Malalas 18.128 1–7 = 75–81 (Thurn)

Inhalt

Kapitel XVIII 128 dreht sich um die Neugestaltung der Hagia Sophia infolge eines Teileinsturzes der Kuppel. Dieser war womöglich durch die vorangegangenen Erdbeben (XVIII 118, 124) ausgelöst worden, ging jedoch nach Ausweis des architekturhistorischen Befundes letztlich auf Fehler bei der Konstruktion der Kuppel zurück.

Philologisch-Historischer Kommentar
Parallelüberlieferung
Literatur

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Ἐν αὐτῷ δὲ τῷ χρόνῳ φιλοκαλουμένου τοῦ τρούλλου τῆς με-
 
γάλης ἐκκλησίας, ῥήξας γὰρ ἦν εἰς φανεροὺς τόπους ἐκ τῶν γεγονότων
 
κατὰ φιλανθρωπίαν θεοῦ φόβων, αἰφνιδίως ἐργαζομένων τῶν Ἰσαύρων
 
ἔπεσε τὸ ἀνατολικὸν μέρος τῆς προϋποστολῆς <τοῦ ἁγίου
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θυσιαστηρίου>, καὶ συνέτριψε τὸ κιβούριον σὺν τῇ ἁγίᾳ τραπέζῃ. κατη-
 
νέχθη δὲ καὶ τὸ λοιπὸν μέρος τὸ ἀπομεῖναν καὶ αὐτὰ τὰ εἰλήματα· ἐκτί-
 
σθη δὲ αὐτὸς τροῦλλος ὑψωθεὶς ἐπὶ πόδας εἴκοσι.
Philologisch-Historischer Kommentar
1/1 Ἐν αὐτῷ δὲ τῷ χρόνῳ: Zu dieser Zeitformel in der Malalas-Chronik XVIII 40, 1, XVIII 42, 1. (Laura Carrara)
1/1 Ἐν αὐτῷ δὲ τῷ χρόνῳ: Die letzte in O genannte Zeitangabe ist der Februar der 6. Indiktion (i.e. Febr. 558, XVIII 127, 1), die folgende der März der 7. Indiktion (= März 559, XVIII 129, 1). Theophanes (232,27-233,3 de Boor), dessen Struktur und Wortlaut der O-Version in wesentlichen Teilen ähnelt, bietet eine Tagesdatierung auf den 7. Mai und ordnet das Geschehen in das Jahr 558/59 – namentlich in das 32. Regierungsjahr Justinians – ein. Mango/Scott 1997, 342 Anm. 1 sehen zwischen beiden offensichtlich einen Widerspruch; bei einer Zählung des justinianischen Regierungsjahres ab dem 1. April (Antritt der gemeinsamen Herrschafft mit Justin, vgl. Mango/Scott 1997, 268 Anm. 1) fällt der 7. Mai des 32. Regierungsjahres Justinians jedoch genau in das Jahr 558. Die Parallelüberlieferung (Cramer Anecd. 2, 114, 14 und Meg. Chron. 43, 12 Schreiner) bestätigt sowohl die Tagesdatierung als auch die aus Malalas und Theophanes zu erschließende Indiktionsangabe (6. Indiktion). (Jonas Borsch)
1/6 φιλοκαλουμένου: Das nicht sonderlich geläufige Verb φιλοκαλέω bedeutet primär und seiner Etymologie entsprechend (φιλεῖν + καλός) 'das Schöne lieben' und wird i.d.R. absolut (d.h. ohne Akkusativobjekt) verwendet, vgl. einschlägig den berühmten Perikles-Satz in dem Epitaphios auf die Kriegsgefallenen bei Thukydides: φιλοκαλοῦμέν τε γὰρ μετ' εὐτελείας καὶ φιλοσοφοῦμεν ἄνευ μαλακίας, "wir lieben das Schöne mit Maß und die Weisheit ohne Weichlichkeit" (Thuc. 2, 40, 1; laut Kakridis 1961, 48 ist φιλοκαλεῖν "ein neugeprägtes Wort ... offenbar dem φιλοσοφεῖν nachgebildet"; in der klassischen Zeit war jedenfalls das Adjektiv φιλόκαλος bereits im Umlauf [e.g. Isocr. Or. 1, 10 u. 27; Xen. Mem. 3, 11, 9], welches möglicherweise der thukydideischen Neuprägung – falls es sich dabei um eine solche handelt – auch Pate stand).

An dieser Stelle weist das Verb die erst spätantike Bedeutung 'reparieren', '(wieder) in Ordnung bringen' und die transitive Konstruktion auf (d.h.: es steht in Relation zu einem Objekt, welches die von ihm zum Ausdruck gebrachte Aktion erfährt; hier ist es die Kuppel der Hagia Sophia, die das φιλοκαλεῖν erlebt); vgl. LSJ s.v. φιλοκαλέω 5 mit relevanten Belegen erst aus Werken aus dem 6. Jh.; LGRBP s.v. φιλοκαλέω, mit zusätzlichem Hinweis auf einen mittelbyzantinischen Beleg aus Theodoros Studites, PG 99, 1744A μὴ δὶς καὶ τρὶς τῆς ἐβδομάδος φιλοκαλῇ τὸν νάον τοῦ Θεοῦ, "er [_scil_. der κανδηλάριος] möge den Tempel Gottes nicht mehr als zweimal oder dreimal die Woche pflegen").

