Malalas 18.52 1–5 = 26–30 (Thurn)

Inhalt

Kapitel 52 thematisiert das Erscheinen eines Kometen, der 20 Tage lang sichtbar ist und von unheilvollen Ereignissen begleitet wird.

Philologisch-Historischer Kommentar
Parallelüberlieferung
Literatur

1 (26)
Ἐπὶ δὲ τῆς αὐτῆς βασιλείας ἐφάνη ἀστὴρ μέγας καὶ φοβερὸς κατὰ
 
τὸ δυσικὸν μέρος, <κομήτης> πέμπων ἐπὶ τὰ ἄνω ἀκτῖνα λευκήν, ὁ δὲ
 
χαρακτὴρ αὐτοῦ ἀστραπὰς ἀπέπεμπεν· ὃν ἔλεγόν τινες εἶναι λαμπαδίαν.
 
ἔμεινεν δὲ ἐπὶ ἡμέρας εἴκοσι ἐκλάμπων, καὶ ἐγένοντο ἀνυδρίαι καὶ κατὰ
5 (30)
πόλιν δημοτικοὶ φόνοι καὶ ἄλλα πολλὰ ἀπειλῆς πεπληρωμένα.
Philologisch-Historischer Kommentar
1/1 Ἐπὶ δὲ τῆς αὐτῆς βασιλείας: Die chronologische Einordnung des Ereignisses durch Malalas in das Jahr 530 n. Chr. wird durch Theophanes (Theoph. 181,14) präzisiert, der als Monat den September angibt. Diese Angabe korrespondiert gut mit Malalas' Datierung der unmittelbar folgenden Ereignisse (XVIII 53) auf Ende September. Der Komet selbst ist offensichtlich nicht nur in der griechisch-römischen Welt beobachtet worden: Chinesische Quellen verzeichnen die Sichtung eines Kometen für den 29. August bis 27. September desselben Jahres, bei dem es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um denselben Himmelskörper handelt. Auf Basis der vergleichsweis präzisen chinesischen Flugbahn-Beschreibungen kann das Objekt mit dem Halley'schen Kometen identifiziert werden: Yeomans 1991, 378; Kronk 1999, 86f.; vgl. auch schon Gundel 1921, 1192 sowie Meier 2004a, 661 mit Anm. 43.

In der Parallelüberlieferung, namentlich in der durch die Chronik von Zuqnīn indirekt wiedergegebenen Kirchengeschichte (Historia Ecclesiastica) des Johannes von Ephesos, ist der Komet offenbar zeitlich verschoben worden: Eine Sternen- bzw. Kometenerscheinung, die in Struktur und Inhalt eng verwandt ist, findet sich hier für das Jahr 542/43 n. Chr. (Übersetzung bei Harrak 1999, 93 [= Ps. Dion. 73]; vgl. auch den philolog. Kommentar ad Z. 1). Die entsprechende Passage ist jedoch inmitten einer längeren Serie von auch bei Malalas erwähnten Ereignissen platziert, die bei diesem fast alle deutlich früher datieren: So wird etwa das "sechste" Erdbeben in Antiochia in Malal. XVIII 27 auf 528 datiert, während es in der Chronik von Zuqnīn (Harrak 1999, 88 = Ps. Dion. 67) im Jahr 539/40 n. Chr. erscheint. Offenbar ohne Weiteres aus der Vorlage übernommen wurde dabei der Zusatz, das Beben habe sich zwei Jahre nach dem "fünften" antiochenischen Beben ereignet. Im Text der Chronik mutet das wie eine Fehlinformation an, wird dieses Ereignis hier doch – diesmal in Übereinstimmung mit Malalas – für 525/526 n. Chr. vermerkt (Harrak 1999, 70 = Ps. Dion. 44).

