Malalas 18.118 1–9 = 16–24 (Thurn)

1 (16)
Ἐν δὲ τῷ αὐγούστῳ μηνὶ τῆς δευτέρας ἰνδικτιῶνος ἐγένετο σει-
 
σμὸς φοβερός, ὥστε παθεῖν οἴκους πολλοὺς καὶ λουτρὰ καὶ ἐκκλησίας καὶ
 
μέρη τῶν τειχέων παθεῖν ἐν Βυζαντίῳ. ἐν αὐτῷ δὲ τῷ φόβῳ ἔπεσε καὶ ἡ
 
λόγχη, ἣν ἐκράτει τὸ ἄγαλμα τὸ ἐν τῷ φόρῳ Κωνσταντίνου, καὶ κατε-
5 (20)
πάρη ἐν τῇ γῇ ἐπὶ πήχεις τρεῖς. ἐν δὲ τοῖς συμπτώμασιν πολλοὶ συνελή-
 
φθησαν. ἐν αὐτῷ δὲ τῷ φόβῳ καὶ ἄλλαι πόλεις ἔπαθον, ἐν οἷς καὶ Νικομη-
 
δείας μέρος <πολὺ> καταπεσεῖν. ἐκ δὲ τῶν συμπτωμάτων Νικομηδείας
 
καὶ μεθ’ ἡμέρας τινὲς ζῶντες ἀνηνέχθησαν. ἐπεκράτησεν δὲ ὁ αὐτὸς σει-
 
σμὸς ἡμέρας μʹ.
Philologisch-Historischer Kommentar
1/1 Ἐν δὲ τῷ αὐγούστῳ μηνὶ τῆς δευτέρας ἰνδικτιῶνος: Die Angabe bezieht sich auf den August 554. Sie lässt sich gut mit Theoph. AM 6046 (229, 5–10 de Boor) übereinbringen, wo das Ereignis auf den 15. August desselben Jahres datiert wird (zum Verhältnis der Stellen XVIII 118, 7). Unklar ist, in welchem Verhältnis dazu Theoph. AM 6034 (222, 25–30 de Boor) steht, wo ein inhaltlich ebenfalls eng mit der hier fraglichen Passage verwandter Text begegnet, der sich jedoch auf ein Erdbeben am 16. August 542 bezieht (Meg. Chron. 43, 10 Schreiner = 8 Whitby scheint die gleiche Tradition zu folgen: Whitby/Whitby 1989, 196 Anm. 8; zur Diskussion Meier 2000, der hier zwei distinkte Ereignisse erkennt). Eine abweichende Chronologie bietet auch Ps.-Dion. 112–113 Witakowski, wo das Beben auf den 7. August 551 fällt. Die Chronologieverschiebungen in der Überlieferung erschweren also auch in diesem Fall die Datierung.