Da es sich an der hiesigen Stelle eindeutig um (weitreichende) Reparaturarbeiten an einem bereits existierenden Gebäude handelt, darf man φιλοκαλεῖν mit 'restaurieren' gleichsetzen; vgl. den affinen Usus des stammverwandten Substantivs φιλοκαλία in Malal. XVII 15 οἰκήματα <τῶν θεμελίων> [transp. Jeffreys/Jeffreys/Scott 1986, 237, XVII 15, 21] φιλοκαλίας τυγχάνοντα ("Die Gebäude erhielten ihre Reinigung bei/an den Fundamenten"), womit die nach einer Überflutung nötig gewordene Sanierung der am Flussufer gelegenen Privathäuser in Edessa beschrieben wird. Ιn Malal. X 8 hat φιλοκαλεῖν die ähnliche, jedoch nicht identische Bedeutung 'schmücken', 'verzieren', da dort die Rede von einer Neugründung (nicht von einer Reperatur) ist: Malal. X 8 φιλοκαλήσας αὐτά μουσώσει καὶ μαρμάροις, "indem er [_scil_. Kaiser Tiberius] sie [_scil_. die von ihm neu gebauten Tetrapylen in der Umgebung von Antiochia] mit Mosaik und Marmor schmückte".

Zur Wortfamilie φιλοκαλ- in der Malalas-Chronik siehe Festugière 1978, 234, weitere Belege aus der spätantiken christlichen und hagiographischen Literatur bei Festugière 1959, 143 (aus der Vita S. Hypathii und der Vita Sabae) und Festugière 1962, 96 Anm. 209 (Vita Sabae).

Sowohl an der hiesigen Stelle (f. 317v) als auch für Malal. X 18 überliefert die Handschrift O statt φιλοκαλ- die Form φιλοκα*λλ*- (als ob das Verb aus φιλεῖν und dem Substantiv κάλλος zusammengesetzt wäre). Diese Schreibweise ist sonst nicht belegt; gegen sie sprechen auch die verwandten Formen φιλοκαλία, φιλόκαλος u.ä., mit einfachem Lambda. Die Korrektur von φιλοκαλλ- in φιλοκαλ- in Malal. X 18 (vorgenommen durch Dindorf 1831, 232) und an dieser Stelle (vorgenommen bereits durch Chilmead 1691, II, 235 Anm. 1, gefolgt von Dindorf 1831, 490) dürfen somit als gesichert gelten (trotz der Zweifel von Thurn 2000, 420 in seinem App. cr. zur Stelle [zu Chilmeads Eingriff kommentiert er "an perperam?"]). Die Form φιλοκαλ- haben schließlich auch alle Zeugnisse der Parallelüberlieferung zu dieser Stelle (Meg. Chron. 43 Nr. 12 Z. 2 Schreiner; Theoph. 232, 27 de Boor; Cedr. 676, 20 Bekker), was unabhängig von der Frage, ob sie die Version des Ur-Malalas bewahren oder nicht, die Schreibweise mit einfachem Lambda endgültig bestätigt.
(Laura Carrara)
1/6 φιλοκαλουμένου: Gegenüber der Grundbedeutung "restaurieren" (XVIII 128, 1, vgl. in diesem Sinne die Übers. Jeffreys/Jeffreys/Scott 1986, 297) ergänzt die deutsche Übersetzung den Fürsorge-Aspekt, der sich aus der wörtlichen Bedeutung des Begriffes ("das Schöne lieben") durchaus herauslesen lässt: "nahm man sich großzügig der Wiederherstellung [...] an" (Thurn/Meier 2009, 520).

Der Schwerpunktsetzung in diesem Abschnitt der Chronographia entspricht es gut, dass den Ausgangspunkt des Berichtes der Hinweis auf den Wiederaufbau bildet und nicht der auf den Zusammensturz der Kuppel, der nur rückblickend betrachtet wird. Die eigentliche Meldung ist in diesem Sinne die Großzügigkeit des Herrschers und nicht etwa das – für Justinian äußerst unvorteilhafte – geschehene Unglück. (Jonas Borsch)
1/8 τρούλλου: 'Kuppel', erst spätantik-frühbyzantinischer Latinismus aus dem Wort trulla__ (eigentlich 'die Schöpfkelle', in übertragener Bedeutung dann für andere kellenförmige bzw. im Inneren hohle Gegenstände, Gefäße, Behälter), siehe Festugière 1978, 241; James 1990, 223.