Die Formulierung ἐπὶ δὲ τῆς αὐτῆς (oder αὐτοῦ: Vgl. den philolog. Kommentar ad Z. 1) βασιλείας weicht vom stereotypen ἐν αὐτῷ δὲ τῷ χρόνῳ vieler vorangegangener und nachfolgender Abschnitte ab. Auch wenn die Formulierung der Floskel in der vorliegenden Form für Malalas singulär ist (vgl. den philolog. Kommentar ad Z. 1), fällt sie keineswegs völlig aus dem üblichen Rahmen. So werden etwa in der ersten Hälfte des 17. Buches gleich neun Sinnabschnitte nacheinander (XVII 1–9) mit auf den Kaiser verweisenden Formulierungen eröffnet. Darunter fällt auch eine Passage über einen früheren Kometen, die in Aufbau und Formulierung dem hiesigen Abschnitt insgesamt stark ähnelt (XVII 4; vgl. den histor. Kommentar ad Z. 1,7). Im 18. Buch begegnen vergleichbare Eröffnungsfloskeln insgesamt seltener (Kap. XVIII 7; XVIII 10; XVIII 21); die hiesige Passage stellt gleichzeitig die letzte dar, die direkt mit einem Verweis auf die "Regierung" (βασιλεία) des Kaisers beginnt. Eine einzelne spätere Passage beginnt jedoch mit der für Malalas ebenfalls vielfältig belegten Formel „Ὁ δὲ αὐτὸς βασιλεύς“ (XVIII 67). Die chronologische Einordnung unter die "Herrschaft desselben Kaisers" (anstatt einfach nur in die „selbe Zeit“) passt im Kontext der Kometenbeschreibung außerordentlich gut in das Bild der traditionellen interpretativen Verbindung von Himmelsereignissen mit der kaiserlichen Regierung.
1/1 Ἐπὶ δὲ τῆς αὐτῆς βασιλείας: Die zwei üblichen Formeln für Zeitangaben im Buch 18 der Malalas-Chronik sind ἐν δὲ τῷ αὐτῷ χρόνῳ ‚im selben Jahr‘ und – noch häufiger – ἐν αὐτῷ (δὲ) τῷ χρόνῳ ‚in jenem Jahr‘. Die hier gewählte Variante ἐπὶ τῆς αὐτῆς βασιλείας findet sich in genau dieser Form („unter derselben Regierung“, wie richtig übersetzt von Thurn/Meier 2009, 473; leicht ungenau hingegen die Übersetzung „during this reign“ von Jeffreys/Jeffreys/Scott 1986, 266) sonst nirgendwo in der Chronik. Relativ häufig begegnet hingegen die ähnliche Formulierung ἐπὶ δὲ τῆς αὐτοῦ βασιλείας „unter der Regierung von ihm (Kaiser so-und-so)“, vgl. z.B. Malal. XIV 42 Z.1; XVI 4 Z. 1; XVII 7 Z. 1. Mit Blick auf die Einheitlichkeit und auf den Usus Scribendi des Autors könnte man hier sogar die Möglichkeit einer Korrektur in Erwägung bringen und das überlieferte Femininum αὐτῆς (bezogen auf die Regierung) durch αὐτοῦ (bezogen auf den Regenten, Justinian) ersetzen; vgl. auch den Anfang der Parallelstelle bei Zonaras (III 152,18 Büttner-Wobst) κατὰ δὲ τὸ πέμπτον ἔτος τῆς βασιλείας αὐτοῦ. αὐτῆς wäre nach dieser Hypothese also an dieser Stelle ein bloßer Kopistenfehler, entstanden unter dem Einfluss der zwei angrenzenden Genitive τῆς und βασιλείας.

Einige interessante, wenn auch inhaltlich nicht sehr substantielle Zusätze zu dieser Kometen-Episode bietet die Historia Ecclesiastica des Johannes von Asien (geb. in der Nähe von Amida ca. 507 – gest. 588), besser bekannt als Johannes von Ephesos (aus dem Namen des von ihm wohl ab 558 besetzten Bischofssitzes; zu Leben und Werk dieses wichtigen Vertreters des syrischen Monophysitismus siehe Honigmann 1951, 207–215; vanGinkel 1995, insb. 25–101; AshbrookHarvey/Brakmann 1998). Diese Zusätze fehlen sowohl in der Malalas-Handschrift O als auch in der griechischen Parallelüberlieferung. In der klassischen lateinischen Übersetzung von Johannes von Ephesos’ Historia Ecclesiatica durch vanDouwen/Land 1889, 227 Z. 17–24 lautet die fragliche Stelle wie folgt:
Eodem anno tempore vespertino ab occidente apparuit stella magna et horribilis, hastae igneae similis, quae magnum fulgur sursum emittebat; ex hoc, quod et ipsum valde splendebat, exibant parvii radii ignei; quare omnes spectatores pavor cepit. Graeci eam cometen vocant. Eundem in modum per viginti dies orta est oculisque mortalium se obtulit. Postea multi post illum portentum futura expectantes multa viderunt bella, terrorem evagatum, sitim, pluviae inopiam atque series devastationum in urbibus factarum, quibus malis definiendis atque ita ut undique relata sunt commemorandis haud sufficimus.

Der von vanDouwen/Land 1889 übersetzte Text ist in einem syrischen Kodex des British Museums erhalten, der Fragmente aus dem historischen Werk des Johannes von Ephesos – direkt oder indirekt – überliefert: Es handelt sich um Ms. Add. 14650, Katalogeintrag bei Wright 1872, 1103–1107, dort nr. 19 S. 1106–1107 „Extracts from the Ecclesiastical History of John of Asia“ mit Inhaltsübersicht; diese Johannes-Sektion des Londoner Kodex’ wurde zuerst von Land 1868 herausgegeben, die Kometen-Stelle ist dort auf S. 303,24–304,8 abgedruckt. Dieselbe Kometen-Episode ist auch über einen anderen syrischen Überlieferungsstrang auf uns gekommen, und zwar innerhalb der Chronik von Zuqnīn (8. Jh. n.Chr.; auch bekannt als Chronik des Pseudo-Dionysius von Tell-Maḥrē), die ihre dritte Sektion (über die Zeiten von ca. 449 bis ca. 571 n.Chr.) im Wesentlichen aus dem zweiten Buch der Historia Ecclesiatica des Johannes von Ephesos schöpfte. Die Chronik von Zuqnīn datiert diesen Kometen allerdings auf das Jahr 542–543 n.Chr.: siehe dazu den historischen Kommentar XVIII 52, 1. Im Zusammenhang mit der Chronik von Zuqnīn ist die Johannes-Stelle über den Kometen auch ins Englische übersetzt worden (durch Witakowski 1996, 73 und Harrak 1999, 93: reproduziert ist hier die jüngere Version):
Now in this same year, a star in the likeness of a lance was seen. A large and dreadful star in the likeness of a fiery lance was seen in the evening in the western region, while a great beam [of light] was emanating from it upward. It was shining and small rays of light were coming out of it in such a way that fear gripped all those who looked at it. The Greeks called it kometes (comet). And thus it would ascend and be visible for about twenty days. Afterwards, when many people had observed what had taken place after that sign, they witnessed numerous wars, dry wind, drought, lack of rain and aggression in cities. We are unable to write about the record of all the evils coming from all sides.

