Malalas 18.30 1–14 = 11–24 (Thurn)
In Kapitel 30 erzählt Malalas vom harten Durchgreifen gegen Manichäer in Persien, von dem ihm ein persischer Gewährsmann berichtet habe. Wenngleich der Manichäismus im Reich der Sassaniden tatsächlich verbreitet war, vgl. Hutter 1991, scheint hier eine Verwechslung von religiösen Minderheiten oder eine Projektion zu Grunde zu liegen. Denn persische Quellen schildern für diese Zeiten ein Vorgehen gegen die Mazdakiten, das einen ähnlichen Ablauf aufweist. Diesem Irrtum unterliegen auch Theophanes, der Malalas rezipiert, und spätere arabische Autoren. Malalas schildert die Begebenheiten in Persien mit Farben, die sehr römisch anmuten, vgl. Klima 1957, 255f. Zur Einführung in Mazdak und die Mazdakiten vgl. Hartmann 2005. Zu Kavadhs Herrschaft vgl. den Kommentar ad Malal. XVIII 4,1.
Philologisch-Historischer Kommentar
Parallelüberlieferung
Literatur
Entsprechend divergent sind die Forschungsmeinungen: Theophanes‘ Datierung wird von Klima 1957, 295 akzeptiert; sie ist aber von Malalas abhängig und erklärt sich durch einen Synchronisationsfehler (Kavadhs Todesdatum liegt auch fünf Jahre zu früh), vgl. Crone 1991, 32 und Jeffreys 1990d, 270. Malalas' Datierung wird von Christensen (Christensen 1925, 124; Christensen 1944, 354) akzeptiert. Nöldeke interpretiert die arabischen Quellen folgendermaßen: Die einen, die den Status von Chosroes nicht erwähnen, beziehen sich auf seine Zeit als designierter Nachfolger, was sich mit Malalas’ Datierung vereinen lässt, die anderen, die Chosroes König nennen, bezeugen einen zweiten Aufstand der Mazdakiten, den Malalas nicht erwähnt – Nöldeke 1879, 466ff.
Diese Rekonstruktion ist von Crone 1991, 31f. in Zweifel gezogen worden. Die islamischen Quellen scheinen ihr nicht von zwei, sondern von ein und demselben Ereignis zu sprechen, das nach Chosroes Inthronisation anzusetzen ist. Denn gegen Malalas’ Datum spreche, dass sich die Perser gerade im Krieg mit den Römern befanden und unnötiges Blutvergießen vermeiden wollten, von dem andere Zeitgenossen wie Prokop gewiss gehört hätten. Gegen eine Beseitigung „aller“ Manichäer/Mazdakiten zu diesem Zeitpunkt spreche auch, dass Malalas später berichtet, dass der Perserkönig (nun Chosroes) „den seinem Staat unterstehenden Manichäern“ Toleranz gewährte (XVIII 69). Crone rekonstruiert die Ereignisse daher folgendermaßen: Nach dem Tod des Kavadh (531) brach eine Rebellion der Mazdakiten aus, die Chosroes erst mit einem Toleranzedikt beruhigte, um seine Nachfolge zu sichern. Als er fest auf dem Thron saß, habe er sich daran gemacht, sie zu zerschlagen, was spätestens 540 abgeschlossen war.
Crones Angriff auf die communis opinio ist von Rubin kritisiert worden, Rubin 1995, 230f. mit Anm. 11, hauptsächlich, weil mit der Spätansetzung des Konflikts die wichtigste Voraussetzung (geschwächte Aristokratie) von Chosroes Reformen, die er nach dem Herrschaftsantritt durchsetzte, wegfällt. Im Anschluss an Rubin setzt auch Wiesenhöfer Wiesehöfer 2009, 403 Anm. 35 die Zusammenstöße wieder unter Kavadh und beruft sich in diesem Zusammenhang auf Nöldeke.
Der Kritik an Crone ist folgendes hinzufügen: In einer neu edierten arabischen Quelle (Abu'l-Baqā, Manāqib), die nicht Chosroes sondern Kavadh mit der Niederschlagung der Mazdakiten zu verbinden scheint, was Nöldekes These stützen würde, bringt Crone textkritische Zweifel an, die überzogen wirken – Crone 1991, 31. Insofern ist Malalas’ Datierung derjenigen der arabischen und persischen Quellen vorzuziehen, die allesamt spät sind.
(Fabian Schulz)
Das Massaker an den Mazdakiten, das die persischen und arabischen Quellen bezeugen, fand, wie Crone 1991, 30f. mit Anm. 224 anmerkt, ebenfalls bei einem Treffen am Hof statt. Dieser Umstand spricht ihrer Einschätzung nach gegen die These von Nöldeke, dass es sich um zwei verschiedene Ereignisse handelt – vgl. Nöldeke 1879, 466ff.
(Fabian Schulz)
Malalas’ Text suggeriert hingegen – jedenfalls in der Form, die wir vor uns haben – ein enges Verhältnis zwischen Perser-König und Bischof, wie es oft zwischen Bischof und christlichem Kaiser bestand; vgl. Just 2003 zum 4. Jh.; zu Patriarchen und Kaisern vgl. Grünbart/Rickelt/Vucetic 2013.
Die Gegenwart des christlichen Bischofs muss nicht erfunden sein. Vielleicht handelt es sich bei ihm um einen Repräsentanten der sogenannten Nestorianer, die in Persien toleriert wurden, vgl. LeCoz 1995 und Baum/Winkler 2000. Zur Inkulturation des Christentums im Sasanidenreich vgl. Mustafa/Tubach/Vashalomidze 2007.
Genauso unhistorisch wie die Behauptung, dass der Perserkönig die „Manichäer“ bekämpft habe, ist die Behauptung, er habe im Gegenzug die Christen protegiert; trotzdem bleibt sie erklärungsbedürftig. Soll der Perserkönig etwa positiv gezeichnet werden? Eher soll der Erfolg staatlicher Zwangsmaßnahmen gegen die Manichäer auch jenseits der Reichsgrenzen illustriert werden.
(Fabian Schulz)