Üblicherweise wird sie von der Jahres- bzw. Monatsangabe in der Chronographia abgeleitet: vgl. Downey 1955, 598; Meier 2004a, 667; mitunter kombiniert man diese auch mit Theoph. AM 6046 (= 15. August 554; vgl. Guidoboni 1989, 700; Guidoboni/Comastri/Traina 1994, 336; früher Morgen des 16. August: Ambraseys 2009, 206). Aus der Betrachtung ausgeklammert werden sollte in diesem Kontext Agath. II 15: Dieser ausgedehnte Bericht über eine Katastrophe in Beirut (vgl. XVIII 112) setzt zwar mit dem Hinweis auf ein Beben in Konstantinopel (II 15,1) ein und scheint durch den relativen chronologischen Anschluss eine Datierung auf 554/555 zu implizieren; Agathias’ Datierungsangaben bleiben jedoch sehr vage (XVIII 112, 1) und direkte inhaltliche Bezüge bestehen, abgesehen von den wenig aussagekräftigen Elementen „Erdbeben“ und „Konstantinopel“, nicht. Ob die Stelle wirklich dasselbe Beben meint, bleibt deshalb unsicher (vgl. dagegen Downey 1955, 598; Guidoboni 1989, 700f.; Guidoboni/Comastri/Traina 1994, 336f.; vorsichtiger Ambraseys 2009, 206: „Agathias syncretises what is probably this event with the earthquakes of AD 551“). Unklar ist auch die Beziehung zwischen der Chronographia und einer Reihe von weiteren inhaltlich verwandten Erdbebenerwähnungen: So verzeichnet Victor von Tunnuna (Vict. Tonn. ad ann. 553 = Chron. min. II 203 Mommsen) ein zerstörerisches Erdbeben in Konstantinopel für 553, schildert jedoch gegenüber der Chronographia abweichende Details. Die Vita des jüngeren Symeon ([_Vita Sym. Iun._] 106 = 86/108–109 van den Ven) berichtet von einer Erschütterung, die u.a. auch Nikomedia erreichte, jedoch auf 551 n. Chr. datiert wird (eine Zusammenlegung mehrerer Ereignisse? So Ambraseys 2009, 207). Cedr. 415,1,1–3 und 8-11 Tartaglia berichtet sogar von einem weltweiten Beben (παγκόσμιος) mit schwerwiegenden Folgen in Arabien, Palästina, Mesopotamien und (dem Bezirk?) Antiocheia. Hierbei scheint es sich um eine Zusammenlegung mit dem Erdbeben von 551 n. Chr. in der Levante (XVIII 112) zu handeln. Schließlich kennt das konstantinopolitanische Synaxarion den 16. August als Erdbebengedenktag ([_Syn. Eccl. Const._] 904,28-32). Dazu passt Cedr. 415,1,10–11 Tartaglia, wonach des Erdbebens jährlich auf dem Kampus (nahe dem Hebdomon XVIII 124, 4f.) gedacht wird. (Jonas Borsch)
1f./9 ἐγένετο σεισμός: Zu σεισμός (s.a. Z. 8) und zur Formel σεισμός + eine Form des Verbes γίγνομαι: XVIII 55, 1. (Laura Carrara)
2/2 φοβερός Zur besonderen, keineswegs durchweg negativen Konnotation des Begriffes φοβερός in der Chronographia allgemein und zur Qualifizierung von Erdbeben, II 4, 2.
2/3 ὥστε παθεῖν οἴκους πολλοὺς καὶ λουτρὰ καὶ ἐκκλησίας καὶ μέρη τῶν τειχέων παθεῖν ἐν Βυζαντίῳ: Die Erdbebenbeschreibungen enthalten in den früheren Büchern nur ab und an dezidierte Äußerungen darüber, welche Gebäude oder Gebäudearten zerstört wurden (vgl. X 23; XIV 12). Erst in Buch XVIII findet sich eine ganze Reihe solcher Verweise: XVIII 27; XVIII 28; XVIII 118; XVIII 124; auch die kirchenslavische Version von XVII 16 scheint Vergleichbares zu bieten. Insgesamt sehr viel häufiger werden die Zerstörungen in indirekter Form konkretisiert, nämlich durch Aufzählung der wiederhergestellten Bauten (vgl. X 18; X 23; XII 38; XIII 12; XIV 12; XIV 20; XIV 29; XVII 16); ab Buch XVIII bleiben die Verweise auf Wiederaufbaumaßnahmen dann durchgehend kursorisch, d.h. Verweise auf einzelne Bauten oder Gebäudetypen fehlen. Die im hiesigen Zusammenhang genannten Gebäudeformen sind gleichzeitig diejenigen, die allgemein am häufigsten als Gegenstand sowohl von Zerstörungen als auch von Baumaßnahmen genannt werden, nämlich Bäder, Kirchen und Stadtmauern (letztere insbesondere in den späteren Büchern; vgl. Moffat 1990, 93, die hier eine Parallele zu Prokops Bauten sieht). Wenn, wie zu vermuten steht (XVIII 118, 3), der Text tatsächlich um einen Hochpunkt zwischen ἐκκλησίας und dem darauffolgenden καί zu ergänzen ist, so hieße das inhaltlich, dass von den genannten Gebäudeformen – Häuser, Bäder, Kirchen, Mauern – nur die letzteren dezidiert in Byzanz/Konstantinopel lokalisiert werden.