Zur komplizierten Überlieferungslage der historischen Schrift des Johannes von Ephesos, ihrem Verhältnis zur Chronik von Zuqnīn und ihrem Wert als Zeugnis für die Malalas-Chronik [vgl. dazu auch gleich unten] siehe nach der Pionierstudie von Nau 1897 die Angaben von Jeffreys/Jeffreys/Scott 1986, xxxv [unter „JE“] und xxxviii [unter „PsD“] sowie ferner Brock 1979, 5–6; Jeffreys 1990f, 249; Witakowski 1990, 305–306; Witakowski 1987, insb. 34–36, 132–134; Witakowski 1991; vanGinkel 1995, insb. 54–62; AshbrookHarvey/Brakmann 1998, 555–556; Harrak 1999, 18–19, 21–22, 28.
In dem Londoner Fragment der syrischen Chronik ist die Kometen-Episode Teil einer Reihe von insgesamt acht Ereignissen, die sich alle auch in der Malalas-Chronik wiederfinden: Über die Kometen-Stelle hinaus weist das syrische Fragment Entsprechungen auch mit Malal. XVII 4 (Erscheinung eines anderen Kometen, unter Justin); XVII 14 (Brand in Antiochia, 525 n.Chr.); XVII 16 (fünftes Erdbeben in Antiochia, 526 n.Chr.); XVIII 19 (Erdbeben in Pompeioupolis, unbestimmten Datums); XVIII 27 (sechstes Erdbeben in Antiochia, 528 n.Chr.); XVIII 28 (Erdbeben in Laodikeia, 528 n.Chr.); XVIII 93 (Erdbeben in Kyzikos, 543 n.Chr.) auf. All diese Ereignisse werden auch in der Chronik von Zuqnīn berücksichtigt, dort allerdings in ein breiteres Narrativ eingeflochten und mit anderem Material ‚vermischt‘. Eine anschauliche Zusammenstellung der acht fraglichen Textabschnitte – der syrischen in der lateinischen Übersetzung von vanDouwen/Land 1889 und der griechischen aus Malalas – bietet Brooks 1892, 292–297. Aus dieser Zusammenstellung ergibt sich ohne Zweifel, wie Brooks 1892, 297 selbst bereits geschlussfolgert hatte, dass Johannes von Ephesos für diese Stellen die Chronik des Malalas als Quelle benutzte; der ‚Johannes von Antiochia‘, den er einmal (für eine Begebenheit im Rahmen des Berichtes über das Antiochia-Beben im Jahr 526 n.Chr.) als seinen Gewährsmann namentlich nennt, kann also nur Johannes Malalas sein (und nicht z.B. der heute geläufig unter jenem Namen bekannte, etwas spätere Historiker): siehe Brooks 1892, 292, 297–301; Witakowski 1990, 305–306 – Dadurch ist übrigens ein wichtiger terminus ante quem für die Abfassung des Werkes des Johannes Malalas gewonnen, das seinem Namensvetter aus Amida also bereits in den 80er Jahren des 6. Jh. in vollem Umfang vorlag: siehe dazu Brooks 1892, 291–292, 301; Witakowski 1987, 134; Jeffreys 1990f, 249; Debié 2004, 150, 155. Wichtig für die Analyse von Malal. XVIII 52 ist es, zu entscheiden, ob die oben unterstrichenen zusätzlichen Details aus der syrischen Historia Ecclesiatica für die Rekonstruktion des Ur-Malalas beansprucht werden können. Das ist keine leichte Entscheidung: Im Allgemeinen kann man sagen, dass der syrische Bischof sich auf der Ereignisebene an die Grundlinie der Malalas-Chronik hält, stilistisch-formal aber von einem blumigen Erzählduktus Gebrauch macht, der für weiterführende, selbständige Be- und Ausarbeitungen der Vorlage sprechen könnte. Die Forschung ist in dieser Hinsicht – d.h. bezüglich der Benutzbarkeit der Historia Ecclesiatica für die Rekonstruktion des Malalas-Urtextes – mal mehr (so z.B. Brooks 1892, 292–293), mal weniger (so z.B. Jeffreys/Jeffreys/Scott 1986, xxxv; Debié 2004, 150, 160–164) optimistisch gewesen. Jede Stelle muss für sich genommen sorgfältig analysiert werden, wie es Debié 2004, 160–164 für einige ausgewählte Passagen (unter welche die vorliegende Kometen-Episode nicht fällt) exemplarisch getan hat. Bezüglich der vorliegenden Stelle könnte die Abwesenheit der in der syrischen Chronik bezeugten Zusatzdetails in der griechischen Parallelüberlieferung ein relevantes und zur Vorsicht mahnendes Argument sein: Da beide Traditionsstränge aus einer im Vergleich zu O ausführlicheren Malalas-Fassung stammen, hätten Übereinstimmungen in puncto Zusatzdetails dezidiert für deren Herkunft eben aus dieser längeren Malalas-Version gesprochen. Beim Fehlen solcher Übereinstimmungen bleibt diese Hypothese hingegen unbeweisbar. Andererseits entspräche der für diesen Kometen bei Johannes von Ephesos bewahrte Hinweis auf die ängstliche Reaktion der Menschen („omnes spectatores pavor cepit“) gut Malalas’ üblichen Darstellungsmodi und -intentionen: Die ‚interne‘ Parallelstelle über den Kometen des Jahres 520 n.Chr. (Malal. XVII 4) schließt eben mit der expliziten Bemerkung, dass die Menschen infolge dieser Erscheinung ἐφοβοῦντο (so lautet bereits der Text von O; identisch Theoph. 166,8 de Boor). Eine vergleichbare Aussage wäre in einer vollständig(er)en Fassung von XVIII 52 nicht fehl am Platz, ja vielleicht sogar zu erwarten. Zur nicht zuletzt ‚läuternden‘ Funktion von φόβος in der Chronik des Malalas für das Zeitalter Justinians siehe Meier 2004a, 344–345 ausgehend von XVII 4, und vor allem Meier 2007d, 578–583; siehe dazu auch den historischen Kommentar XVIII 52, 1.
1/7 ἀστὴρ μέγας: Aufsehenerregende Himmelserscheinungen begegnen bei Malalas häufiger, insbes. aber in den Büchern XVII und XVIII (XVII 4, 2). Jeffreys 1990a, 213 sieht das Hinzutreten von "other portents, such as comets and shooting stars" zu den in der Chronik omnipräsenten Erdbeben als besonders charakteristisch für die zweite Hälfte von Buch 18 an, was sich zumindest alleine aus der Verteilung der Kometen und Sterne nicht bestätigen lässt (XVII 4, XVIII 52, 75 und 122).

