Malalas 18.72 1–2 = 10–11 (Thurn)

Inhalt
1 (10)
Ἐν αὐτῷ δὲ τῷ χρόνῳ ἐξῆλθεν Ῥουφῖνος ἐν τοῖς Περσικοῖς μέρεσιν
 
μετὰ θείων ὑπομνηστικῶν τοῦ ποιῆσαι μετὰ Περσῶν πάκτα εἰρήνης.
Kapitel-Kommentar
Mal. 18.72
Das Kapitel behandelt die Entsendung des Rufinus nach Persien zwecks Aushandlung eines Friedensvertrages und markiert die Wiederaufnahme der Erzählung über den persischen Krieg nach der Unterbrechung durch das lange Kapitel über den Nika-Aufstand. Genauer gesagt handelt es sich um eine neue Episode der Verhandlungen, die zum „ewigen Frieden“ führen: XVIII 34. (Olivier Gengler mit Brendan Osswald)
Philologisch-Historischer Kommentar
1/1 Ἐν αὐτῷ δὲ τῷ χρόνῳ: Zu dieser Datierungsformel, der häufigsten in der Malalas–Chronik, s. die Einführung. Der Nika–Aufstand, über den unmittelbar davor berichtet worden war, ist in der Chronik in die 10. Indiktion (Sept. 531–Aug. 532) eingeordnet; er fand im Jan. 532 statt (XVIII 71, 1). Laut Procop. Pers. I 22,1 wurden Botschafter gleich (αὐτίκα) nach dem Feldzug der Sabirischen Hunnen, der im Dez. 531 zu datieren ist (XVIII 70, 1), nach Persien entsandt. Vgl. Greatrex 1998 213 u. Anm. 1. Zur Chronologie, s. auch hier unten.
1/6 ἐξῆλθεν: ἐξ als Präverb soll möglicherweise den Gedanken zum Ausdruck bringen, dass Rufinus von einem bestimmten, zentralen Ort (i.e. Konstantinopel) nach Persien ausgesandt wurde.
1/7 Ῥουφῖνος: Zu Rufinus (PLRE II (Rufinus 13), 954–957), XVIII 50, 2. Procop. Pers. I 22,1 nennt als Gesandte, die Anfang 532 mit Chosroes den Frieden aushandeln sollten, Rufinus, Alexandros, Thomas und Hermogenes. Rufinus scheint jedoch der wichtigste Unterhändler gewesen zu sein (vgl. neben Prokop Ps.-Zach. IX 7 [99–100]), der im Verlauf der Verhandlung noch einmal nach Konstantinopel zurückkehrte, um die Zustimmung des Kaisers zu den Bedingungen des verhandelten Friedensvertrags zu bekommen (Procop. Pers. I 22,7–9). Wahrscheinlich ist genau diese Etappe der Verhandlung hier geschildert. Laut Prokop hatte Rufinus siebzig Tage bekommen, um Justinians Zustimmung einzuholen. Es ist sonst ebenfalls zu bemerken, dass in der Chron. Edess. 104 und in der Inschrift von Hierapolis (Roussel 1939 367 I = Yon/Gatier 2009 Nr. 14a Z. 11–12), die allerdings unvollständig ist (vgl. Roussel 1939 370), nur Rufinus als Friedensstifter genannt wird. Vgl. auch XVIII 76, 1f..
1/8 ἐν τοῖς Περσικοῖς μέρεσιν: Zum Ausdruck, XVIII 50, 2. Zur Verwendung eines Ortskomplements mit ἐν+Dat. wenn klassisch korrekt eine Richtungsangabe mit εἰς + Akk. nötig wäre, XVIII 43, 2f..
2/1 μετὰ θείων ὑπομνηστικῶν: „Kaiserliche (lit.: göttliche) commonitoria“ d.h. „Memoranda, Anweisungen“. Das Wort ὑπομνηστικά, Pl. des substantivierten Neutr. vom Adj. ὑπομνηστικός, kommt in der Chronik nur hier vor, ist aber in der Amtssprache der Papyri ausreichend belegt: Vgl. z.B. P.Petra 3,29 (582–592?) 154–157 (... ἢ θεί[ων]| βέρβων ἢ̣ θε]ί̣[ας] ἀ̣δ̣νωτατίον[ο]ς̣ ἢ̣ σάκρας ἢ δι̣ὰ̣ θ[είου]| ὑπομνηστικοῦ ἢ θείου πραγματικο[ῦ τύ]που̣ ἢ μεγί̣[σ]τ̣η̣[ς]| προστάξεως ἢ ἑτέρας οἱασδήποτ̣[ε δ]ί̣κης̣) mit dem Komm. ad loc. S. 121–122. Thurns Glosse zu ὑπομνηστικά „litterae imperatoris“ (Thurn 2000 494) ist ungenau, da die ὑπομνηστικά einerseits mehr als einfache Briefe und sicherlich verbindlich waren (wie das κομμονιτώριον: Suda Κ 2008), was die Verwendung eines finalen Infinitivs hier vermuten lässt (s. unten), und andererseits nicht unbedingt vom Kaiser kamen (vgl. etwa das κομμονιτώριον des Praeses von Thebais P.Cair. Masp. 3,67282 [6. Jh.]). Hier deutet das Adj. θεῖος auf die kaiserliche Herkunft der Anweisung hin. Wie im gerade zitierten Papyrus P.Petra 3,29 wird das Adj. θεῖος in der Chronik regelmäßig in Verbindung mit einem spezifischen Subst. zur Bezeichnung von kaiserlichen Beschlüssen verwendet: θεία διάταξις (XII 36,30; 38,19; XIV 34,2), θεία πρόσταξις (XVIII 18,5), θείας προστάξεις (XII 33,8; XVIII 78,2), θεία κέλευσις (VII 13,4; X 27,3; XII 7,1; 30,7), θείας κελεύσεις (X 27,19; XII 3,9; XV 13,46; XVIII 56,5), θεῖος τύπος (XI 26,6; XIII 4,5; 8,17; XVI 6,16; 14,6; XVIII 11,1; 42,7), θεῖος νόμος (XIV 39,2). Diese Ausdrücke gehören zur juristischen Sprache des römischen Reiches; vgl. z.B. Nov. VII 10 (535): τῷδε τῷ θείῳ ἡμῶν νόμῳ, Nov. XXX Epilog (536): διὰ τοῦδε τοῦ θείου νόμου, Nov. CXXVIII 17 (545): εἰ πραγματικὸν ἢ ἄλλον τύπον ἢ θεῖον κομμονιτόριον. Zum seltsameren θείας σάκρας (XV 13,46; XVI 7,2; 14,7; XVII 18,9; XVIII 10,7; 30,10) XVIII 30, 10f.

