Malalas 18.143 1–8 = 1–8 (Thurn)
Inhalt
Kapitel XVIII 143 beschreibt die zweite Einweihungszeremonie der Hagia Sophia am 24.12.562. Sie bildete den feierlichen Abschluss einer etwas mehr als vierjährigen Bauphase, während derer die im Jahr 558 z.T. eingestürzte Kuppel erneuert wurde. Neben Spezifikationen zur Art des Umbaus bietet die Passage auch einige Hinweise zur Zeremonie selbst.
Philologisch-Historischer Kommentar
Parallelüberlieferung
Literatur
γάλης ἐκκλησίας τὸ δεύτερον. προσε τέθη δὲ τῷ τρούλλῳ κατὰ τὸ πα-
τήν τε ἀρκτῴαν καὶ τὴν μεσημβρινήν. ἐν δὲ τῇ συμπληρώσει τοῦ εἰλήμα-
5 (5)
τος Εὐτυχίου τοῦ πατριάρχου κατέχοντος τὸ ἅγιον μεγαλεῖον καὶ τοῦ
ὄχλου παρισταμένου ἐψάλλετο, ‘ἄρατε πύλας, οἱ ἄρχοντες, ὑμῶν, καὶ
ἐπάρθητε, πύλαι αἰώνιοι, καὶ εἰσελεύσεται ὁ βασιλεὺς τῆς δόξης,’ καὶ τὰ
λοιπά.
Philologisch-Historischer Kommentar
1/1 Καὶ τῇ αὐτῇ ἰνδικτιῶνι: Die letzte in O erhaltene Indiktionsangabe nennt die 11. Indiktion (September 562 bis August 563): Kap. XVIII 141, mit Präzisierung auf November. XVIII 142 bezieht sich auf denselben Monat, Kap. XVIII 144 nennt abermals die elfte Indiktion und präzisiert auf Januar. Daraus ergibt sich für die Weihezeremonie also ein Datum zwischen November 562 und Januar 563. Diese Eingrenzung passt zu Theoph. 238,18 de Boor, wo auf den 24.12. des 36. Regierungsjahres Justinians, mithin Heiligabend 562 datiert wird, sowie zu Paul. Silent. Ecphr. 329–330 mit verklausulierter Einordnung in die heilige Nacht, dazu Bell 2009, 206 Anm. 73. Vgl. zum Datum Leppin 2011a, 329: "Justinian feierte die Neuweihe [...] nicht zufällig am Tag der Geburt des Herrn, den Justinian auf Erden vertrat." (Jonas Borsch)
3/9 ἐκ προσθήκης: "Als Ergebnis eines Zusatzes" oder auch "mittels eines Zusatzes"; für ἐκ in diesem Sinne in der Malalas-Chronik siehe Rüger 1895, 42. προσθήκη wird richtig glossiert mit additamentum bei Thurn 2000, 491 in dem 'Index verborum ad res Byzantinas spectantium', jedoch unter Verweis allein auf Malal. XIV 17 ὅς παρέσχε ... προσθήκην χρημάτων, "er [scil. Antiochos Chuzon] stellte einen Geldfonds bereit" (gemeint sind Zusatzgelder für die Abhaltung der Pferderennen, der Olympischen Spiele und der Maiouma). Vorliegende Stelle wäre dem Index hinzuzufügen.
Der Malalas-Formel ἐκ προσθήκης stehen im klassischen Griechisch die nicht unähnlichen Phrasen κατὰ τὴν προσθήκην 'nach Art eines Zusatzes' (Diog. Laert. 10, 121a καὶ τὴν <κατὰ τὴν> προσθήκην καὶ ἀφαίρεσιν ἡδονῶν, Konjektur) und ἐν προσθήκης μέρει 'by way of appendage' (Demosth. XI 8, 7, so nach LSJ s.v. προσθήκη 1 a) nahe.
(Laura Carrara)
Der Malalas-Formel ἐκ προσθήκης stehen im klassischen Griechisch die nicht unähnlichen Phrasen κατὰ τὴν προσθήκην 'nach Art eines Zusatzes' (Diog. Laert. 10, 121a καὶ τὴν <κατὰ τὴν> προσθήκην καὶ ἀφαίρεσιν ἡδονῶν, Konjektur) und ἐν προσθήκης μέρει 'by way of appendage' (Demosth. XI 8, 7, so nach LSJ s.v. προσθήκη 1 a) nahe.