In ihrer Gestaltung weist diese Passage eine auffällige Ähnlichkeit zur Kometenbeschreibung in Kapitel XVII 4 auf, die in den angegebenen Eigenschaften der Himmelserscheinung divergiert, in Aufbau und Formulierung aber so deutliche Parallelen aufweist, dass man an eine direkte Abhängigkeit denken muss (mit Diskussion möglicher Konsequenzen solcher Passagen für die Frage nach Entstehung und Tradierung des Werkes XVII 4, 2). Interessant ist diese Beobachtung auch für die von Rüger 1895 vorgebrachte, in Varianten aber auch anderswo begegnende (Gelzer 1880, 129f.; Gleye 1896, 426; Stein 1949, 703) Hypothese, dass es sich beim gesamten Buch XVIII der Chronographia um eine anonyme Fortsetzung handelt. Rüger argumentiert mit sprachlichen Unterschieden (u.a. in der Präpositionsverwendung: Vgl. Rüger 1895, 10–14). Die besonders auffällige Ähnlichkeit der beiden Kometen-Passagen könnte man als Indiz gegen diese These sehen; umgekehrt könnte man die "Kopie" aber auch als Hinweis für eine gezielte Imitation im Stil verstehen. Kontext und Inhalt wiederum könnten aber auch daran denken lassen, dass es sich um eine konzeptionelle Parallelisierung handelt.

Für den Kometen in XVII 4 hat M. Meier plausibel gemacht, dass das Ereignis chronologisch gezielt an den Beginn der Regierungszeit Justins verschoben worden ist, was entsprechend des verbreiteten ominösen Verständnisses von Kometen zur besonderen Markierung dieser Zeitspanne gedient haben muss: XVII 4, 2. Dass auch der in XVIII 52 beschriebene Komet des Jahres 530 n. Chr. (der in der Forschung in diesem Zusammenhang noch nicht diskutiert worden ist) bei Malalas als ein schreckenerregendes Ereignis erscheint, bedarf angesichts der expliziten Schilderung furchtbarer Folgen keiner näheren Diskussion. Auffällig ist in diesem Fall, dass die chronologische Platzierung durch die chinesische Parallelüberlieferung präzise bestätigt wird (XVIII 52, 1), der Komet also durch den Autor nicht chronologisch verschoben wurde. Sein Auftreten fällt dadurch mitten in das 18. Buch, wo es zunächst einmal nur eines von zahlreichen unheilvollen Ereignissen darstellt. Die direkte sprachliche Parallelisierung zu dem früheren, prominent hervorgehobenen Kometen verleiht der Beschreibung jedoch ein besonderes Gewicht. Als "Zwilling" des ersten Himmelskörpers, der in ganz ähnlicher Weise wie dieser auf die Regierungszeit des Kaisers bezogen wird (in einer im Kontext des 18. Buches eher seltenen Floskel: s.o. ad Z.1,1) und diesem ansonsten scheinbar spiegelbildlich gegenübergestellt wird, ist dieser Komet womöglich weniger als Vorzeichen eines konkreten, im Narrativ nachfolgenden Ereignisses zu verstehen, sondern vielmehr als Verweis auf die ganz allgemeine Atmosphäre der Furcht in der Regierungszeit Justinians. Die Schilderung der durch den Kometen ausgelösten Folgen spricht angesichts ihres topischen Charakters nicht gegen eine solche Interpretation: XVIII 52, 4f.).