Die Anweisungen von Justinian, worüber es hier geht, sind möglicherweise mit der Zustimmung über die Vertragsbedingungen, die Rufinus im Laufe der Verhandlung in Konstantinopel holen kam, zu identifizieren. Vgl. Procop. Pers. I 22,8: ἐπεὶ δὲ ὁ Ῥουφῖνος ἐς Βυζάντιον ἀφικόμενος βασιλεῖ ἀπήγγελλεν, ὅσα Χοσρόῃ ἀμφὶ τῇ εἰρήνῃ δοκοῦντα εἴη, *ἐκέλευσε* βασιλεὺς κατὰ ταῦτα σφίσι τὴν εἰρήνην ξυνίστασθαι. Kurz danach habe Justinian, laut Procop. Pers. I 22,11, seine Meinung geändert und seinen Gesandten einen Brief mit anderen Anweisungen zukommen lassen: das Verbot, die Festungen in Lazika den Persern zu überlassen, was Rufinus in große Schwierigkeiten brachte (Procop. I 22,11–15; s. dazu Greatrex 1998 213–214). Die Malalas-Chronik stellt offensichtlich die Details der Verhandlung nicht dar. (Olivier Gengler)
2/4 τοῦ ποιῆσαι: Zu diesem finalen Infinitiv mit τοῦ nach einem Befehl, s. Weierholt 1963 51–52.
2/8 πάκτα εἰρήνης: Zu diesem Ausdruck: X 7, 6. (Olivier Gengler)
Parallelüberlieferung
Procop. Pers. I 22
Literatur
Greatrex (1998): Greatrex, Geoffrey: Rome and Persia at war, 502–532, Leeds, 1998.
Roussel (1939): Roussel, Pierre: Un monument d'Hiérapolis-Bambyké relatif à la paix "perpétuelle" de 532 ap. J.-C., 30, Paris 1939, 367-372.
Thurn (2000): Thurn, Johannes: Ioannis Malalae Chronographia, Berolini et Novi Eboraci, 2000.
Weierholt (1963): Weierholt, Kristen: Studien im Sprachgebrauch des Malalas, Oslo, 1963.
Yon/Gatier (2009): Yon, Jean-Baptiste/Gatier, Pierre-Louis: Choix d’inscriptions grecques et latines de la Syrie, Beyrouth, 2009.