Malalas 18.80 1–3 = 43–45 (Thurn)

1 (43)
Ἐν αὐτῷ δὲ τῷ χρόνῳ ἔρριψε καὶ τὴν τρίτην ὑπατείαν αὐτὸς
 
βασιλεύς, ἀνακαλεσάμενος τοὺς πατρικίους Ὀλύβριον καὶ Πρόβον ὄντας
 
ἐν ἐξορίᾳ, δεδωκὼς αὐτοῖς πάντα τὰ ὑπάρχοντα αὐτῶν.
Philologisch-Historischer Kommentar
1/1 Ἐν αὐτῷ δὲ τῷ χρόνῳ: Der typische relative Anschluss αὐτῷ δὲ τῷ χρόνῳ (zur Zeitformel: XVIII 42, 1) suggeriert ein chronologisches Fortschreiten, woraus sich eine Datierung frühestens auf November 533 ergäbe (da das im vorangegangenen Kapitel XVIII 79 geschilderte Erdbeben im Chronicon Paschale auf diesen Monat datiert wird). Aus dem Kontext geht jedoch mit einiger Wahrscheinlichkeit hervor, dass sich die Stelle auf den Konsulatsantritt bezieht, der der Tradition entsprechend am 1. Januar – in diesem Fall des Jahres 533 n. Chr. (Bagnall/Cameron/Schwartz/Worp 1987, 601) – stattgefunden haben muss. Diese Diskrepanz kann entweder auf einen durch den Abschreibeprozess bedingten Datierungsfehler (z.B. Verwechslung der Indiktionsangabe) zurückgeführt werden oder darauf, dass die Chronographia keine stringente Chronologie bot: XVIII 77, 1.
1/6 ἔρριψε καὶ τὴν τρίτην ὑπατείαν: Die Bedeutung dieses Ausdrucks kann nur mit Hilfe des Kontextes und des sonstigen Inhalts des Kapitels (Maßnahmen Justinians bei Konsulatsantritt) rekonstruiert werden: Vor diesem Hintergrund kann die Phrase nur mit "(er) warf auch anlässlich des dritten Konsulats Geld (gemeint ist: in die Menge)" übersetzt werden (vgl. ähnlich Jeffreys/Jeffreys/Scott 1986, 284: „distributed largesse“). Auf der grammatikalischen und syntaktischen Ebene ist die Kombination zwischen dem Verb ῥίπτω ‚werfen‘ und dem Akkusativ ὑπατείαν ‚Konsulat‘ als Objekt bemerkenswert: Zu erwarten wäre nach ῥίπτω das Akkusativobjekt des geworfenen (in diesem Zusammenhang: des gespendeten) Gegenstandes und evtl. ein Dativkomplement für den Anlass/Zeitpunkt der Spende, wie in XIII 9 Ὁ δὲ θειότατος Κωνσταντῖνος ἐν τῇ συμπληρώσει τῆς αὐτοῦ ὑπατείας ἔρριψεν ἐν Κωνσταντινουπόλει χάρισμα. Mit vorliegender Stelle gut vergleichbar ist allerdings die Formulierung ὁ δὲ αὐτὸς Ἰουστινιανὸς *δέδωκεν ὑπατείαν* in XVIII 3 in einem ähnlichen Kontext (Justinan „gab das Konsulat“ im Sinne von „gab Gelder anlässlich seines Konsulats“).