Die zeichenhafte Ausdeutung des Ereignisses wiederholt sich auch in den aus Malalas schöpfenden Chroniken, wie insbesondere die jeweils variierenden Platzierungen der Passage über den Kometen nahelegen. Bei Theophanes (Theoph. 181,14–18) begegnet das Ereignis als eine von zwei im Jahr 530/31 n. Chr. angesiedelten Begebenheiten: Das Erscheinen des Kometen wird dabei unmittelbar einem angeblichen Friedensschluss vorangestellt (der damals allerdings nicht zustande kam, sondern erst zwei Jahre später verwirklicht wurde, vgl. Malal. XVIII 53/54 und XVIII 76; Mango/Scott 1997, 276 Anm. 5). Das folgende Jahr 531/532 n.Chr. ist dort bereits dem Nika-Aufstand gewidmet, der bei Malalas hingegen erst in Kapitel XVIII 71 folgt; Dazwischenliegendes hat Theophanes in einigen Fällen umdatiert (XVIII 54, 56 und 57), in der Mehrzahl ganz ausgelassen. Der "Stern" erscheint damit also als eine Art Vorbote des segensreichen Friedensschlusses. Ganz anders sieht die Kontextualisierung bei Georgios Monachos (Georg. Mon. 643,10–14) aus: Hier begegnet der Komet als Teil einer Serie von Unglücksfällen und bedeutungsschwangeren Ereignissen (641,1–644,12, vgl. den histor. Kommentar ad XVIII 51, Z. 1), die offensichtlich aus Theophanes kompiliert wurden, dort aber unterschiedlich datieren. Hier haben wir es offenbar mit einer klassischen "katastrophalen" Deutung eines Kometen zu tun. Bei Zonaras wiederum wird das Ereignis zwar mit einer korrekten Datierung auf das fünfte Regierungsjahr Justinians versehen, rückt aber aufgrund vorheriger Auslassungen gleich in einen der frühesten Abschnitte der Justinian-Darstellung; Zonaras scheint damit – ähnlich Malalas? – eine Verknüpfung mit der kaiserlichen Regierung nahelegen zu wollen. Das Kontakion (Hymnos) des Romanos Melodos (Rom. Mel. 54,13 p. 467 Maas/Trypanis), das von Meier 2004a, 661, Anm. 43 als Parallelstelle herangezogen wird, bezieht sich nicht auf den Kometen selbst, sondern auf seine bei Malalas geschilderten Folgen, namentlich eine Dürre. In der entsprechenden Stelle der Historia Ecclesiastica des Johannes von Ephesos schließlich, die gegenüber Malalas einige Zusatzdetails bietet (Harrak 1999, 93 = Ps. Dion. 73; für die lateinische und englische Übersetzung des syrischen Textes sowie eine Diskussion der Verwertbarkeit dieser Chronik zur Rekonstruktion des "Ur-Malalas" XVIII 52, 1), fällt der Komet abermals in eine Reihe von (ursprünglich aus Malalas stammenden) Unglücksfällen. Die noch stärkere Betonung des Furcht-Aspektes und der schrecklichen Folgen des Kometen bezeugt auch hier eine zeichen- bzw. katastrophenhafte Auslegung. (Jonas Borsch)
1/10 φοβερός: Die besondere Rolle der Furcht (φόβος) in der Malalas-Chronik thematisiert bereits Scott 1985, 103f. Nach Meier 2004a, 344f. und Meier 2007d, 577–583 konstituiert φόβος ein zentrales Element der Justin- und insbesondere Justinian-Darstellung bei Malalas. Justinians Zeitalter ist demnach für Malalas ein "Zeitalter der Angst" (Meier 2004a, 345): Gott verbreitet Furcht unter den Menschen, indem er Katastrophen entsendet; der Kaiser selbst wiederum tut es ihm nach, etwa durch den Erlass von Edikten, die Verfolgung Homosexueller oder das Niederschlagen von Aufständen (vgl. Malal. XVII 18; XVIII 18; XVIII 71; XVIII 119); er imitiert also Gottes Eingriffe. Gleichermaßen wie Naturkatastrophen als Auslöser von "kathartische[n] Effekte[n]" (Meier 2007d, 581) verstanden werden können, kommt dabei dem furchterregenden Handeln des Kaisers in der durch die Chronik vertretenen Interpretation offenbar eine heilsame Wirkung zu: "Malalas quite obviously sees a reign of terror as proper and right" (Scott 1985, 103). Nach Scott steht Malalas damit im Gegensatz zu Prokop, der die gleiche Diagnose stellt – allgemeine Angst –, sie dem Kaiser aber negativ auslegt. Die Interpretation des Malalas ist insofern neuartig, als sie sie den "Faktor Angst", letztlich in Anlehnung an zeitgenössisch verbreitete Gedanken einer kathartischen Wirkung von kollektivem Unglückserleben, als "Element" auffasst, "das einer krisengeschüttelten Gesellschaft Kohärenz und Halt zu verleihen vermag" (Meier 2007d, 582). Einem solchen Verständnis gemäß verwiese die Schilderung eines Schrecken hervorrufenden Himmelszeichens nicht vordergründig auf zeitgenössisches Krisenempfinden und Endzeiterwartungen, sondern auch und vor allem – und zwar als Antwort auf solche zukunftsskeptischen Deutungen – auf die mächtige und ordnende Präsenz Gottes. (Jonas Borsch)
1f./11 κατὰ τὸ δυσικὸν μέρος: „in dem westlichen Teil“ (des Himmels); für κατά + Akkusativ in der Malalas-Chronik als Ausdruck einer Himmelsrichtung siehe Rüger 1895, 38 κατὰ Β, der u.a. XVII 16 Z. 95 κατὰ τὸ ἀρκτῷον μέρος „im Nordteil“ anführt. Das griechische Wort für den Untergang von Sonne und anderen Sternen und – übertragen – auch für die Region (eben den Westen), wo dies aus der Perspektive der beobachtenden Menschen geschieht, ist δύσις, ein transparentes Nomen actionis aus δύω ‚untergehen‘ und dem im Griechischen sehr produktiven Suffix -σις. Das entsprechende Adjektiv, ‚westlich‘, lautet δυτικός, die ersten literarischen Belege dafür finden sich im späten 4./frühen 3. Jh. v.Chr., vgl. z.B. Euc. Phaen. 1,5; 3,8; 4,13. Für ‚westlich‘ existiert auch die alternative Form δυσμικός, besonders beliebt bei Strabon (vgl. Strab. 2,1,32 u. 34; 2,1,40 usw.; siehe ferner die Anmerkung von Radt 2006, 307 zu Strab. 3,1,4 τοῦτο δέ ἐστι τὸ δυτικώτατον – die Stelle wäre die einzige Okkurrenz von δυτικός bei dem Geographen); sie ist abgeleitet aus dem Substantiv δυσμή, einem weniger verbreiteten aber bereits alten Synonym von δύσις (vgl. Hdt. 3,104; Soph. O.C. 1245 ἀελίου δυσμᾶν). Die Lesart der Malalas-Handschrift O δυσικόν entspricht weder der einen noch der anderen möglichen Adjektiv-Form aus δύσις und ist – zumindest nach den Maßstäben des klassischen Griechisch – verdächtig: δυσικός ist vor der spätbyzantinischen Zeit (etwa bei Georgios Pachymeres, † 1310) extrem spärlich belegt, einmal handschriftlich in der sοg. Rezension γ des griechischen Alexanderromans (35,18 Parthe: ἐτελεύτησε [scil. Alexander der Große] δὲ μηνὶ Ἀπριλλίῳ νεομηνίᾳ δυσικοῦ ὄντος ἡλίου) und einmal auf Papyrus in Pap. Lond. 1,98,51, aus dem 2. Jh. n.Chr. (δυσικον [εν αιγοκερωι] μοιρων; bei diesem Text handelt sich um ein Horoskop). Bereits Chilmead 1691, II, 190 Anm. 1 hatte δυσικόν von O in δυτικόν korrigiert, ihm war Dindorf 1831, 453 gefolgt. Thurn 2000, 382 hat hingegen die handschriftliche Lesart wieder in den Text gesetzt. Diese Entscheidung vermag nicht zu überzeugen, erstens weil der einzige weitere Beleg für ein Adjektiv aus δύσις in der Malalas-Chronik δυτικός lautet (Malal. I 14 Z. 63 ἐν τοῖς ἑσπερίοις μέρεσιν τουτέστιν ἐν τοῖς δυτικοῖς, allerdings nicht direkt aus O, sondern aus den verschiedenen Textträgern von Buch I), zweitens weil δυσικόν sich sehr leicht als Kopistenfehler erklären lässt: Der Schreiber von O übertrug die zu seiner Zeit geläufige oder jedenfalls mögliche Variante δυσικός auf den von ihm kopierten Text, der δυτικός hatte. Eine Änderung der überlieferten Lesart in δυσμικός wäre eventuell auch denkbar (vgl. Malal. XVIII 122 Z. 52 ἀπὸ τῶν ἀνατολικῶν μερῶν ἐκτεταμένον ἕως δυσμῶν). Die Standardform δυτικός bleibt jedoch wahrscheinlicher; sie ist auch in den Parallelstellen aus Theophanes (181,15 de Boor εἰς τὸ δυτικὸν μέρος) und Georgios Monachos (643,11 de Boor) belegt.