Das Wort τροῦλλος verwendet die O-Version der Malalas-Chronik zwei weitere Male und ausschließlich für das Gewölbe der Hagia Sophia, vgl. ὁ αὐτὸς τροῦλλος in der letzten Zeile dieses Kapitels XVIII 128, 7 und Malal. XVIII 143 τῷ τρoύλλῳ.
(Laura Carrara)
1f./7 τοῦ τρούλλου τῆς μεγάλης ἐκκλησίας: Die Bezeichnung 'die Große Kirche' (ἡ μεγάλη ἐκκλησία) meint in Zusammenhang mit Konstantinopel die Hagia Sophia: XVIII 86, 1. Die Kuppel war Teil des 537 geweihten, nach dem Nika-Aufstand begonnenen Baus (XVIII 86, 1) und somit erst ca. 20 Jahre alt. Auf Basis der Beschreibung in Prokops Bauten (aed. I 1,41–46) sowie von Malalas' Angabe über die Erhöhung des Neubaus um 20 Fuß (s.u. Z. 6f.) ist diese erste Kuppel deutlich flacher rekonstruiert worden als die zweite: Vgl. Mainstone 1988, 126f.; 209–212; außerdem Taylor 1996, der noch ein Zwischengeschoss mit Lichtgaden ergänzt, woraus sich für die Kuppel sogar eine noch flachere Form ergibt. (Jonas Borsch)
1f./9 τῆς μεγάλης ἐκκλησίας: Zur Standardbenennung ἡ μεγάλη ἐκκλησία, 'die Große Kirche', für die Hagia Sophia XVIII 86, 1. (Laura Carrara)
2/3 ῥήξας ... ἦν: Partizip Aorist Aktiv Mask. Sing. von ῥήγνυμι in intransitiver Verwendung: 'war zerbrochen', vgl. LSJ s.v. ῥήγνυμι C und siehe Wolf 1911, 52 (unter Vergleich mit Malal. VII 6 καταμῖξαι, Infinitiv Aorist von καταμείγνυμι in der Form Aktiv, dem Sinn nach Medium: 'sich mischen'); Wolf 1912, 51.

Die Korrektur von Chilmead 1691, II, 235 Anm. 2 διερρηγμενός (nicht διερρηγμένων, wie von Thurn 2000, 420 irrtümlich in seinem App. cr. angegeben), Partizip Passiv von διαρρήγνυμι, entspricht dem Wortlaut der Parallelüberlieferung (Theoph. 232, 28 de Boor; Cedr. 676, 23 Bekker; Meg. Chron. 43 Nr. 12 Z. 2 Schreiner) und stellt ein auch der Form nach 'echtes' passives Partizip her, ist aber nicht nötig.



(Laura Carrara)
2/7 φανεροὺς: Für das Adjektiv φανερός in der Bedeutung 'gewiss', meistens quantitativ zu verstehen als 'viel' bzw. im Plural 'viele', in der Malalas-Chronik XVIII 112, 11. (Laura Carrara)
2f./3 ῥήξας γὰρ ἦν εἰς φανεροὺς τόπους ἐκ τῶν γεγονότων κατὰ φιλανθρωπίαν θεοῦ φόβων: "Hatte sie doch an einer Reihe von Stellen Risse durch die Schrecken, die sich durch die Barmherzigkeit Gottes ereignet hatten" (Thurn/Meier 2009, 520). Der Ausdruck φόβος wird bei Malalas häufig synonym für Erdbeben benutzt (XVIII 124, 8) und kann auch an dieser Stelle entsprechend verstanden werden. Auch Agath. V 9,3 bringt die Meldung über den Zusammensturz der Kuppel in Zusammenhang mit dem Erdbeben. In der modernen Forschung geht man meist davon aus, dass das Beben für den Einsturz der Kuppel hauptverantwortlich war: Downey 1955, 598; Schreiner 1977, 77 ("durch zwei Erdbeben baufällig geworden"; gemeint ist neben dem Beben von 557 offensichtlich dasjenige von 554: Malal. XVIII 118); Macrides/Magdalino 1988, 62; Guidoboni/Comastri/Traina 1994, 344 ("one of the delayed effects of this earthquake"); Meier 2004a, 668 mit Anm. 112. Für Müller-Wiener 1977, 86 ist das Beben zumindest der Auslöser des Zusammensturzes; unbestimmt Ambraseys 2009, 208. Die archäologisch-bauhistorische Rekonstruktion der ursprünglichen Kuppel lässt jedoch die Annahme zu, dass bereits deren Grundkonstruktion für massive statische Probleme sorgte: Die zu flache Wölbung leitete demnach den Schub des Gewichtes nach außen anstatt auf die Stützpfeiler (zu den inhärenten statischen Problemen bereits Emerson/VanNice 1951, 99–103; in jüngerer Zeit insbes. Mainstone 1988, 213f.; vgl. auch Taylor 1996, 73f.). Dass die ursprüngliche Konstruktion fehlerhaft gewesen war, wird von Agathias (V 9,4) auch explizit thematisiert. In der O-Version werden diese Probleme nicht erkennbar, wohl aber in einem Zusatz bei Theophanes (dessen Herkunft aus Malalas nicht sicher ist, vgl. Rochow 1983, 471; sehr zuversichtlich allerdings Mango 1966, 358). Hier heißt es: "Und man kam zu einem vernichtenden Urteil über die Architekten" (Übers. Thurn/Meier 2009, 520 Anm. 697). Die konkreten Fehler, die darauf folgend benannt werden, entsprechen nicht der modernen Diagnose, doch bezeugt die Passage gemeinsam mit Agathias, dass das eigentliche Problem von den Zeitgenossen weniger in der Einwirkung des Erdbebens als in der mangelhaften Anlage des Baus selbst gesehen wurde. In Malalas' Listen der Erdbebenschäden spielt die Hagia Sophia bezeichnenderweise gar keine Rolle (vgl. XVIII 124,2–6 und XVIII 118, mit kursorischen Hinweisen auf Kirchen, die sich jedoch bei dem früheren Beben nicht ausschließlich auf Konstantinopel beziehen [XVIII 118, 2] und bei dem späteren v.a. auf den Vorort Hebdomon bezogen werden [XVIII 124, 4f.]). (Jonas Borsch)
2f./9 ἐκ τῶν γεγονότων ... φόβων: Zum Substantiv φόβος als Bezeichnung von (Natur-)katastrophen, insb. Erdbeben, in der Malalas-Chronik (und nicht als Bezeichnung der durch die Katastrophe unter der Bevölkerung ausgelösten Furcht), XVIII 124, 8, XVIII 103, 3.