(Laura Carrara)
3f./5 καὶ τὰς δύο καμάρας ἐκ προσθήκης ποιήσαντες, τήν τε ἀρκτῴαν καὶ τὴν μεσημβρινήν: Die hier geschilderten baulichen Veränderungen betreffen den nördlichen und südlichen Bogen unterhalb der Kuppelkonstruktion (zu den Erweiterungen bereits XVIII 128, 6f. mit Literatur). Millet 1923, 611 (vgl. Mainstone 1988, 95) hält den Ausdruck ἐκ προσθήκης für ungenau, da diese Strukturen bereits existent, wenn auch nicht sichtbar waren. Malalas habe demnach aus architektonischer Unkenntnis das neuerdings Sichtbare als neu Hinzugefügtes interpretiert. Der Ausdruck besagt gleichwohl nicht mehr, als dass es sich um einen Zusatz handelte; dieser muss nicht unbedingt die Neuanlage des gesamten Bogens betreffen (XVIII 143, 3 ). Er passt demnach durchaus zu der auf Agath. V 9,4 basierenden Rekonstruktion bei Mainstone 1988, 95f. und 215, nach der die beiden Bögen in der Breite erweitert wurden, um dem Abkippen der Konstruktion vorzubeugen. (Jonas Borsch)
4f./7 ἐν δὲ τῇ συμπληρώσει τοῦ εἰλήματος: Bei der Vollendung des Gewölbes"; συμπλήρωσις mit Genitiv in der O-Version der Malalas-Chronik sonst nur im Sinne der zeitlichen Vollendung einer abgelaufenen Periode ("als der Monat/die Indiktion/der Konsulat so-und-so zu Ende ging", XVIII 53, 1 ).
Die Thurn-Ausgabe verzeichnet einen weiteren 'architektonischen' Beleg für συμπλήρωσις in Malal. I 5, γίνονται οὖν ἀπὸ Ἀδὰμ ἕως τῆς συμπληρώσεως τῆς πυργοποιίας ἔτη ͵βϡκβʹ (Thurn 2000, 8; gemeint ist die Vollendung des Turmbaus zu Babel), welcher jedoch – wie das ganze Buch I der Chronik – nicht in O, sondern in den zwei Parisiner-Codex PB und in dem Athous-Codex V erhalten ist.
Zum Substantiv εἴλημα für 'gewölbtes Tragwerk' in der Malalas-Chronik XVIII 128, 6 , mit Verweis auf Millet 1923, 604.
(Laura Carrara)
Die Thurn-Ausgabe verzeichnet einen weiteren 'architektonischen' Beleg für συμπλήρωσις in Malal. I 5, γίνονται οὖν ἀπὸ Ἀδὰμ ἕως τῆς συμπληρώσεως τῆς πυργοποιίας ἔτη ͵βϡκβʹ (Thurn 2000, 8; gemeint ist die Vollendung des Turmbaus zu Babel), welcher jedoch – wie das ganze Buch I der Chronik – nicht in O, sondern in den zwei Parisiner-Codex PB und in dem Athous-Codex V erhalten ist.
Zum Substantiv εἴλημα für 'gewölbtes Tragwerk' in der Malalas-Chronik XVIII 128, 6 , mit Verweis auf Millet 1923, 604.
(Laura Carrara)
5/5 κατέχοντος τὸ ἅγιον μεγαλεῖον: "Das heilige μεγαλεῖον in den Händen haltend", vgl. die inhaltlich und sprachlich ähnliche Passage in Malal. XVIII 71 ὁ βασιλεύς ... βαστάζων τὸ ἅγιον μεγαλεῖον, "das heilige μεγαλεῖον anfassend" (S. 397, 71 Thurn: Subjekt ist Justinian während des Nika-Aufstandes). Es ist offensichtlich, dass μεγαλεῖον an beiden Stellen denselben Gegenstand bezeichnet, welcher von einem Würdenträger feierlich (hoch-)gehalten wird: Es handelt sich um das Evangelium bzw. um ein konkretes Textexemplar (Evangeliarium) bzw. ein Textstück dessen (so fassen μεγαλεῖον Thurn 2000, 489 in seinem 'Index verborum ad res Byzantinas spectantium' und bereits Festugière 1978, 228 auf). Einige (wenige) weitere Belege von μεγαλεῖον qua 'Evangeli(ari)um' bietet GLRBP s.v. μεγαλεῖον: zwei aus Johannes Moschus' Pratum Spirituale (PG 87/3, 2908A [Kap. 51] und 2945A [Kap. 87]) und einer aus Kyrillos von Skythopolis' Vita Sabae (117, 22 Schwartz, cap. 32; vgl. die Anmerkung z.St. von Schwartz 1939a, 305 "μεγαλεῖον: das Lesestück aus dem Evangelium; vgl. Malal., wo es die Handschrift des Lectionars bedeutet"; ähnlich Festugière 1962, 44 Anm. 61).