2/4 <κομήτης>: Die Spezifizierung, dass der Wunderstern ein Komet war, fehlt in O; sie ist vorhanden in Theophanes (181,15 de Boor) und Georgios Monachos (643,11 de Boor), und von dort ist sie von Thurn 2000, 382 in den Haupttext der Malalas-Chronik aufgenommen worden. Da die engste interne Parallelstelle zu einem ähnlichen Phänomen, Malal. XVII 4, ebenfalls sowohl ἀστήρ als auch κομήτης bietet, ist Thurns Entscheidung gut nachvollziehbar und wahrscheinlich richtig. Die syrische Parallelüberlieferung, die Chronik des Johannes von Ephesos (siehe dazu ausführlich unten), bewahrt das Wort ebenfalls: Graeci eam cometem vocant (nach der lateinischen Übersetzung von vanDouwen/Land 1889, 227 Z. 20). κομήτης wäre also in O infolge entweder eines bloßen Fehlers oder einer bewussten Kürzung ausgelassen worden.
2/6 ἐπὶ τὰ ἄνω: Die Handschrift O überliefert nach ἐπί den Akk. Sg. Fem. des bestimmten Artikels τήν. Die von Thurn 2000, 382 bevorzugte Lesart τά kommt aus der Parallelüberlieferung (Theoph. 181,15 de Boor; Georg. Mon. 643,11 de Boor; Cedr. 647,9 Bekker [der Verweis auf die Kedrenos-Parallelstelle, 647,8–10, ist in Thurns erstem Apparat irrtümlich auf Kap. 53 verrutscht]). Diese letzte Form ist in der Tat die richtige, wie v.a. die im Wortlaut sehr ähnliche Stelle in XVII 4 zeigt: Dort wirft der ominöse Komet seinen Schweif ἐπὶ τὰ κάτω, ‚nach unten‘; vgl. auch Malal. XII 36 Z. 48 εἰς τὰ οπίσω ‚nach hinten‘. Die überlieferte Lesart τήν lässt sich also gut als einfacher Fehler erklären, der durch den doppelten Akkusativ Femininum ἀκτῖνα λευκήν bedingt ist. Rüger 1895, 23 zitiert all diese Stellen als Beispiele von Malalas’ Vorliebe für die Verbindung zwischen zwei Adverbien, nämlich eben in diesem Fall zwischen ἄνω bzw. κάτω bzw. ὀπίσω und τὰ (das ist zwar ursprünglich Artikel Neutr. Pl., aber wird hier adverbial benutzt; mitzudenken war ursprünglich vielleicht der Substantiv μέρη, ‚Regionen‘, ein sehr beliebtes Wort in der Chronik für lokale Angaben). Für die Präposition ἐπί als Richtungsangabe in der Chronik siehe die von Rüger 1895, 41 gesammelten Stellen; seine Behauptung, diese Verwendung der Präposition sei besonders häufig für „Himmelsgegenden“, lässt sich allerdings nicht halten, denn keine der von ihm genannten Stellen (z.B. Malal. II 7 Z. 46 ἐπὶ τὸ λίμιτον „an der Grenze“; II 8 Z. 68 ἐπὶ τὸ παράλιον μέρος τῆς Τύρου πόλεως „auf der Seeseite der Stadt Tyros“) bezieht sich auf himmlische Regionen.
2f./4 <κομήτης> πέμπων ἐπὶ τὰ ἄνω ἀκτῖνα λευκήν, ὁ δὲ χαρακτὴρ αὐτοῦ ἀστραπὰς ἀπέπεμπεν: In seiner Meteorologie deutet Aristoteles (Meteor. I 7) an, dass die Form eines Kometen etwas über seine möglichen Folgen aussagt: Demnach korrespondiert die Häufigkeit, Größe und Leuchtkraft von Kometenerscheinungen, die über ein Jahr hinweg beobachtet werden, mit dem jährlichen Aufkommen an Wind und Trockenheit. Ein verwandter Gedanke scheint auch den Ausführungen bei Prokop (BP II 4,1–3, vgl. dazu den histor. Kommentar ad Z. 1,7) zugrunde zu liegen, wo unmittelbar aufeinander folgend erst eine Debatte über die Form und Bezeichnung des Kometen von 539 und dann die Kontroverse über seine Interpretation geschildert werden. In solchen Vorstellungen könnte ein Grund dafür zu finden sein, dass Malalas an der hiesigen Stelle wie auch in allen anderen Beschreibungen zeitgenössisch beobachteter Himmelskörper (XVII 4; XVIII 75; XVIII 122) Wert darauf legt, Aussehen und/oder Dauer näher zu beschreiben.
3/9 λαμπαδίαν: Der Begriff des λαμπαδίας genoss in antiken meteorologischen Schriften als Bezeichnung für einen an eine Fackel erinnernden Kometen weite Verbreitung (vgl. Gundel 1921, 1176f.). Poseidonios (Fr. 335 Theiler = Diog. Laert. VII 152) führt κομήτας τε καὶ πωγωνίας καὶ λαμπαδίας nebeneinander an, sieht die letzteren beiden also als distinkte Phänomene an. Diese Trennung spielt bei Malalas ungeachtet der zunächst neutralen Bezeichnung des Himmelskörpers als ἀστήρ vermutlich keine Rolle, da zumindest die πωγωνία in XVII 4 unzweifelhaft als Komet spezifiziert wird.
4/6 ἐκλάμπων: Dies ist die Lesart von O; Theophanes (181,17 de Boor) und davon abhängig auch Kedrenos (647,10 Bekker) bieten das Simplex λάμπων bei sonst unverändertem Wortlaut; Georgios Monachos (643,12–13 de Boor) bietet zwar auch das Simplex φαίνων, formuliert aber diesen Satz generell anders (καὶ διαμείνας ἐπὶ ἡμέρας καὶ νύκτας κʹ φαίνων οὕτως). Die Entscheidung zwischen ἐκλάμπων und λάμπων fällt nicht leicht, denn beides ist grundsätzlich möglich: In der Malalas-Chronik ist sonst nur λάμπω bezeugt (vgl. z.B. in ähnlichen Kontexten für ‚himmlische‘ Gegenstände Malal. II 2 Z. 38 τὸν γὰρ λεγόμενον Κρόνον ἀστέρα ἐκάλουν τὸν λάμποντα und X 45 Z. 7 λαμπούσης τῆς σελήνης); in vorliegender Stelle könnte aber das Kompositum mit ἐκ- bewusst gewählt worden sein, um die Idee einer andauernden Erscheinung (der Komet blieb nach Malalas’ Angabe zwanzig Tage sichtbar) zum Ausdruck zu bringen, vgl. LSJ s.v. ἐκλάμπω ‚shine or beam forth‘.
4f./7 καὶ ἐγένοντο ἀνυδρίαι καὶ κατὰ πόλιν δημοτικοὶ φόνοι καὶ ἄλλα πολλὰ ἀπειλῆς πεπληρωμένα: Der Bericht endet mit einem Verweis auf das allgemeine Unheil, das mit dem Erscheinen des Kometen einhergegangen sei. Dabei wird der kausale Zusammenhang durch die direkte chronologische Folge eher evoziert als explizit gemacht. Die geschilderten Folgen sind aus der antiken Kometenliteratur jedoch gut bekannt (vgl. den Kommentar ad Z. 1,7). Auffällig ist, dass Malalas die "natürliche" Sekundärwirkung der Trockenheit ohne besondere Unterscheidung neben die gesellschaftlichen Angstreaktionen stellt. Die aus der (natur-)philosophischen Literatur abgeleiteten und die religiösen Vorstellungen werden hier also ohne Weiteres vermischt. Dass angesichts solcher Haltungen unter den Zeitgenossen eine scharfe Trennung von "Wissenschaft" und "Glaube" in diesem Kontext wenig sinnvoll ist, hat schon Gundel 1921, 1145–1150 gesehen, der Trockenheit und omen-Interpretation gleichermaßen zum "Volksglauben" zählt.