Die Pluralverwendung φόβοι macht deutlich, dass hier die Rede von konkreten, vergangenen (γεγονότων) Erdstößen ist. Sehr ähnliche Phrasen finden sich in Malal. IX 21 ἐκ τῶν πρῴην φόβων und Malal. XVIII 27 ὑπὸ τῶν πρῴην γενομένων φόβων, beide ebenfalls im Kontext der Beschreibung von Baumaßnahmen ausgeführt 'als Resultat von' (ἐκ, Rüger 1895, 42) bzw. 'aufgrund von' (ὑπό) den Erdbeben, die vorausgegangen waren; einmalig hingegen der Dativ Plural ἐν τοῖς φόβοις für 'bei den Erdstößen' in Malal. XVIII 103, XVIII 103, 3.
(Laura Carrara)
3/2 φιλανθρωπίαν: Das bereits ab der klassischen Zeit mit der Bedeutung 'Wohlwollen', 'Freundlichkeit' o.ä. (e.g. Pl. Euthphr.__ 3d 7; Xen. Mem.__ 3, 4, 7, 6) belegte Wort φιλανθρωπία spezialisiert sich als 'Liebe Gottes für die Menschen' in der christlichen Literatur nach der einschlägigen Verwendung im Titusbrief des Apostels Paulus, Tit 3, 4 ὅτε δὲ ἡ χρηστότης καὶ ἡ φιλανθρωπία ἐπεφάνη τοῦ σωτῆρος ἡμῶν θεοῦ, "als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands".

In der Malalas-Chronik kommt φιλανθρωπία dreimal vor, einmal mit dem allgemeineren Sinn 'Wohlwollen' (Malal. X 12 δικαιοσύνη καὶ φιλανθρωπία καὶ αἱ λοιπαὶ τῶν ἀρετῶν πασῶν: Tugenden des Herodes), zweimal in der christlich geprägten Bedeutung: vgl. neben vorliegender Stelle noch Malal. XVII 16 (S. 368, 63 Thurn). An beiden letztgenannten Stellen steht Gottes φιλανθρωπία im Zusammenhang mit einem Erdbeben: In Malal. XVII 16 (Großbeben in Antiochia, 526 n. Chr.) ist es Gottes φιλανθρωπία, die die Plünderer, die inmitten der Trümmer Beute machen, vernichtet; an vorliegender Stelle ist φιλανθρωπία die Ursache der 'vorausgegangenen Erdbeben'. Während die Verwendung von φιλανθρωπία in Malal. XVII 16 noch nachvollziehbar ist (Gott zeigt seine Liebe für die schon genug geplagten Menschen, indem er zumindest die Sünder bestraft), mutet es an vorliegender Stelle zunächst sehr merkwürdig an, dass die Liebe Gottes für seine Geschöpfe Ausdruck in der Entsendung von Erdbeben finden soll; vgl. jedoch die parallele Verwendung von εὐσπλαγνία τοῦ θεοῦ 'Mitleid Gottes' als Bezeichnung der 'Justinianischen' Pest in Malal. XVIII 92, XVIII 92, 7 (dazu auch Festugière 1978, 226). Zum mentalitätsgeschichtlichen Hintergrund dieser besonderen Begriffsverwendungen XVIII 92, 7f. (εὐσπλαγνία); XVIII 128, 3 (φιλανθρωπία).
(Laura Carrara)
3/2 φιλανθρωπίαν: Die Verwendung von φιλανθρωπία entspricht der verbreiteten Idee eines "bekehrenden" Eingriffes Gottes in das irdische Geschehen durch Entsenden von Naturkatastrophen; dazu XVIII 92, 7f.. Bemerkenswert ist an dieser Stelle die beiläufige Erwähnung im Rahmen eines zeitlichen Rückgriffes, die die Selbstverständlichkeit der Interpretation bezeugt.

