Malalas 18.115 1–4 = 3–6 (Thurn)

1 (3)
Μηνὶ αὐγούστῳ ἰνδικτιῶνος ιεʹ τελευτᾷ Μηνᾶς ἀρχιεπίσκοπος
 
Κωνσταντινουπόλεως· καὶ κειμένου τοῦ λειψάνου εἰς τὸ ἅγιον θυσια-
 
στήριον τῆς μεγάλης ἐκκλησίας γέγονε πατριάρχης Εὐτύχιος ἀποκρι-
 
σιάριος Ἀμασείας.
Philologisch-Historischer Kommentar
1/1 Μηνὶ αὐγούστῳ ἰνδικτιῶνος ιεʹ: Zur Chronologie des Todes des konstantinopolitanischen Patriarchen Menas (zu ihm: XVIII 83, 5) und der Wahl seines Nachfolgers Eutychios liegen in O und in Theophanes unterschiedliche Details vor. Die Jahresdatierung fällt bei beiden einheitlich auf 551/52 (O: 15. Indiktion; Theoph.: 25. Regierungsjahr Justinians), nur O präzisiert allerdings den August. Da die griechischen Synaxarien Menas am 24./25. August kommemorieren, kann der 24. August als präzises Todesdatum ergänzt werden: Stein 1949, 655, Anm. 1; vgl. Grumel 1958, 435; Mango/Scott 1997, 334, Anm. 6. Theophanes wiederum gibt an, Menas sei „am selben Tag“ durch Eutychios ersetzt worden, während O nur etwas allgemeiner einen schnellen Ablauf andeutet: XVIII 115, 2. Beide Versionen sind also untereinander sowie mit der weiteren Überlieferung kohärent und ergeben ein einheitliches Bild. Es ist hier gut denkbar, dass O und Theophanes unterschiedliche Details einer (direkten oder indirekten) gemeinsamen, ausführlicheren Vorlage wiedergeben. Vgl. zu dieser Frage Rochow 1983, 470, die von einer Veränderung des Wortlautes durch Theophanes ausgeht.
1f./7 ὁ ἀρχιεπίσκοπος Κωνσταντινουπόλεως: In der Chronographia tauchen die Bezeichnungen Byzanz und Konstantinopel nebeneinander auf. Als Genitiv der Spezifizierung nach ἀρχιεπίσκοπος, ἐπίσκοπος, πατριάρχης o.ä. kommt jedoch stets Κωνσταντινουπόλεως vor: vgl. e.g. XVIII 83 (Ἀνθέμιον τὸν πατριάρχην Κωνσταντινουπόλεως); XVIII 100 (Μηνᾶς ὁ ἀρχιεπίσκοπος Κωνσταντινουπόλεως); XVIII 113 (Μηνᾶ τοῦ πατριάρχου Κωνσταντινουπόλεως).
2/3 κειμένου τοῦ λειψάνου: _Genitivus absolutus_ mit temporalem (eher als modalem) Wert, zur Spezifizierung der besonders straffen Chronologie (nicht so sehr der Umstände) der Patriachen-Nachfolge; entsprechend übersetzt auch von Thurn/Meier 2009, 514 und Jeffreys/Jeffreys/Scott 1986, 293. Dass κειμένου temporal zu verstehen ist, verrät nicht zuletzt seine vorgestellte Position vor dem Hauptverb; ein modaler Genitivus absolutus hingegen folgt in der Chronographia so gut wie immer auf das Hauptverb (siehe dazu Weierholt 1963, 72–73). Die Emphase liegt hier also auf der Tatsache, dass Wahl und Nominierung des neuen Patriarchen mit bemerkenswerter Schnelligkeit vollzogen wurden (Tempo), nicht auf dem Faktum – hervorgehoben etwa, weil als anstößig, unpassend o.ä. empfunden –, dass zu dieser Zeit die Leiche des Menas noch in der Kirche aufgebahrt lag (äußere Umstände).
2f./6 εἰς τὸ ἅγιον θυσιαστήριον: εἰς mit Akkusativ zur Bezeichnung der Position (nicht des Ziels einer Bewegung) an der Stelle von ἐν mit Dativ ist in der Chronographia häufig, siehe Rüger 1895, 9, 45. Zum θυσιαστήριον an sich: XVI 6, 22. (Laura Carrara)
3/2 τῆς μεγάλης ἐκκλησίας: Die „große Kirche“ ist eindeutig mit der Hagia Sophia zu identifizieren (XVIII 86, 1). Es handelt sich um die Hauptkirche der Stadt, die in ihrer damaligen Form im Jahr 537, ca. 6 Jahre nach ihrer Zerstörung im Nika-Aufstand, geweiht worden war und noch bis zum Einsturz der Kuppel 558 bestand; zur Baugeschichte XVIII 86, 1. (Jonas Borsch)
3/7 Εὐτύχιος ὁ ἀποκρισιάριος Ἀμασείας: Eutychios, geb. 512 in Phrygien, bekleidete das Amt des Patriarchen gleich zwei Mal (552 – 565 und 577 – 582). Details aus seinem Leben lassen sich u.a. einer Vita seines Schülers Eustratios ([_PG_] 86, 2273–2390) entnehmen. Seine Wahl zum Patriarchen verdankte er dem Umstand, dass er im Dreikapitelstreit (dazu: XVIII 97, 1f.) auf Seiten Justinians stand. Als Vertreter der Kirchengemeinde von Amaseia (Zum Amt des Apokrisiar s. unten) war Eutychios vermutlich bereits in Konstantinopel, als Menas starb, sodass seine Einsetzung schnell vorgenommen werden konnte. Wohl etwa ab 558 begann sich sein Verhältnis zu Justinian zu verschlechtern; nachdem er sich in der Aphtartodoketismus-Frage gegen den Kaiser gestellt hatte, wurde Eutychios Anfang 565 exiliert (vgl. Theoph. I 240,26–30, vielleicht auf der Chronographia beruhend: Thurn 2000, 431 = XVIII 149; mit Datierung auf April Eustath. Vita Eutychii, PG 86, 2317B). Justinians Nachfolger Justin II. setzte ihn 12 Jahre später, im Herbst 577, wieder ein. Zu seiner Person Beck 1959, 380; BBKL 1 (1975), s.n. Eutychius, 1574f.; ODB 2 (1991), 759, s.v. Eutychios (A. Kazhdan); Cameron 1990; vgl. zur Einsetzung auch Stein 1949, 654f.; Cameron 1990, 210. (Jonas Borsch, Laura Carrara)
3f./8 ὁ ἀποκρισιάριος: Einziger Beleg für diesen Terminus in O; ein zweiter (möglicher) Beleg in XVIII 149 (ἀποκρισιάριος ὢν Ἀντιοχείας τῆς μεγάλης, bezogen auf Johannes III. Scholasticus, ist von Thurn ergänzt aus Theoph. 240, 29 de Boor). Das Substantiv ἀποκρισιάριος ist zusammengesetzt aus dem Nomen ἀπόκρισις in der Bedeutung ‚Antwort‘, ‚Erwiderung‘ (vgl. dafür LSJ s.v. ἀπόκρισις II mit Belegen, darunter Eur. fr. 977 inc. fab. Kannicht ἡ γὰρ σιωπὴ τοῖς σοφοῖσ<ιν> ἀπόκρισις) und der aus dem Latein stammenden, griechisch eingebürgerten Endung - άριος (-[_arius_]) für Funktionsnamen, siehe Wolf 1911, 74 mit weiteren Beispielen solcher Namen in der Chronographia (σπαθάριος, σχολάριος etc.); Festugière 1978, 222.

