Malalas 18.82 1–3 = 49–51 (Thurn)
στήλης σταυρόν.
Philologisch-Historischer Kommentar
1/1 Τῷ δὲ αὐτῷ χρόνῳ: Das im vorangegangenen Kapitel XVIII 81 geschilderte Ereignis wird dort in die 12. Indiktion (Sept. 533 – Aug. 534 n. Chr.) datiert; das nachfolgende Kapitel fällt in das Postkonsulat Belisars (= 536 n. Chr.; XVIII 83, 1). Der Anschluss mit der bekannten Formel τῷ αὐτῷ χρόνῳ dürfte sich – soweit zwischen den Kapiteln keine Textausfälle vorliegen – auf die 12. Indiktion beziehen. Zum einfachen Dativus Temporis (ohne ἐν) bei dieser Zeitformel: XVIII 45, 1. Die richtige Reihenfolge der Wörter wurde an dieser Stelle erst durch Bury 1897, 230) wiederhergestellt, die älteren Editionen von Chilmead 1691, II, 221 und Dindorf 1831, 479 hatten die Positionen von δὲ und αὐτῷ versehentlich vertauscht.  
1f./5 ἔπεσεν ... λιμένος: ἔπεσεν, sigmatischer Aorist von πίπτω an der Stelle des klassischen starken Aorists ἕπεσον, siehe für das Phänomen und ähnliche Fälle Merz 1911, 27–29. Statuenstiftungen und -zerstörungen gehören zu den in auffälliger Weise hervortretenden Themengebieten in der Chronographia: Dazu Saliou 2006, 69–73. Die Kaiserstatue im Julianhafen (auch Kontoskalion: Müller-Wiener 1977, 62f.) ist außerhalb dieser Passage nicht bekannt. Angesichts der Verwendung des Begriffes στήλη ist es möglich, dass sie eine Säule bekrönte; die Bezeichnung ist in der Chronographia allerdings mehrdeutig: I 5, 8. Unklar ist, ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem Absturz der Statue und dem Erdbeben in Konstantinopel besteht, über das einige Zeilen früher berichtet wird (XVIII 77): Auf den möglichen Zusammenhang machen (ohne Bewertung) Guidoboni/Comastri/Traina 1994, 327 aufmerksam; skeptisch Ambraseys 2009, 195. In der Chronographia wird kein Zusammenhang zwischen den beiden Ereignissen markiert. Vgl. dagegen die Meldung über einen Statuensturz in XVI 13, wo ein Kausalzusammenhang zu einem  „großen Schrecken“ (möglicherweise dem in XV 11 beschriebenen Erdbeben) hergestellt wird; ähnlich XVIII 128 mit Rückbezug vermutlich auf XVIII 124. An der hiesigen Stelle soll offensichtlich betont werden, dass die Statue „ohne jegliche (wahrnehmbare) äußere Einwirkung“ herabgefallen sei (Meier 2004a, 232) – was natürlich auf unvermitteltes bzw. unverhülltes göttliches Wirken schließen lässt.  
2f./6 καὶ ἔπηξαν ἀντὶ τῆς αὐτῆς στήλης σταυρόν: Dass diese Statuenstiftung erwähnt wird, bezeugt nach Meier 2004a, 232 die „Symbolkraft“, die dieser Begebenheit von der konstantinopolitanischen Bevölkerung beigemessen wurde. Allgemein verweisen die zahlreichen Berichte über Statuenstiftungen oder -erneuerungen in der Chronographia implizit auch immer wieder auf die Entwicklung des Stadtbildes von Orten wie Konstantinopel oder Antiochia, die sich sukzessive – im Falle von Konstantinopel auch in Form einer großen Zäsur im 4. Jh. – von paganen in christliche Metropolen verwandeln; gleichzeitig bezeugen sie allerdings auch lokale Kontinuitäten (vgl. dazu Saliou 2006, 84f.).