φιλανθρωπία ist auch ein Schlüsselbegriff in der kaiserlichen Selbstdarstellung Justinians, der sich in entsprechenden Zuschreibungen propagandistisch zum "gleichberechtigten Partner und Kollaborateur Gottes" stilisiert: Zitat Hunger 1975, 340f. zu Iust. Ed. 7; vgl. hierzu außerdem Meier 2004a, 119; zur Gottesnähe in Justinians Herrschaftspropaganda allgemein ebd., 118–136. (Jonas Borsch)
3/5 αἰφνιδίως ἐργαζομένων τῶν Ἰσαύρων: Die Region Isaurien im südlichen Kleinasien war für ihre bergige Topographie bekannt, ihre Bewohner galten in Konstantinopel als Barbaren, bildeten im 5. Jh. aber dennoch den Kern der römischen Armee und stellten 474–481 mit Zenon auch zum ersten Mal einen römischen Kaiser: ODB 2 (1991), 1014, s.v. Isauria (C. Foss). Die Isaurier kannte man zudem als Bau- und insbesondere Steinhandwerker: Mango 1966 mit einer Reihe von Belegen. Für die hier beschriebenen Isaurier, die eindeutig mit der Ausbesserung der Kuppel beschäftigt waren, vermutet Mango (ebd., 364f.), dass es sich um Experten für die Ausführung von Gewölben handelte. (Jonas Borsch)
4f./1 ἔπεσε τὸ ἀνατολικὸν μέρος τῆς προϋποστολῆς <τοῦ ἁγίου θυσιαστηρίου>: Entsprechend dem aus Theophanes übernommenen Zusatz τοῦ ἁγίου θυσιαστηρίου (zur Zulässigkeit dieser Ergänzung XVIII 128, 4f.) bezieht sich diese Beschreibung auf den Altarraum der Hagia Sophia, der im Osten der Kirche unmittelbar vor der das Gebäude abschließenden östlichen Apsis mit dem Synthronon (den halbkreisförmigen Priesterbänken) einen durch Schranken abgesonderten Bereich bildete: Mainstone 1988, 219–222. Die Hinweise darauf, dass durch den Einsturz das Ciborium (XVIII 128, 5) und die heilige Mensa (XVIII 128, 5) zerstört wurden, bestätigen diese Lokalisierung. Theoph. 232,31 ergänzt den Ambon, d.h. die Kanzel, die in der Hagia Sophia wahrscheinlich vor dem Altar, zwischen den beiden östlichen Hauptpfeilern der zentralen Kuppel, platziert war: Mainstone 1988, 222f. Für die Bezeichnung προϋποστολή ergibt sich aus dem von Mango 1966, 364f. herangezogenen hagiographischen Beleg eine Lokalisierung zwischen den beiden östlichen Seitenapsiden. Eingestürzt war also offensichtlich die in diesem Bereich liegende Halbkuppel; dadurch musste auch der östliche Teil der großen Kuppel seine Stützen verlieren und einstürzen: Mainstone 1988, 214. Agathias' Beschreibung der entstandenen Schäden gibt keine ähnlich genaue Lokalisierung, sondern bezieht sich eher vage auf den mittleren Bereich der Dachkonstruktion, bestätigt aber, dass die Schäden großflächig waren (Agath. V 9,3: τὸ μεσαίτατον μέρος τῆς ὀροφῆς καὶ ἅπαντα ὑπερβάλλον, "den mittleren Teil des Daches und alles darüber stehende").

Paul. Silent. Ekphr. 255–278 berichtet, der Kaiser habe auf das Ereignis mit großer Bestürzung reagiert: Demnach sei er zur Einsturzstelle gehastet, ohne auf sein Geleit zu warten, was in der Stadt für großes Aufsehen gesorgt habe. Er sei jedoch erleichtert gewesen, als er erkannte, dass die Grundmauern von den Zerstörungen unbeeinträchtigt waren. Zu dieser Nachricht Whitby 1987, die ihren Wahrheitsgehalt pessimistisch einschätzt (462), auch wenn sie auf die komplementäre Notiz bei Agath. V 9,2 hinweist, derzufolge sich der Kaiser um die Hagia Sophia besonders gesorgt habe. (Jonas Borsch)
4f./2 τὸ ἀνατολικὸν μέρος τῆς προϋποστολῆς <τοῦ ἁγίου θυσιαστηρίου>: "Der östliche Teil der προϋποστολή des heiligen Altarraums", so mit der Ergänzung des zweiten Genitivs τοῦ ἁγίου θυσιαστηρίου aus Theoph. 238, 30 de Boor durch Thurn 2000, 420; wie Theophanes lauten an dieser Stelle auch die Texte von Cedr. 676, 22–23 Bekker sowie Cramer Anecd. 2, 114, 18–19; nur τὸ ἀνατολικὸν μέρος τοῦ ἀγίου θυσιαστηρίου hat hingegen Meg. Chron. 43 Nr. 12 Z. 3 Schreiner. Da (a) kein weiteres Zeugnis der Malalas-Tradition – neben der Handschrift O – lediglich die Sequenz τὸ ἀνατολικὸν μέρος τῆς προϋποστολῆς überliefert; da ferner (b) das Substantiv θυσιαστήριον in der Bedeutung 'Altarraum' in der O-Version der Malalas-Chronik auch anderswo vorkommt (XVI 6, 22) und da schließlich (c) das gleich danach erwähnte Ziborium und die heilige Mensa sich tatsächlich im Altarraum einer Kirche befinden (XVIII 128, 5, XVIII 128, 5), scheint die Ergänzung von τοῦ ἁγίου θυσιαστηρίου für die ursprüngliche(re) Version der Malalas-Chronik gerechtfertigt zu sein: Das Fehlen dieses Genitivs in O wäre somit auf eine mechanische Auslassung zurückzuführen.

Problematischer bleibt hingegen das Substantiv προϋποστολή, welches nahezu ein hapax legomenon der Malalas-Tradition für diese Stelle ist (als hapax legomenon stuft es Millet 1923, 604 ein; Mango 1966 konnte jedoch einen 'Doppelbeleg' aus der Vita Marthae matris Symeonis Stylitae iunioris, aus dem 7. Jh. n. Chr., ausfindig machen, s.u.). Sowohl Festugière 1978, 232 als auch GLRBP s.v. προϋποστολή verzichten sogar auf eine Übersetzung des Substantives und versehen es mit einem Fragezeichen ("quid?").