Das überlieferte Wort μεγαλεῖον im Nika-Kapitel des Malalas-Textes (XVIII 71) hielt Lambros 1897, 187 hingegen für einen Fehler, die "richtige Lesart" sei εὐαγγέλιον und stünde in der Parallelüberlieferung (Chron. Pasch. 623, 14 Dindorf); Lambros kannte oder beachtete den hiesigen zweiten Malalas-Beleg für μεγαλεῖον nicht. Auch für vorliegende Stelle bieten die Parallelzeugnisse freilich εὐαγγέλιον (Theoph. 238, 23 de Boor; Cramer Anecd., 2, 114, 20); da aber die anderen Autoren, die μεγαλεῖον bezeugen (Johannes Moschos und Kyrillos von Skythopolis, s.o.), Zeitgenossen des Johannes Malalas sind, scheint mit μεγαλεῖον qua 'Evangeli(ari)um' ein echter Usus der Sprache des 6. nachchristlichen Jahrhunderts vorzuliegen, welcher nicht zu beanstanden ist.
Etymologisch ist das seltene Wort μεγαλεῖον als ein semitisches Lehnwort erklärbar. Auf Hebräisch bezeichnet der Terminus megillah (מגילה; vgl. auch mit derselben Bedeutung das syrische Äquivalent mgalo') geläufig die Buchrolle, somit auch die Rolle eines biblischen Buches und metonymisch ["Behälter für Inhalt"] das biblische Buch selbst; der Plural megillot meint in der jüdischen Tradition die biblischen Bücher Rut, Hoheslied, Kohelet, Klagelieder und Ester als feste Einheit (es sind die sog. 'fünf Festrollen'). Es ist denkbar, dass der hebräische Terminus megillah ins Griechische übertragen wurde, möglicherweise via/über/durch die Sprache der christlichen Liturgie; darüber hinaus, dass er dem neuen Sprachkontext dank der pseudo- bzw. volksetymologischen Verbindung mit dem Adjektiv μέγας, μεγάλη, μέγαν, 'groß', lautlich und orthographisch angepasst wurde (denn für Christen ist das Evangelium 'das große Buch' par excellence). Diese Deutung von μεγαλεῖον als Hebraismus wurde im Wesentlichen bereits von Reiske 1830, 665 vorgeschlagen (an einer versteckten Stelle seines Kommentars zu Konstantinos Porphyrogennetos' De Cerimoniis, in der auf Kap. 87 von Johannes Moschos' Pratum Spirituale__ verwiesen wird, wo ein Beleg für μεγαλεῖον zu finden ist, s.o.). Eine rein innergriechische Etymologie (ohne Kenntnis bzw. ohne explizite Berücksichtigung des hebräischen megillah) nimmt hingegen Festugière 1962, 44 Anm. 61 an: Seiner Meinung nach trägt das Evangeli(ari)um auf Griechisch auch die Bezeichnung 'μεγαλεῖον', weil es die Größe und Güte Gottes behandelt und preist (eben μεγαλεῖα in der Heiligen Schrift; vgl. im Neuen Testament Act 2, 11, 3 ἀκούομεν λαλούντων αὐτῶν ταῖς ἡμετέραις γλώσσαις τὰ μεγαλεῖα τοῦ θεοῦ, im Alten Testament z.B. Ps 70 (71), 19 ὁ θεός, ἕως ὑψίστων ἃ ἐποίησας μεγαλεῖα u.a.). Die Erklärung von Festugière könnte auch ausgehend von der These eines hebräischen Lehnwortes aufrechterhalten werden, und zwar als das entscheidende Faktum (neben oder statt der oben beobachteten lautlichen Nähe zum Adjektiv μέγας), das die Entleihung begünstigte.