Die Parallelüberlieferung bietet gegenüber der im Baroccianus erhaltenen Passage für diese Stelle noch weitere Ergänzungen. Insbesondere Johannes von Ephesos in der Chronik von Zuqnīn (Harrak 1999, 93 = Ps. Dion. 67; vgl. den philolog. Kommentar ad Z. 1) hat eine deutlich andere und auch ausführlichere Version: So verweist der Text hier in die Zukunft, da die einzelnen Übel als eine Reihe von Beobachtungen präsentiert werden, die von vielen Menschen in der Zeit nach Erscheinen des Kometen getätigt worden seien. Dem entspricht auch der gleich an den Anfang gestellte Hinweis auf "numerous wars", die zweifelsohne nicht als punktuelle Ereignisse verstanden werden können. Während in den folgenden Zeilen vor allem kongruente Ergänzungen geboten werden, weicht das Ende der Passage wiederum in auffälliger Weise ab: Äquivalent zu den ἄλλα πολλὰ ἀπειλῆς πεπληρωμένα des Baroccianus wird hier auf die Unmöglichkeit rekurriert, alle geschehenen Übel zu beschreiben. Unabhängig davon, ob diese Zusatzinformationen einem "Ur-Malalas" entstammen oder frei erfunden sind, geben sie unmissverständlichen Aufschluss über die Interpretation des Kometen als Marker eines außergewöhnlichen Bedrohungsszenarios. Eine kleine Ergänzung bietet an dieser Stelle das ebenfalls bereits erwähnte Kontakion des Romanos Melodos (Rom. Mel. 54,13 p. 467 Maas/Trypanis): Der den Herausgebern zufolge auf 532 bis 537 n. Chr. zu datierende Hymnos (Maas/Trypanis 1963, xix) bezieht sich u.a. auf eine wohl als rezent zu verstehende Dürre. Gerade weil der Komet in dem Hymnos gar nicht thematisiert wird, kann man hierin vielleicht eine Bestätigung für die Historizität der bei Malalas erwähnten Trockenheit sehen.
5/2 δημοτικοὶ φόνοι: δημοτικός ist hier verwendet im Sinne von δημόσιος, 'dem Volk zugehörig, das Volk betreffend', wie oft in der Malalas-Chronik und gerade spezifisch für Kalamitäten: vgl. z.B. Malal. VII 2 Z. 26 ἡ δημοτικὴ ταραχή; Malal. X 20 Z. 53 δημοτικὴ ἀταξία μεγάλη; Malal. XVI 19 Z. 12 δημοτικὴ ἐπανάστασις; Malal. XVIII 108 συμβολὴ δημοτικὴ; siehe zu δημοτικός und anderen mit dem (sehr beliebten) Suffix -ικός gebildeten Adjektiven in der Chronik auch Wolf 1911, 76.