Gemäß der einzig denkbaren griechischen Etymologie (πρὸ + ὑπὸ + στέλλω) scheint προϋποστολή eine Struktur zu bezeichnen, die 'davor' und 'unten bzw. unter' platziert ist; vgl. das seltene Verb προϋποστέλλομαι mit dem einzigen, dafür aber eindeutigen Beleg bei LSJ s.v., aus einer Schrift des Arztes Rufus von Ephesos: Ruf. Anat. 28 προϋπέσταλται τοῖς ὑποχονδρίοις ὁ σπλήν καὶ τὸ ἥπαρ, "die Leber und die Milz sind vorne unter dem Abdomen gelegen". Laut Mango 1966, 365 (in der Folge von Millet 1923, 604) bedeutet προϋποστολή in der Malalas-Chronik "no more than the part before the apse" (πρὸ + ὑποστολή; ὑποστολή sei gleich 'Apsis'); in den von ihm angeführten Belegen aus der Vita Marthae matris Symeonis Stylitae iunioris ist der als προϋποστολή bezeichnete Bauteil sicher mit einer Wölbung versehen bzw. – genauer – soll laut dem Plan der heiligen Bauherrin (Martha, der Mutter des Hl. Symeons, Schutzheiligen der fraglichen Kirche) eine solche erhalten: Das geht aber mehr aus dem begleitenden Verb (ἐλίσσω, 'wirbeln, winden, wickeln') hervor als aus dem Substantiv selbst: vgl. Vita Marthae 49, 12 van den Ven ἐπιτάττουσα προϋποστολὴν εἰληθῆναι κατὰ τῶν δύο μικρῶν κογχίων und 50, 24 van den Ven ἐπιτρέψαι αὐτῷ προϋποστολὴν εἰλῆσαι κατὰ τῶν δύο μικρῶν κογχίων ("sie befahl bzw. ihm wurde befohlen, eine προϋποστολή bogenförmig anzulegen"). Es ist möglich, dass in der Malalas-Verwendung des Substantives beide Nuancen – sowohl die Stützposition bzw. -funktion der als προϋποστολή bezeichneten Struktur als auch die gewölbte Form – mitschwingen: Dann würde προϋποστολή eine Art 'Stützbogen' bezeichnen (so Jeffreys/Jeffreys/Scott 1986, 297 'the supporting dome'; andere Übersetzungen konzentrieren sich eher auf den Aspekt der runden Form: Chilmead 1691, II, 235 und Thurn 2000, 491 setzen προϋποστολή mit fornix__ gleich; vgl. auch Mango/Scott 1997, 341 für προϋποστολή bei Theophanes 'vault').

Mango 1966, 365 stellt ferner die Hypothese auf, dass das Wort προϋποστολή charakteristisch für (und beschränkt auf) das im syrischen Raum im sechsten Jahrhundert n. Chr. gesprochene Griechisch ist. Er macht darauf aufmerksam, dass beide Belege aus demselben geographischen Raum kommen: Die προϋποστολή in der Vita Marthae bezieht sich auf die Kirche im Kloster des Hl. Simeon (dem berühmten Kloster 'vom Wunderbaren Berg') in der Nähe von Antiochia (dazu Mango 1966, 359 Anm. 7); syrischer Herkunft ist auch Johannes Malalas (jedoch unter dem in Anm. 29 zum Ausdruck gebrachten Vorbehalt: "Assuming that the latter part of Book XVIII of the Chronicle was written by Malalas and not by a Constantinopolitan author"). (Laura Carrara mit Lea Niccolai)
5/5 κιβούριον: Der Begriff ciborium, gräzisiert meist κιβώριον, bezeichnet einen überwölbten oder pyramidalen Aufbau auf vier oder sechs Säulen, der im kirchlichen Kontext den Altar überdachte. Bereits in römischer Zeit wurden Gräber mit ciboria überdacht, was diese nicht nur vor dem Wetter schützte, sondern auch ihre Sichtbarkeit erhöhte; hieraus ergibt sich auch die Verwendung über dem das Grab Gottes symbolisierenden Altar in christlichen Kirchen: ODB 1 (1991), 462, s.v. Ciborium (L. Bouras). Das neue ciborium der Hagia Sophia, das zu deren Wiedereinweihung errichtet wurde, war laut Paulos Silentiarios mit Silber verziert (720–754).
5/8 ἁγίᾳ τραπέζῃ: Die ἁγία τράπεζα bezeichnet den Altar, der in byzantinischen Kirchen zunächst vor, später innerhalb der östlich abschließenden Apsis platziert wurde. In byzantinischen liturgischen Kommentaren wurde dem Altar ein breites Spektrum an Bedeutungen zugeschrieben, z.B. Grablege Jesu, Tisch des letzten Abendmahles, Thron Gottes. Ab dem 4. Jh., etwa gleichzeitig mit seiner räumlichen Fixierung innerhalb des Kirchenbaus, wurde der Altar meist aus Stein (statt wie zuvor meist aus Holz) gefertigt. Im Sockel oder der Plinthe des Altars wurden seit dem 4. Jh. häufig Reliquien niedergelegt, was sich ab dem 8. Jh. als unabdingbarer Usus etablierte: ODB 1 (1991), 71, s.v. Altar (R.F. Taft/L. Bouras). (Jonas Borsch)
5f./10 κατηνέχθη δὲ καὶ τὸ λοιπὸν μέρος τὸ ἀπομεῖναν καὶ αὐτὰ τὰ εἰλήματα: Wie dieser Zusatz zeigt, gingen die Schäden an dem Bau über jenen Teil des Daches hinaus, der den Altarraum überwölbte. Die Mehrdeutigkeit des Verbes καταφέρω (wörtlich: "herunterbringen") wird dabei in den Übersetzungen unterschiedlich interpretiert: Während Thurn/Meier 2009, 520 mit "herabstürzen" übersetzen, heißt es bei Jeffreys/Jeffreys/Scott 1986: "The remaining part that had stayed in place was also brought down". Der dem ersten Teil des Berichtes mit einem καὶ nachgeschobene Satz ist demnach entweder als Verweis auf einen weiteren selbständigen, womöglich mit zeitlichem Abstand folgenden und durch die statische Destabilisierung verursachten Einsturz zu verstehen oder aber als Hinweis darauf, dass man gezielt weitere Teile der Dachkonstruktion abtrug, um einem solchen Einsturz zuvorzukommen und einen besseren Wiederaufbau zu ermöglichen – was auch de facto geschehen ist: Vgl. Mainstone 1988, 215: "[The construction] was preceded by the complete demolition of all of the dome that remained aloft".

