weitere viermal wird der Beschluss mit ὥστε angefügt. Immer handelt es sich um herrscherliche Dekrete in Briefform, die geschrieben (XV 13,48) und versiegelt sind (XVIII 56,32). Das Femininum erklärt sich also durch die Ellipse von litera(e). Die Bedeutung ‚imperial archives‘, die LSJ Supp. verzeichnet, ist falsch. Im dort angeführten Papyrus PSI 481.13 (v/vi ad) ist von einem σκρινιάριος τῶν θείων σακρῶν die Rede, einem scriniarius ab epistulis regis. Es geht also auch um herrscherliche Dekrete in Briefform. Von anderen griechischen Autoren wird σάκρα seltener verwendet. Es tritt aber besonders in Werken auf, die mit Malalas zeitgleich sind oder auf diesen rekurrieren, interessanterweise auch in Verbindung mit θεῖος (Lyd. Mag. S. 106 Z. 21.; Chron. Pasch. 617,3). Kaiserliche (literae) sacrae sind im Lateinischen häufig belegt (vgl. TLL litera Bd. 7 Sp. 1526, Blaise sacra, Souter sacra): z.B. im Codex Theodosianus und im Codex Iustinianus (Cod. Theod. VII 8, 8 anno 400; Cod. Iust. III 3, 3 anno 294 im Präskript). Im lateinischen Mittelalter stammten literae sacrae von den höchsten kirchlichen Würdenträgern (vgl. Du Change). Zur Sakralisierung des spätantiken Kaisertums ab Diokletian vgl. Kolb 2001, 63–80; zum Sakralisierungsschub in spätjustinianischer Zeit vgl. Meier 2003b und Meier 2004a, 608–638. Zu Heiligem und Heiligen in der spätantiken Kultur und Religion vgl. Meier 2004d und Gemeinhardt/Heyden 2012. (Fabian Schulz)
11f./9 τὸν εὑρισκόμενον Μανιχαῖον: Thurn/Meier 2009, 461 übersetzen "jeder Manichäer, den man antreffe", was sich mit der Bedeutung von εὑρίσκεσθαι ‚to be found, be present‘ deckt (Lampe und LSJ Supp. mit Verweis auf Cod. Just. I.2.17.2.). Möglicherweise liegt aber eine andere Nuance vor, die stärker auf einer Untersuchung im Zusammenhang mit einem Strafverfahren verweist; im Sinne von εὑρίσκω 'find out, discover' (LSJ εὑρίσκω II.): "jeder, der sich nach Prüfung als Manichäer erweist". In diesem Sinne wird εὑρίσκεσθαι nämlich von Malalas bereits vorher verwendet, wo es um die Verfolgung und Bestrafung von Ehebruch und Päderastie geht (I 15,11 und XVIII 18,9). Zu dieser 'straftrechtlichen' Bedeutung des Verbes in der Malalas-Chronik auch XVIII 101, 2. (Fabian Schulz)
12f./5 τὰς βίβλους δὲ αὐτῶν πάσας κατέκαυσεν: Dies erinnert an die römische Verbrennung heidnischer Bücher, die Malalas später beschreibt (XVIII 136, 2). (Fabian Schulz)
13/4 βασταγάριος: Das Substantiv βασταγάριος kommt in der Spätantike auf (LSJ) und ist in Byzanz verbreitet (LBG). Es ist abgeleitet von βαστάζω ‚tragen‘ und bedeutet daher eher ‚Lastenträger‘ als ‚Transportunternehmer‘ wie Thurn/Meier 2009, 461 übersetzen. Noch weniger handelt es sich bei βασταγάριος um einen persischen Würdenträger oder Beamten, wie Christensen 1925, 124 Anm. 3 und Klima 1957, 254 behaupten. (Fabian Schulz)
Parallelüberlieferung
Theoph. 169,27–170,24; Chron. anon. Pseudo-Dionys. 842; Mich. Syr. IX 21 (190–191); Cedr. 639,11–12; Zon. III 148,16–149,2.
Literatur
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