(Laura Carrara mit Lea Niccolai)
Das überlieferte Wort μεγαλεῖον im Nika-Kapitel des Malalas-Textes (XVIII 71) hielt Lambros 1897, 187 hingegen für einen Fehler, die "richtige Lesart" sei εὐαγγέλιον und stünde in der Parallelüberlieferung (Chron. Pasch. 623, 14 Dindorf); Lambros kannte oder beachtete den hiesigen zweiten Malalas-Beleg für μεγαλεῖον nicht. Auch für vorliegende Stelle bieten die Parallelzeugnisse freilich εὐαγγέλιον (Theoph. 238, 23 de Boor; Cramer Anecd., 2, 114, 20); da aber die anderen Autoren, die μεγαλεῖον bezeugen (Johannes Moschos und Kyrillos von Skythopolis, s.o.), Zeitgenossen des Johannes Malalas sind, scheint mit μεγαλεῖον qua 'Evangeli(ari)um' ein echter Usus der Sprache des 6. nachchristlichen Jahrhunderts vorzuliegen, welcher nicht zu beanstanden ist.
Etymologisch ist das seltene Wort μεγαλεῖον als ein semitisches Lehnwort erklärbar. Auf Hebräisch bezeichnet der Terminus megillah (מגילה; vgl. auch mit derselben Bedeutung das syrische Äquivalent mgalo') geläufig die Buchrolle, somit auch die Rolle eines biblischen Buches und metonymisch ["Behälter für Inhalt"] das biblische Buch selbst; der Plural megillot meint in der jüdischen Tradition die biblischen Bücher Rut, Hoheslied, Kohelet, Klagelieder und Ester als feste Einheit (es sind die sog. 'fünf Festrollen'). Es ist denkbar, dass der hebräische Terminus megillah ins Griechische übertragen wurde, möglicherweise via/über/durch die Sprache der christlichen Liturgie; darüber hinaus, dass er dem neuen Sprachkontext dank der pseudo- bzw. volksetymologischen Verbindung mit dem Adjektiv μέγας, μεγάλη, μέγαν, 'groß', lautlich und orthographisch angepasst wurde (denn für Christen ist das Evangelium 'das große Buch' par excellence). Diese Deutung von μεγαλεῖον als Hebraismus wurde im Wesentlichen bereits von Reiske 1830, 665 vorgeschlagen (an einer versteckten Stelle seines Kommentars zu Konstantinos Porphyrogennetos' De Cerimoniis, in der auf Kap. 87 von Johannes Moschos' Pratum Spirituale__ verwiesen wird, wo ein Beleg für μεγαλεῖον zu finden ist, s.o.). Eine rein innergriechische Etymologie (ohne Kenntnis bzw. ohne explizite Berücksichtigung des hebräischen megillah) nimmt hingegen Festugière 1962, 44 Anm. 61 an: Seiner Meinung nach trägt das Evangeli(ari)um auf Griechisch auch die Bezeichnung 'μεγαλεῖον', weil es die Größe und Güte Gottes behandelt und preist (eben μεγαλεῖα in der Heiligen Schrift; vgl. im Neuen Testament Act 2, 11, 3 ἀκούομεν λαλούντων αὐτῶν ταῖς ἡμετέραις γλώσσαις τὰ μεγαλεῖα τοῦ θεοῦ, im Alten Testament z.B. Ps 70 (71), 19 ὁ θεός, ἕως ὑψίστων ἃ ἐποίησας μεγαλεῖα u.a.). Die Erklärung von Festugière könnte auch ausgehend von der These eines hebräischen Lehnwortes aufrechterhalten werden, und zwar als das entscheidende Faktum (neben oder statt der oben beobachteten lautlichen Nähe zum Adjektiv μέγας), das die Entleihung begünstigte.
(Laura Carrara mit Lea Niccolai)
6ff./3 ἐψάλλετο ἄρατε πύλας, οἱ ἄρχοντες, ὑμῶν ... καὶ τὰ λοιπὰ: Ein Direktzitat mit Wortlaut des gesungenen Liedes (s.u.); die Wiedergabe von Gesängen bei religiösen Prozessionen bildet – zusammen mit Rufen und Geschrei der Menschenmenge bei Tumulten (dazu XVIII 121, 3 ) – einen der wenigen Anwendungsbereiche der direkten Rede in der Malalas-Chronik, vgl. noch in dieser Kategorie Malal. XVIII 77 wie ergänzt durch Chron. Pasch. 629, 4–6 Dindorf (nach einer Hypothese von Carrara 2016, 85–88).