Einen Hinweis darauf, wie der Ausdruck hier zu verstehen ist, gibt vielleicht der abermalige Nachsatz καὶ αὐτὰ τὰ εἰλήματα. Er bezieht sich eindeutig auf Bögen (XVIII 128, 6); konkret sind aller Wahrscheinlichkeit nach die großen Stützbögen gemeint, auf die die Kuppelkonstruktion aufsetzte. Paul Silent. 199 spricht nun explizit davon, dass einer dieser Bögen – der östliche – eingestürzt war. Den Zustand nach diesem Einsturz beschreibt er folgendermaßen (203–204): "And one part (ein Teil der Bögen und Kuppel, Anm.) was on the ground, while the rest still (a wonder to behold), just as if without support, was hanging there, companion to the breezes ." Das meint ganz offensichtlich den Zustand vor dem Rückbau. Malalas verwendet hier stattdessen den Plural und betont durch ein καὶ αὐτά die besonders große Reichweite des Einsturzes bzw. der Maßnahme, was vielleicht eher dafür spricht, dass hier darauf angespielt wird, wie tiefgreifend nun nochmals in den Bau eingegriffen wurde. Vgl. mit ähnlicher Einschätzung Millet 1923, 605-606: "Après mûr examen, l'empereur fit abattre l'autre partie qui restait de la coupole et les arcs eux-mêmes", mit Hinweis auf Zon. 3, 170,14-171,1. (Jonas Borsch)
6/12 εἰλήματα: Das seltene Nomen εἴλημα bezeichnet – seiner Etymologie ganz entsprechend (ἕλιξ + Nominalsuffix -μα) – die Spirale, davon ausgehend auch spiralenförmige Gegenstände wie eine zusammengefaltete Schnur (Sext. Emp. Adv. math. 7, 187 εἴλημα σχοινίου). In der Malalas-Chronik bedeutet εἴλημα präzise 'gewölbter Bogen' als Bestandteil eines größeren Baus (vgl. GLRBP s.v. εἴλημα 2); neben dieser Stelle (die einzige, die Thurn 2000, 485 in das 'Index verborum ad res Byzantinas spectantium' aufgenommen hat, mit der Übersetzung fornix) begegnet das Substantiv noch in Malal. X 8 τετράπυλα διὰ εἰλημάτων ('vaulted tetrapyla' in der Übersetzung von Jeffreys/Jeffreys/Scott 1986, 124), Malal. XIII 30 ἐπάνω τῶν εἰλήματων τοῦ χειμάρρου (gewölbtes Tragwerk der Brücke über den Bach Parmenios) und Malal. XVIII 143 (wieder bezüglich der Kuppel der Hagia Sophia), siehe hierzu einschlägig Millet 1923, 604 'arcs et coupole'. Wenige weitere, ausschließlich spätantike Belege für diese Bedeutung von εἴλημα in LSJ s.v. εἴλημα III und IV. (Laura Carrara)
6f./13 ἐκτίσθη δὲ ὁ αὐτὸς τροῦλλος ὑψωθεὶς ἐπὶ πόδας εἴκοσι: Der Neubau der Kuppelkonstruktion, der von Grund auf erfolgte (XVIII 128, 5f.), nahm nahezu so viel Zeit in Anspruch wie die Errichtung des gesamten Baus in der ersten justinianischen Bauphase (532 bis 537): Die Neueinweihung (Malal. XVIII 143) wird bei Theoph. 238,18 de Boor auf den 24.12.562 datiert. Dass die Kuppel anlässlich der Neukonstruktion erhöht wurde, bestätigt Agath. V 9,3, der aber keine Zahlen nennt. Nach Theoph. 233,1–3 de Boor waren es mehr als 20 Fuß; er ergänzt zudem weitere Veränderungen, namentlich an der Pfeilerkonstruktion. Wichtig mit Blick auf die Umbauten ist außerdem die Beschreibung der ursprünglichen Dachkonstruktion bei Procop. Aed. I 1,41–46, dazu Taylor 1996, 69–71. Zum Ablauf der Umgestaltung im Einzelnen Müller-Wiener 1977, 86f.; Mainstone 1988, 89–101, 215–217.