Für ὥστε + Infinitiv in der Chronographia zur Einleitung eines Konsekutivsatzes, der zur Angabe der Folgen von Naturkatastrophen dient, siehe Weierholt 1963, 53 unter Nr. 3; allgemein zu Konsekutivsätzen Helms 1971, 363–364, 382–383 (Stellenverzeichnis). Man beachte die fast identische Struktur des Anfangs eines weiteren späteren Erdbebenkapitels in XVIII 124 Μηνὶ δεκεμβρίῳ / ἰνδικτιῶνος ϛʹ / ἐγένετο σεισμὸς φοβερός πάνυ, / ὥστε παθεῖν τὰ δύο τείχη κτλ. Solche Wiederholungen tragen maßgeblich dazu bei, den Eindruck einer gewissen ‚Formelhaftigkeit‘ der Erdbebensprache entstehen zu lassen (explizit bemerkt z.B. von Jeffreys 1990e, 228).
3/4 παθεῖν: Zur (sparsamen) Verwendung des Verbs παθεῖν (s.a. Z. 2) im Zusammenhang mit Erdbeben in dem finalen Teil der Chronographia XVIII 55, 1. An hiesiger Stelle fragt man sich, ob das Verb παθεῖν - nachdem genau dieselbe Form bereits in Z. 2 als Infinitiv desselben Konsekutivsatzes in Erscheinung getreten ist - wirklich nötig und richtig ist. Nötig ist es sicherlich nicht: Weder Thurn/Meier 2009, 515 noch Jeffreys/Jeffreys/Scott 1986, 293 brauchen es, um eine perfekt verständliche und flüssige Übersetzung des Passus zu geben. In einer wichtigen Parallelstelle aus der griechischsprachigen Tradition zu diesem Erdbeben, welche mit dem Wortlaut und dem Satzbau von O ansonsten praktisch identisch ist, kommt kein zweites παθεῖν vor: vgl. Theoph. 229, 6–7 de Boor ὥστε παθεῖν οἴκους πολλοὺς καὶ λουτρὰ καὶ ἐκκλησίας καὶ μέρος [μέρη O] τῶν τειχέων (zu Theophanes’ Abhängigkeit von der Chronographia in diesem Punkt siehe Rochow 1983, 468 unter „AM 6034 (541/542)“ und 470 unter „AM 6046 (553/554)“, ferner Jeffreys/Jeffreys/Scott 1986, 293 im Subtext „Th b [i.e. Theoph. 229, 5–10 de Boor] certainly reflects Ba[roccianus] here“; Whitby/Whitby 1989, 196 Anm. 8; Meier 2000, 289). Zwar ist Theophanes bekanntlich nie unkritisch als treuer Abguss des Urtextes der Chronographia zu werten (siehe dazu allgemein Jeffreys 1990f, 257–259), doch in diesem Fall besteht die konkrete Möglichkeit, dass das zweite παθεῖν sich infolge eines mechanischen Wiederholungsfehlers in den Text der Chronographia später als Theophanes eingeschlichen hat, der somit eine dem Original näher stehende Fassung böte. Alternativ wäre die Hypothese in Betracht zu ziehen, dass bereits Theophanes durch Tilgung des unnötigen παθεῖν den Text der Vorlage vereinfachen wollte. Vgl. die O-Dublette τῶν δύο *πολιτειῶν* Ῥωμαίων τε καὶ Περσῶν τῶν δύο *πολιτειῶν* in XVIII 76 (wiederholtes Wort diesmal getilgt von Thurn 2000, 401; für diese Stelle kann sogar eine präzisere Erklärung als eine bloße Wortwiederholung vorgeschlagen werden: XVIII 76, 3) Einen Ausweg aus