Die Gepflogenheit, die Bevölkerung zum Amtsantritt am 1. Januar mit Geldgeschenken zu versehen, war noch im 6. Jh. verbreitet und wurde insbesondere von den Kaisern als Gelegenheit wahrgenommen, sich durch besonders reichhaltige Spenden zu profilieren, während es angesichts der finanziellen Verpflichtungen nur einer kleinen Zahl der Senatoren überhaupt möglich war, den Konsulat zu bekleiden (vgl. Bury 1923 II, 347; Sguaitamatti 2012, 241f.). Die Nov. 105 von 537 n. Chr. sicherte dem Kaiser das alleinige Recht zu, Gold in die Menge zu werfen; dies wohl nicht, um gegenseitige magistratische Konkurrenz zu unterbinden und so den Fortbestand des Konsulates zu gewährleisten (so noch Sguaitamatti 2012, 184f.), sondern um dem Kaiser eine Gelegenheit zu geben, sich unter den Spendern besonders auszuzeichnen: Meier 2002, 279–281; vgl. auch Bagnall/Cameron/Schwartz/Worp 1987, 10.
1/11 ὁ αὐτὸς βασιλεύς: Zu dieser Formel XVIII 40, 3.
2/2 ἀνακαλεσάμενος ... αὐτῶν: Über die Verbannung eines Olybrius und eines Probus durch Justinian ist abseits dieser Stelle nichts bekannt. Es erscheint jedoch naheliegend, dass diese Verbannung anlässlich des Nika-Aufstandes (XVIII 71) ausgesprochen worden war, da sich Probus (XVIII 22, 1f.), der Neffe des Anastasios, der vom Volk mit der Kaiserwürde betraut werden sollte, durch Flucht entzogen hatte.
2/5 Ὀλύβριον: Zur Identifizierung kommen zwei Personen infrage, nämlich Flavius Anicius Olybrius, alleiniger Konsul des Jahres 491 n. Chr. (PLRE II (Olybrius 3), 795), sowie der gleichnamige Konsul des Jahres 526 n. Chr. (PLRE II (Fl. Anicius Olybrius 7), 798). Beide sind wohl als distinkte Personen anzusehen, da keine der Quellen für 526 auf das „zweite“ Konsulat verweist: PLRE II (Fl. Anicius Olybrius 7), 798; vgl. Bagnall/Cameron/Schwartz/Worp 1987, 586f.; deswegen unzutreffend Thurn/Meier 2009, 432, Anm. 80. Da es sich bei dem ersten dieser beiden Konsuln um einen Enkel des weströmischen Kaisers Olybrius und einen Sohn des Aerobindos handelte, konnte er Justinian in ähnlichem Maße gefährlich werden wie der Kaiserneffe Probus. Es ist deswegen anzunehmen, dass es sich bei dem Verbannten bzw. Rehabilitierten um diesen Olybrius handelt: PLRE II (Olybrius 3), 795; Meier 2014a, 86 mit Anm. 78.
2/7 Πρόβον: Zur Person des Probus XVIII 22, 1f., dem Neffen des Anastasios; er war im Nachgang des Nika-Aufstandes im Januar 532 n. Chr. (vgl. XVIII 71) exiliert worden. Seine Rückberufung erfolgte demnach nicht einmal ein Jahr nach seiner Verbannung.
3/1 ἐν ἐξορίᾳ: Zum Substantiv ἐξορία in der Chronographia: II 14, 12.
Parallelüberlieferung
keine
Literatur
Bagnall/Cameron/Schwartz/Worp (1987): Bagnall, Roger S./Cameron, Alan/Schwartz, Seth R./Worp, Klaas A.: Consuls of the Later Roman Empire, Atlanta, 1987.
Bury (1923): Bury, John B.: History of the Later Roman Empire, London, 1923.
Jeffreys/Jeffreys/Scott (1986): Jeffreys, Elizabeth/Jeffreys, Michael/Scott, Roger: The Chronicle of John Malalas. A Translation, Melbourne, 1986.
Meier (2002): Meier, M.: Das Ende des Konsulats im Jahr 541/42 und seine Gründe. Kritische Anmerkungen zur Vorstellung eines 'Zeitalters Justinians', ZPE, 2002, 277–299.
Meier (2014a): Meier, Mischa: Flavius Hypatius: Der Mann, der Kaiser werden wollte, 2014, 73–95.
Sguaitamatti (2012): Sguaittamati, L.: Der spätantike Konsulat, Fribourg, 2012.
Thurn (2000): Thurn, Johannes: Ioannis Malalae Chronographia, Berolini et Novi Eboraci, 2000.
Thurn/Meier (2009): Thurn, Johannes/Meier, Mischa: Johannes Malalas Weltchronik., Stuttgart, 2009.