Theophanes' weitaus längere Version der Begebenheit (232,31–233,3 de Boor) hebt neben der Kritik an den Architekten des ersten Baus v.a. die Rolle des Kaisers hervor: Schon der Hinweis auf das angebliche übermäßige Sparen der früheren Architekten hat hier einen inhärent panegyrischen Charakter, da es implizit darauf hinweist, dass nunmehr umso reichere Mittel zur Verfügung gestellt wurden. Der Kaiser persönlich ist hier nun derjenige, der "[die Lage] durchschaute" (λοιπὸν συνιδών, Übers. Thurn/Meier 2009, 520 Anm. 697) und die entsprechenden Veränderungen veranlasst; er erscheint hier also als der begabtere Architekt. Vgl. auch Agath. V 9,3.

Es bleibt unklar, ob die sehr unterschiedliche Gewichtung der kaiserlichen Rolle in der O-Version von Malalas (alle auf den Neubau bezogenen Verben bleiben hier im Passiv: κατηνέχθη, ἐκτίσθη, ὑψωθεὶς) auf mehr zurückgeht als nur die übliche Verknappung der längeren Vorlage, ob also etwa die Rolle des Kaisers bei der Errichtung der wichtigsten Kirche der Stadt durch einen der Kopisten gezielt relativiert worden ist oder ob andersherum Theophanes diese Rolle seinerseits erst herausgestellt hat. Hinweise auf die besondere Rolle Justinians beim Wiederaufbau sind in den zeitgenössischen Quellen sehr präsent; siehe nicht nur die panegyrische Betonung der kaiserlichen Fürsorge in der Ekphrasis des Paulus Silentiarius, sondern auch Agath. V 9,2 (dazu bereits XVIII 128, 4f.). Die in Kedr. 417,1 (653,16–22 Tartaglia) überlieferte Bauinschrift nennt neben Justinian auch Theodora als Stifterin und ignoriert damit den Einsturz einfach: Vgl. Macrides/Magdalino 1988, 71 Anm. 90: "It was as if Justinian's first Hagia Sophia had never suffered destruction and Theodora had never died". (Jonas Borsch)
7/3 ὁ αὐτὸς τροῦλλος: 'Die besagte Kuppel', der Rückverweis gilt der in der ersten Zeile des Kapitels erwähnten Kuppel der Hagia Sophia, XVIII 128, 1.

Zur wiederholten, emphatischen, dem Sinn nach oft beinahe überflüssigen (an dieser Stelle besteht keine Verwechslungsgefahr hinsichtlich der gemeinten Kuppel) Verwendung des Demonstrativums αὐτός bzw. ὁ αὐτός in der Malalas-Chronik XVIII 40, 3. (Laura Carrara)
7/6 ὑψωθεὶς ἐπὶ πόδας εἴκοσι: "hochgezogen über zwanzig Füße"; zur Präposition ἐπί mit Akkusativ als Ausdruck sowohl der zeitlichen als auch der räumlichen Ausdehnung in der Malalas-Chronik Rüger 1895, 41.

Mit diesem Hinweis auf die Erhöhung der Kuppel fällt die O-Version der Malalas-Chronik wieder mit Theophanes' Chronographia (fast) wortwörtlich zusammen (Theoph. 233, 2–3 de Boor; vgl. auch Cedr. 677, 3–4 Bekker). Der bei Theophanes zwischen der Beschreibung des Einsturzes (bis Theoph. 232, 32 de Boor) und dieser Erwähnung des Resultats der Bauarbeiten (die Kuppel wurde höher) dazwischengeschobene, hochinteressante Exkurs zu den Ursachen der Statikprobleme der Hagia Sophia XVIII 128, 2f. fehlt in der O-Version des Malalas-Textes. Ob dieser Exkurs auf eine längere Fassung desselben zurückgeht, welche Theophanes noch vorlag, ist eine nicht mehr mit Sicherheit zu beantwortende Frage; zum Vergleich zwischen Theophanes und O-Malalas im Einzelnen siehe Rochow 1983, 471; optimistisch Mango 1966, 358 ("a text ultimately deriving from the complete Malalas").

Zur Parallelüberlieferung siehe auch Schreiner 1977, 77, hilfreich Millet 1923, 603 mit vergleichender Zusammenstellung der Texte. (Laura Carrara)
Parallelüberlieferung
Griechisch: Theoph. 232, 27–233, 3 de Boor; Cramer Anecd. 2, 114, 14–22; Meg. Chron. 43 Nr. 12 Schreiner = Nr. 11 Whitby; Cedr. 676, 20–677, 19 Bekker = 417,1 Tartaglia; Zon. 3, 170, 14-171, 1 Syrisch: Ps.-Dion. S. 117–118 Witakowski; Mich. Syr. ii 262 Vgl. auch Agath. Hist. V 9, 3 (174, 18-20 Keydell)
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