Die Parallelüberlieferung, bestehend aus Theophanes (181,17–18 de Boor) und Georgios Monachos (643,13–14 de Boor), bietet an dieser Stelle die abweichende Lesart κοσμικαὶ δημοκρατίαι καὶ φόνοι (nach φόνοι kommt bei Georgios Monachos noch πολλοί vor): "allgemeine Unruhen und (Massen-)Morde". Die Malalas-Chronik kennt zwar das Wort δημοκρατία (und seine Wurzelverwandten) in der charakteristisch byzantinischen Bedeutung 'Aufruhr' (wofür siehe GLRBP ss.vv. δημοκρατέω, δημοκρατία und die Ausführungen von Cameron 1976, 305–306), aber ausschließlich in Bezug auf Zirkus-Parteien: vgl. Malal. X 23 Z. 83 τῇ δημοκρατίᾳ τῶν Πρασίνων; XVII 12 Z. 43 κατὰ τῶν δημοκρατούντων Βενέτων und siehe für weitere Belege Festugière 1978, 224; Thurn 2000 485, im Index verborum ad res Byzantinas spectantium. Es gibt also keinen zwingenden Grund, die Variante δημοκρατίαι von der Theophanes-Tradition als die wahre Lesart des Ur-Malalas für diese Stelle zu bewerten: Das überlieferte Adjektiv δημοτικοί entspricht dem Usus der Chronik genauso gut. (Laura Carrara)
Parallelüberlieferung
Griechisch: Rom. Mel. 54,13 p. 467 Maas/Trypanis (?); Theoph. 181,14–18 de Boor; Georg. Mon. 643,10–14 de Boor; Cedr. 647,8–10 Bekker; Zon. III, 152,18–153,2 Pinder/Büttner-Wobst Syrisch: Ioann. Eph. 227,17-24 van Douwen/Land; Chronik von Zuqnīn = Ps. Dion. 73 Witakowski
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