Malalas 18.47 1–6 = 67–72 (Thurn)

1 (67)
Ἐπὶ δὲ τῆς ὑπατείας τοῦ αὐτοῦ Δεκίου ὁ αὐτὸς βασιλεὺς θεσπίσας
 
πρόσταξιν ἔπεμψεν ἐν Ἀθήναις, κελεύσας μηδένα διδάσκειν φιλοσοφίαν
 
μήτε ἀστρονομίαν ἐξηγεῖσθαι μήτε κόττον ἐν μιᾷ τῶν πόλεων γίνεσθαι,
 
ἐπειδὴ ἐν Βυζαντίῳ εὑρεθέντες τινὲς τῶν κοττιστῶν καὶ βλασφημίαις δει-
5 (71)
ναῖς ἑαυτοὺς περιβαλόντες χειροκοπηθέντες περιεβωμίσθησαν ἐν καμή-
 
λοις.
Philologisch-Historischer Kommentar
1/1 Ἐπὶ δὲ τῆς ὑπατείας τοῦ αὐτοῦ Δεκίου: d.h. 529/530: XVIII 46, 1.
4/4 εὑρεθέντες: XVIII 101, 2. (Laura Carrara)
5/4 χειροκοπηθέντες: Verstümmelungen als Strafen sind in den Rechtsvorschriften der Zeit Justinians nicht direkt bezeugt, waren aber wahrscheinlich nicht unüblich, wie ihre Regulierung in einem Edikt von 556 zeigt (Nov., 134. Vgl. Patlagean 1984 mit Troianos 1992, bes. 66-67, und Manfredini 1995.

Das Verstümmeln, vor allem die Ablation von Händen, wurde wahrscheinlich als eine besonders strenge und außergewöhnliche Bestrafung betrachtet. Prokop berichtet in seiner Geheimgeschichte mehrere Verstümmelungen mit der offensichtlichen Absicht, Justinian und Theodora in Verruf zu bringen (Procop., Arc. 11,36 vgl. XVIII 18; 17,44-5; XVIII 101). Vgl. auch wie Rusticus, der der Ermordung des Königs Gubazes beschuldigt wird, die Enthauptung und die Verstümmelung in seiner Verteidigungsrede als notwendige Inhumanität darstellt: Agath. IV 8,2. Diese Art der Strafe, die den Verurteilten in seinem Körper kennzeichnete, sollte vor allem exemplarisch sein (Patlagean 1984; vgl. Hillner 2015, 89-117 für das Verhältnis zwischen Strafe, Vergebung und Reue), obwohl eine symbolische Verknüpfung der Art der Strafe an die Art des Fehlverhaltens nicht ausgeschlossen ist, insbesondere für die Entmannung von Päderasten: Ein dem Justinian zugeschriebenes Apophtegma bei Psell., Historia brevis, 71 und Zon. XIV 7,2 zeigt, dass solche Rationalisierung der Strafe zumindest im 10. Jh. galt. Zum historischen bzw. biblischen Hintergrund dieser Idee siehe Manfredini 1998.
Laut dem Edikt CJ 3,43,1 war die verhängte Strafe für die Würfelspieler die Konfiskation bzw. die Rückgabe der Gewinn, was Watts dazu führt, hier die Anwendung eines anderen Gesetzes zu erkennen (Watts 2004, 174). Es ist jedoch zu beachten, dass die von Malalas beschriebenen Unruhen zum Erlassen des Gesetzes geführt haben (vgl. die Verwendung von ἐπειδή) und nicht seine Anwendung schildern. Darüber hinaus ist es – da die Regulation des Glücksspiels es zielt, Gotteslästerungen zu vermeiden – wahrscheinlich, dass die Strafe in diesem Fall eher die "schrecklichen Gotteslästerungen", die Malalas erwähnt, betrifft und nicht das Würfelspiel per se. Vgl. Agath. II 29,5. Die Nov. 77 von 535 setzt für die Gotteslästerung die Todesstrafe ein (Botta 2007 für die Analyse und die Datierung). Zur Gotteslästerung im früheren römischen Recht und ihre Verbindung mit Sakrilegien siehe Robinson 1973.
Parallelüberlieferung
_Cod. Vat. gr._ 163 fol. 26v, Z. 25–27.
Literatur
Botta (2007): Botta, Fabio: Giustiniano e la repressione della blasfemia, d'Ippolito, Federico Maria, Napoli 2007, 275–305.
Hillner (2015): Hillner, J.: Prison, Punishment and Penance in Late Antiquity, Cambridge, 2015.
Manfredini (1995): Manfredini, A.D.: Giustiniano e la mutilazione delle mani e dei piedi, Studia et documenta historiae et iuris, 1995, 463–469.
Manfredini (1998): Manfredini, A.D.: La « Bestrafung des schuldigen Gliedes », Index, 1998, 231–239.
Patlagean (1984): Patlagean, E.: Byzance et le blason pénal du corps, 79, Roma 1984, 405–427.
Robinson (1973): Robinson, O.F.: Blasphemy and Sacrilege in Roman Law, Irish Jurist, 1973, 356–371.
Troianos (1992): Troianos, S.: Die Strafen im Byzantinischen Recht. Eine Übersicht, JÖB, 1992, 55–74.
Watts (2004): Watts, Edward: Justinian, Malalas, and the end of Athenian philosophical teaching in AD 529, JRS, 2004, 168–182.