der Tilgungs- und der Wiederholungshypothese böte die genaue Berücksichtigung der Interpunktion der Handschrift O (f. 316), welche nach ἐκκλησίας einen Hochpunkt setzt und mit zwei aufeinanderfolgenden, aber separaten Konsekutivsätzen operiert: ὥστε παθεῖν οἴκους πολλοὺς καὶ λουτρὰ καὶ ἐκκλησίας· καὶ μέρη τῶν τειχέων παθεῖν ἐν Βυζαντίῳ·, „sodass viele Häuser und Bäder und Kirchen zu Schade kamen; und sodass auch Teile der Mauern in Byzanz zu Schade kamen“. (Laura Carrara)
3/7 ἐν αὐτῷ δὲ τῷ φόβῳ: Zu φόβος, s.a. Z. 6 ἐν αὐτῷ δὲ τῷ φόβῳ, als direkte Bezeichnung eines Erdbebens (und nicht als Bezeichnung der vom Ereignis ausgelösten Furcht): IX 21, 3.
4/12 κατεπάρη: Die überlieferte Lesart ist die 3. Pers. Sg. des (starken) Pass. Aorists von καταπείρω, ‚einstechen, dringen‘. Merz 1911, 30 verzeichnete κατεπάρη in seiner Liste von „in klassischer Prosa ungebräuchlichen oder erst in späterer Zeit entstandenen zweiten Aoristen“, die in der Chronographia vorkommen. Ein Beleg für den zweiten Aorist Passiv eines anderen Kompositums von πείρω, ἀναπείρω, findet sich allerdings bereits in Hdt. IV 94, 3 Ἢν μὲν δὴ ἀποθάνῃ ἀναπαρείς, τοῖσι δὲ ἵλεος ὁ θεὸς δοκέει εἶναι, „Falls jener ([_i.e._] der auf die Probe gestellte Mann, durchbohrt von den Lanzen, ἐς τὰς λόγχας in IV 94, 2 – übrigens dasselbe Wort wie in hiesiger Passage), stirbt, dann scheint ihnen der Gott gut gesinnt zu sein“. Der Vergleich mit dieser Herodot-Stelle lässt eine grammatikalische Ungereimtheit des hiesigen Textes klarer zu Tage treten: Der Passiv ἀναπαρείς ist bei Herodot völlig gerechtfertigt (der geopferte Mensch wird durchbohrt von einer Lanze), während es in der Chronographia die Lanze selbst ist, die in einen Körper/Gegenstand eindringt. Dem Sinn nach wäre also statt des Passivs ein Aktiv oder ein Medium zu erwarten; deshalb konjizierte Chilmead 1691, II, 231 Anm. 2 für κατεπάρη die aktive Aoristform κατέπειρε: „die (gefallene) Lanze drang in die Erde ein“. Ob man in der Chronographia von einer sauberen Unterscheidung und Handhabung der Diathesen ausgehen kann, bleibt fraglich, siehe dazu den Überblick über die genera verbi bei Wolf 1912, 50–51. Die Entscheidung von Thurn 2000, 416, Chilmeads Vorschlag im Apparat anzuführen, ihn aber nicht in den Haupttext aufzunehmen, scheint in diesem Fall eine gute Lösung zu sein.
5/2 ἐν τῇ γῇ: Die Lanze „dringt in die Erde ein“: Man erwartet εἰς + Akkusativ; zur weitgehenden Aufhebung der Unterscheidung zwischen ἐν + Dat. und εἰς + Akk. in der Chronographia, XVIII 43, 2f.. In ἐν + Dat. ist auch das Endergebnis des beschrieben Ereignisses mitausgedruckt: Die Lanze dringt in die Erde ein und steht ab diesem Punkt fix in dem Erdboden (ἐν τῇ γῇ).
