Malalas 17.10 1–24 = 95–23 (Thurn)
Wie schon der verangegangene Abschnitt thematisiert Mal. XVII 10 das Verhältnis zwischen Rom, Persien und deren gemeinsamen Nachbarn. Dem Perserkönig Kavadh gelingt es, den Herrscher der sabirischen Hunnen, Zilgibis, mit angeblich 20.000 Kriegern für sich zu gewinnen. Vorherige Bemühungen Roms, den Sabiren mithilfe von Geschenken auf die eigene Seite zu ziehen, waren damit zum Leidwesen Kaiser Justins (und trotz vorheriger eidlicher Zusagen des Sabiren) vergebens. Diese schlechte Nachricht nimmt der römische Kaiser zum Anlass, seinen persischen "Bruder" über eine angebliche geheime Vereinbarung mit Zilgibis mit Rom zu informieren, nach der der Hunne zugesichert habe, in kommenden Kriegshandlungen die Seiten wechseln zu wollen. Zilgibis wird daraufhin von Kavadh verhört, gesteht und wird hingerichtet, sein Verbund wird von den Persern überfallen und in die Flucht gezwungen. Das Geschehene veranlasst schließlich Kavadh, Friedensverhandlungen mit Rom aufzunehmen. (Jonas Borsch)
Philologisch-Historischer Kommentar
Parallelüberlieferung
Literatur
Die wichtigste Quelle für die diplomatischen Verwicklungen zwischen Byzanz und Persien in den 520er- und 530er-Jahren neben Malalas ist Prokop, der eine zu Malalas komplementäre Darstellung bietet, in der die Berichte über Zilgibis und Ztathios freilich fehlen (Vergleich der beiden Darstellungen bei Greatrex 2016 und Colvin 2018). Auch Malalas ist jedoch unvollständig, was die Ereignisse der 520er-Jahre betrifft: So fehlen bei ihm Hinweise auf die bei Prokop stark betonten Verhandlungen um eine mögliche Adoption von Kavadhs designiertem Nachfolger Chosroes durch Justin, auf eine Revolte der Iberer (für beides Procop. BP I 10–12; vgl. Colvin 2018, 201f.) sowie auf eine erfolgreiche Attacke des Lakhmidenfürsten Alamundaros (Al-Mundhir) gegen Byzanz, bei der die römischen Truppenführer Timostratos und Johannes gefangengenommen wurden und die möglicherweise in das Jahr 523 gehört (Procop. BP I 17,44; Evagr. HE IV 12; vgl. Colvin 2018, 203 mit Verweis auf PLRE II (Ioannes 70), 611 und Stein 1949, 266, Anm. 1 für das Datum). Wenn dieser Angriff tatsächlich zum kolportierten Zeitpunkt stattfand, könnte das dafür sprechen, dass die Byzantiner um die Zeit der Zilgibis-Episode militärisch unter Druck standen, was ihre Friedensbereitschaft sicherlich erhöht haben dürfte (Colvin 2018, 203; XVII 10, 22).
Speziell zur Bedeutung und Verwendung des Wortes βοήθεια in der Chronographia: I 9, 3. (Jonas Borsch)
Das Motiv der Brüderlichkeit hebt der Chronist zudem in XVIII 44, 6f. hervor. In dem ebenfalls wörtlich zitierten Schreiben, in dem die Perser Geldforderungen an Rom stellen, wird auf ein vergangenes Schriftstück verwiesen, in dem beide Parteien als verbrüdert bezeichnet werden (vgl. Scott 1992, 163). In XVIII 76 wird der erfolgreiche Abschluss des aus den Verhandlungen hervorgegangenen so genannten „ewigen Frieden“ geschildert. Die explizite Hervorhebung der Bezeichnung als Brüder an dieser Stelle weist Brüderlichkeit der beiden Herrscher als ein zentrales Motiv in der Chronographia aus. Das entspräche den Beobachtungen der jüngeren Forschung, wonach das Bild, das die Autoren des 6. Jahrhunderts von den Sassaniden zeichneten, keineswegs durchweg negativ gefärbt war, sondern die persischen Herrscher den römischen nicht selten als gleichwertig gegenübergestellt wurden (vgl. McDonough 2011). Angesichts des regelmäßigen Auftretens der Bezeichnung in den offiziellen Schreiben ist, anders als der Wortlaut des zitierten Briefes und die Hervorhebung durch den Chronisten suggerieren, die Feststellung der Brüderlichkeit jedoch kaum als Beleg für das Bestreben um eine grundlegende Neuordnung der Beziehungen zwischen den beiden Herrscherhäusern zu deuten, sondern geht wohl eher schlichtweg auf die Titulatur des vom Perserkönig zur Untermauerung seiner Forderungen aus den „Archiven“ hervorgeholten Schreibens zurück.
(Jonas Borsch)