Das hier in Anwesenheit von und wohl (wenn auch der griechische Malalas-Text das nicht explizit sagt, sondern sich mit dem vagen Passiv ἐψάλλετο begnügt; vgl. jedoch Theoph. 238, 23 de Boor πάντων ψαλλόντων) durch Patriarchen und Gemeinde gemeinsam gesungene Lied ist Psalm 23 [24]; daraus wird in der O-Version des Malalas nur der Vers 7 ausführlich zitiert, auf den Rest wird zusammenfassend durch τὰ λοιπά verwiesen (siehe Macrides/Magdalino 1988, 55, die ferner darauf hinweisen, dass die Verse 350 bis 353 in Paul. Sil. Ekphr. S. Soph. οἵξατε μοι κληῖδα θεουδέες, οἵξατε μύσται κτλ. eine gewollte Reminiszenz an das sind, was am Tag der Einweihung tatsächlich rezitiert worden war; der Dichter vergegenwärtigte das Lied noch einmal nachträglich und beabsichtigte hiermit ein 'Erkenntnisspiel' – das darf man den Ausführungen von Macrides/Magdalino hinzufügen – mit seiner Zuhörerschaft, die zumindest zum Teil bei der Einweihung selbst wenige Tage zuvor zugegen gewesen war). Das Verb ψάλλω bedeutet somit hier weder vage 'ein Saiteninstrument spielen' (LSJ s.v. ψάλλω II 1) noch 'mit musikalischer Begleitung singen' (LSJ s.v. ψάλλω II 2), sondern spezifisch 'einen Psalm singen'. (Laura Carrara)
Das hier in Anwesenheit von und wohl (wenn auch der griechische Malalas-Text das nicht explizit sagt, sondern sich mit dem vagen Passiv ἐψάλλετο begnügt; vgl. jedoch Theoph. 238, 23 de Boor πάντων ψαλλόντων) durch Patriarchen und Gemeinde gemeinsam gesungene Lied ist Psalm 23 [24]; daraus wird in der O-Version des Malalas nur der Vers 7 ausführlich zitiert, auf den Rest wird zusammenfassend durch τὰ λοιπά verwiesen (siehe Macrides/Magdalino 1988, 55, die ferner darauf hinweisen, dass die Verse 350 bis 353 in Paul. Sil. Ekphr. S. Soph. οἵξατε μοι κληῖδα θεουδέες, οἵξατε μύσται κτλ. eine gewollte Reminiszenz an das sind, was am Tag der Einweihung tatsächlich rezitiert worden war; der Dichter vergegenwärtigte das Lied noch einmal nachträglich und beabsichtigte hiermit ein 'Erkenntnisspiel' – das darf man den Ausführungen von Macrides/Magdalino hinzufügen – mit seiner Zuhörerschaft, die zumindest zum Teil bei der Einweihung selbst wenige Tage zuvor zugegen gewesen war). Das Verb ψάλλω bedeutet somit hier weder vage 'ein Saiteninstrument spielen' (LSJ s.v. ψάλλω II 1) noch 'mit musikalischer Begleitung singen' (LSJ s.v. ψάλλω II 2), sondern spezifisch 'einen Psalm singen'. (Laura Carrara)
6ff./3 ἐψάλλετο, ‘ἄρατε πύλας, οἱ ἄρχοντες, ὑμῶν ... καὶ τὰ λοιπά: Diese Stelle, die sich auf Psalm 23, Vers 7 bezieht, ist im Zusammenhang mit den bei Malalas berichteten Kirchenweihungen die einzige, für die der Chronograph das Singen von Psalmen explizit beschreibt. Inhaltlich fügt sich dieser Gesang an der hiesigen Stelle außerordentlich gut in das Bild, das sich von den Inaugurationsfeierlichkeiten von 562/63 auch aus anderen Quellen gewinnen lässt. Zu diesen zählt zum einen Paulos Silentiarios, der explizit auf den Gesang anspielt (Ekphr. 350–353, s. XVIII 143, 6ff. ), zum anderen gehört dazu, soweit die modernen Zuweisungen stimmen, ein ebenfalls anlässlich dieser Einweihungsfeier entstandenes Kontakion (Predigt in Versform), das den Neubau der Kirche unter Heranziehung zahlreicher Bibelverse feiert (Edition Trypanis 1968, 141–147; Übers. Palmer/Rodley 1988, 140–144, Einordnung ebd. 137–151, vgl. zur Interpretation auch Schibille 2014, 37–41). Palmer/Rodley 1988, 138f. stellen fest, dass dieser Text auf den von Malalas zitierten Psalm anspielt. Diese Überschneidungen