5/5 ἐπὶ πήχεις τρεῖς: ἐπί + Akk. wird in der Chronographia nicht nur für das ‚Sich erstrecken‘ über einen Zeitraum benutzt (dazu siehe die Belege bei Rüger 1895, 41 u. 52), sondern auch für das ‚Sich ausbreiten‘ über einen Raum tout court, vgl. XVIII 112 (infolge des Erdbebens zieht sich das Meer ἐπὶ μίλιον ἕν zurück) und weitere Stellenangaben bei Rüger 1895, 41.
5/8 ἐν δὲ τοῖς συμπτώμασιν πολλοὶ συνελήφθησαν: In Platzierung und Struktur erinnert dieser Satz stark an XVIII 112, wo es mit Bezug auf das Beben von Juli 551 heißt: κατελήφθησαν δὲ ἐν αὐταῖς καὶ πλήθη ἀνθρώπων. Die Passagen bilden gleichzeitig zwei der eher seltenen Beispiele innerhalb der Chronik für die Erwähnung von Todesopfern nach Erdbeben: XVIII 112, 5f..
7/3 <πολὺ>: Ergänzung von Thurn 2000, 416 aus Theoph. 229, 9 de Boor πέπτωκε δὲ καὶ Νικομηδείας μέρος πολύ; dies ist eine Stelle, die nach der heute herrschenden Meinung direkt von der ursprünglichen Version der Chronographia abhängt: siehe Rochow 1983, 468 unter „AM 6034 (541/542)“ und 470 unter „AM 6046 (553/554)“, ferner Jeffreys/Jeffreys/Scott 1986, 293 im Subtext „Th b [i.e. Theoph. 229, 5–10 de Boor] certainly reflects Ba[roccianus] here“; Whitby/Whitby 1989, 196 Anm. 8; Meier 2000, 289.
7/4 καταπεσεῖν: Dieser Aorist-Infinitiv steht in dem relativen Nebensatz ἐν οἷς ... an der Stelle der (regulär zu erwartenden) finiten Verbform und soll offenbar deren Funktion erfüllen. Ein solches Phänomen ist selbst in der Sprache der Chronographia nicht nochmals belegt; deshalb vermutete Chilmead 1691, II, 231 Anm. 3, vor dem Infinitiv καταπεσεῖν fehle ein finites Verb wie συνέβη oder Ähnliches („quid tale“), wovon καταπεσεῖν regelgemäß abhänge: „darunter ([_scil._] unter den anderen Städten) wurde auch einem Teil von Nikomedia das Schicksal zuteil [συνέβη], zu Boden zu fallen [καταπεσεῖν ]“. Für die Kombination συνέβη + Infinitiv ließen sich mehrere Passagen aus der Chronographia anführen, wie z.B. V 3 συνέβη τὴν Ἑλένην κατελθεῖν; VI 14 καὶ συνέβη τι φοβερὸν γενέσθαι τότε; X 32 συνέβη τελευτῆσαι Εὐόδιον τὸν ἐπίσκοπον und συνέβη δὲ ἐν τοῖς αὐτοῖς χρόνοις τελευτῆσαι καὶ Μάρκον τὸν ἀπόστολον; XII 10 τοσοῦτοι δὲ ἦσαν οἱ ἐρχόμενοι ἀγωνίσασθαι, ὅτι οὐχ ὑπερεβάλλοντο ἀριθμῷ ἀλλ’ ὅσους συνέβη ἐλθεῖν κατὰ τάγμα (in einem Relativsatz); XVII 15 Ἐν δὲ τῷ αὐτῷ χρόνῳ συνέβη παθεῖν ὑπὸ θεομηνίας τὸ λεγόμενον Δορράχιον (in einem ähnlichen Erdbebenkontext); XVIII 27 Συνέβη δὲ ἐν αὐτῷ τῷ καιρῷ ὑπὸ θεομηνίας παθεῖν Ἀντιόχειαν τὸ ἕκτον αὐτῆς πάθος (in einem ähnlichen