Das Ersetzen der Julian-Statue durch ein Kreuz steht auch stellvertretend für eine breitere Entwicklung im Bereich der Ausstattung öffentlicher Plätze: Während Stiftungen rundplastischer Kaiserbildnisse sukzessive abnahmen, gewann das Ausschmücken des öffentlichen Raumes mit Kreuzsymbolen ab frühbyzantinischer Zeit zunehmend an Bedeutung: Vgl. Bauer 1996, 349–362, der dadurch an die Stelle der „personenbezogenen Ehrung des individuellen Kaisers“ die „Versinnbildlichung von Qualitäten der Institution Kaiser“ rücken sieht (361).
Das Ersetzen der Julian-Statue durch ein Kreuz steht auch stellvertretend für eine breitere Entwicklung im Bereich der Ausstattung öffentlicher Plätze: Während Stiftungen rundplastischer Kaiserbildnisse sukzessive abnahmen, gewann das Ausschmücken des öffentlichen Raumes mit Kreuzsymbolen ab frühbyzantinischer Zeit zunehmend an Bedeutung: Vgl. Bauer 1996, 349–362, der dadurch an die Stelle der „personenbezogenen Ehrung des individuellen Kaisers“ die „Versinnbildlichung von Qualitäten der Institution Kaiser“ rücken sieht (361).
Parallelüberlieferung
keine
Literatur
Ambraseys (2009): Ambraseys, Nicholas N.: Earthquakes in the Mediterranean and the Middle East: a Multidisciplinary Study of Seismicity up to 1900, Cambridge, 2009.
Bauer (1996): Bauer, Franz Alto: Stadt, Platz und Denkmal in der Spätantike. Untersuchungen zur Ausstattung des öffentlichen Raums in den spätantiken Städten Rom, Konstantinopel und Ephesos, Mainz, 1996.
Bury (1897): Bury, John B.: Johannes Malalas: The Text of the Codex Baroccianus, ByzZ, 1897, 219–230.
Chilmead (1691): Chilmead, Edmund: Johannis Antiocheni cognomento Malalae Historia Chronica … nunc primum edita cum Interpret. & Notis Edm. Chilmeadi …, Oxonii, 1691.
Dindorf (1831): Dindorf, Ludwig: Iohannis Malalae Chronographiae ex recensione L. Dindorfii, Bonn, 1831.
Guidoboni/Comastri/Traina (1994): Guidoboni, Emanuela/Comastri, Alberto/Traina, Giusto (Hrsg.): Catalogue of ancient earthquakes in the Mediterranean area up to the 10th century, Rom, 1994.
James (1990): James, Alan: The language of Malalas, 1: General survey, Jeffreys, Elisabeth/Croke, Brian/Scott, Roger, Studies in John Malalas, 6, Sydney 1990, 217–224.
Meier (2004a): Meier, Mischa: Das andere Zeitalter Justinians. Kontingenzerfahrung und Kontingenzbewältigung im 6. Jahrhundert n. Chr., Göttingen, 2004.
Merz (1911): Merz, Ludwig: Zur Flexion des Verbums bei Malalas, Pirmasens, 1911.
Müller-Wiener (1977): Müller-Wiener, Wolfgang: Bildlexikon zur Topographie Istanbuls. Byzantion, Konstantinupolis, Istanbul bis zum Beginn des 17. Jahrhundert, Tübingen, 1977.
Rüger (1895): Rüger, Anton: Studien zu Malalas. Präpositionen und Adverbien. Das 18. Buch. Die konstantinischen Excerpte. Die tuskulanischen Fragmente, Bad Kissingen, 1895.
Saliou (2006): Saliou, Catherine: Statues d'Antioche de Syrie dans la Chronographie de Malalas, Agusta-Boularot, S. and Beaucamp, J. and Bernardi, A.-M. and Caire, E., Paris 2006, 69–96.