zeugen von der zielgerichteten Orchestrierung der Zeremonie, die nicht zuletzt die Ideologie betrifft: Die von Malalas zitierten Worte "und der König der Glorie wird eintreten" flankierten, so Palmer/Rodley 1988, 139, womöglich das Betreten des Gotteshauses durch den Kaiser; gleichzeitig setzt das Proömium des Kontakion den Kaiser implizit mit Gott gleich, während im letzten Vers dieses Textes dessen Vorgehen gegen Häretiker und Barbaren gepriesen wird. Die Malalas-Passage tradiert demnach – auch ohne explizite Erwähnung des Kaisers – eine Inszenierung, die nicht zuletzt eine Selbstinszenierung des Herrschers ist. (Jonas Borsch)
Parallelüberlieferung
Chron. Pasch. 687, 12–15 Dindorf (vgl. jedoch Carrara 2016, 80–82); Theoph. 238, 18–24 de Boor; Cramer Anecd. 2, 114, 26–31; Zon. 3, 171, 2-3
Literatur
Bell (2009): Bell, Peter: Three Political Voices from the Age of Justinian. Agapetus, Advice to the Emperor. Dialogue on Political Science. Paul the Silentiary, Description of Hagia Sophia, Liverpool, 2009.
Carrara (2016): Carrara, Laura: Die Alleinherrschaft Justinians in der Chronik des Malalas und im Chronicon Paschale: Eine Quellenstudie, 2016, 71–94.
DeStefani (2011): DeStefani, Claudio: Paulus Silentiarius. Descriptio Sanctae Sophiae Descriptio Ambonis, Berlin/New York, 2011.
Festugière (1962): Festugière, Andrè-Jan: Les moines d'Orient III/2 Les moines de Palestine. Cyrille de Scythopolis Vie de Saint Sabas, Paris, 1962.
Festugière (1978): Festugière, André-Jean: Notabilia dans Malalas. I, Revue de Philologie, 1978, 221–241.
Friedländer (1912): Friedländer, Paul: Johannes von Gaza und Paulus Silentiarius. Kunstbeschreibungen justinianischer Zeit, Leipzig/Berlin, 1912.
Lambros (1897): Lambros, Spyridon P.: Byzantinische Desiderata, Byzantinische Zeitschrift, 1892, 185–201.
Leppin (2011a): Leppin, Hartmut: Justinian. Das christliche Experiment, Stuttgart, 2011.
Macrides/Magdalino (1988): Macrides, Ruth/Magdalino, Paul: The architecture of ekphrasis: construction and context of Paul the Silentiary's poem on Hagia Sophia, Byzantine and Modern Greek Studies, 1988, 47–82.
Mainstone (1988): Mainstone, R. J.: Hagia Sophia. Architecture, Structure and Liturgy of Justinian's Great Church, London, 1988.
Millet (1923): Millet, Gabriel: La Coupole primitive de Sainte-Sophie, Revue belge de philologie et d'histoire, 1923, 599-617.
Palmer/Rodley (1988): Palmer, Andrew/Rodley, Lyn: The inauguration anthem of Hagia Sophia: a new edition and translation with historical and architectural notes and a comparison with a contemporary Constantinopolitan kontakion, Byzantine and Modern Greek Studies, 1988, 117–155.
Reiske (1830): Reiske, Johann Jakob: Constantini Porphyrogeniti Imperatoris de Cerimoniis aulae Byzantinae libri duo. Volumen II, Bonnae, 1830.
Rüger (1895): Rüger, Anton: Studien zu Malalas. Präpositionen und Adverbien. Das 18. Buch. Die konstantinischen Excerpte. Die tuskulanischen Fragmente, Bad Kissingen, 1895.
Schibille (2014): Schibille, N.: Hagia Sophia and the Byzantine Aesthetic Experience, Farnham, 2014.
Schwartz (1939a): Schwartz, Eduard: Kyrillos von Skythopolis. Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur 49/2, Leipzig, 1939.
Thurn (2000): Thurn, Johannes: Ioannis Malalae Chronographia, Berolini et Novi Eboraci, 2000.
Trypanis (1968): Trypanis, C. A.: Fourteen Early Byzantine Cantica, Wien, 1968.
Whitby (1985): Whitby, Mary: The occasion of Paul the Silentiary's Ekphrasis of S. Sophia, Classical Quarterly, 1985, 215–228.