Ein Apokrisiar war in der Kirchenhierarchie – an dieser Stelle kommt offenkundig der kirchliche Anwendungsbereich des Wortes zum Tragen – ab dem 5. und dann verstärkt ab dem 6. Jh. unter Justinian der Vertreter eines Bischofs bei dessen Metropoliten oder aber der Repräsentant eines Bistums am kaiserlichen Hof in Konstantinopel; als sein (auch noch modernes) Pendant kann der „Apostolische Nuntius“, der Botschaftler des Papstes bei anderen Staaten, gelten: Vgl. Emereau 1914, bes. 295–297; Beck 1959, 103; ODB 1 (1991), 1991, 136, s.v. Apokrisiarios (P. Magdalino).

Parallelüberlieferung
Theoph. 228, 14–18 de Boor; Cramer, Anecd. Paris. 2,113,20–23 Thurn 2000, 415 ad cap. 115 verweist zudem auf Evagr. 4,37 (186,12 Bidez/Parmentier); diese knappe Information zur Nachfolge ist jedoch nicht so spezifisch, dass sie zwingend auf ein direktes Verhältnis zur Überlieferung der Chronographia hinwiese.
Literatur
Beck (1959): Beck, H.-G.: Kirche und theologische Literatur im byzantinischen Reich, München, 1959.
Cameron (1990): Cameron, Averil: Models of the past in the late sixth century: The life of the Patriarch Eutychius, Reading the Past in Late Antiquity, 1990, 205-223.
Emereau (1914): Emereau, A.: Aprocrisiaires et aprocrisiariat. Notion de l'apocrisiariat ses variétés à travers l'histoire, Échos d'Orient, 1914, 289–297.
Festugière (1978): Festugière, André-Jean: Notabilia dans Malalas. I, Revue de Philologie, 1978, 221–241.
Grumel (1958): Grumel, Venance: La Chronologie, Paris, 1958.
Jeffreys/Jeffreys/Scott (1986): Jeffreys, Elizabeth/Jeffreys, Michael/Scott, Roger: The Chronicle of John Malalas. A Translation, Melbourne, 1986.
Rochow (1983): Rochow, Ilse: Malalas bei Theophanes, Klio, 1983, 459–474.
Rüger (1895): Rüger, Anton: Studien zu Malalas. Präpositionen und Adverbien. Das 18. Buch. Die konstantinischen Excerpte. Die tuskulanischen Fragmente, Bad Kissingen, 1895.
Stein (1949): Stein, Ernest: Histoire du Bas-Empire, Tome II. De la disparition de l’Empire d’Occident à la mort de Justinien (476–565), Paris/Bruxelles/Amsterdam, 1949.
Thurn (2000): Thurn, Johannes: Ioannis Malalae Chronographia, Berolini et Novi Eboraci, 2000.
Thurn/Meier (2009): Thurn, Johannes/Meier, Mischa: Johannes Malalas Weltchronik., Stuttgart, 2009.
Weierholt (1963): Weierholt, Kristen: Studien im Sprachgebrauch des Malalas, Oslo, 1963.
Wolf (1911): Wolf, Karl: Studien zur Sprache des Malalas, Tl. 1: Formenlehre, Diss. München, 1911.