Erdbebenkontext); XVIII 28 Ἐν δὲ τῷ αὐτῷ χρόνῳ συνέβη παθεῖν ὑπὸ σεισμοῦ Λαοδίκειαν τὸ πρῶτον αὐτῆς πάθος (Erdbebenkontext); XVIII 37 Συνέβη δὲ κατ’ ἐκεῖνο καιροῦ παθεῖν ὑπὸ θεομηνίας Ἀμάσειαν (Erdbebenkontext); XVIII 90 Ἰνδικτιῶνος εʹ συνέβη γενέσθαι τοιοῦτον πρᾶγμα. Keine von diesen Passagen ist freilich mit dem von Chilmead rekonstruierten Text identisch, da συνέβη in der Chronographia meistens das Hauptereignis und somit das ganze Kapitel einleitet, und nur einmal (XII 10) ‚versteckt‘ in einem Nebensatz steht. Möglicherweise war nicht genau συνέβη das ursprüngliche Wort: So, wie er von O überliefert und sowohl von Dindorf 1831, 487 als auch von Thurn 2000, 416 abgedruckt ist, bleibt der Text an dieser Stelle defekt und bedarf der Korrektur oder zumindest der Erklärung. Alternativ zur Ergänzung von συνέβη könnte man für den Infinitiv καταπεσεῖν den Indikativ Aorist κατέπεσεν vorschlagen: Dieser ergibt einen glatteren Satzbau („und darunter fiel auch ein Teil von Nikomedia zu Boden“), setzt aber statt des mechanischen Ausfalls eines Wortes eine doppelte Änderung des überlieferten Wortlaut voraus (κατ*α*πεσ*εῖ*ν - κατ*έ*πεσ*ε*ν). Keine Hilfe für die Lösung dieses texkritischen Problems kommt aus dem einzigen Zeugnis in der Parallelüberlieferung, das die Nikomedia-Erwähnung mit der Chronographia teilt (siehe dazu Meier 2000, 294), denn Theoph. 229, 9 de Boor hat - ganz unproblematisch - das Perfekt πέπτωκε (‚fiel zu Boden‘), welches keine Aussage über den Wortlaut der Vorlage ermöglicht: πέπτωκε könnte sowohl eine Vereinfachung für συνέβη καταπεσεῖν sein als auch Theophanes’ Korrektur für das alleinstehende, ungrammatikalische καταπεσεῖν sowie schließlich auch eine einfache, fast synonyme Umschreibung von κατέπεσεν.
7f./5 ἐκ δὲ τῶν συμπτωμάτων Νικομηδείας καὶ μεθ’ ἡμέρας τινὲς ζῶντες ἀνηνέχθησαν: „Aus den Trümmern von Nikomedeia wurden auch noch nach Tagen manche lebendig geborgen“: ἐκ deutlich separativ (vgl. XVII 16 ἔγκυοι γὰρ γυναῖκες ... ἀνῆλθον ἐκ τῶν χωσθέντων ὑγιεῖς (Erdbeben in Antiochia 526 n. Chr.); V 32 ἐν ἱερῷ Ἀρτέμιδος ληφθεὶς σωθήσῃ ἐκ βωμῶν („gesagt vom Opfertode auf den Altären“, Rüger 1895, 41)). Das hier berichtete – inhaltlich durchaus glaubwürdige – Detail hebt die hiesige Erdbebenpassage von den sonst eher kursorischen Erdbebennotizen in der zweiten Hälfte des 18. Buch besonders ab (vgl. jedoch zum Graben nach Verschütteten XVIII 19). Parallelen finden sich hierzu eher in literarisch stark ausgestalteten und dramatisierenden Erdbebenberichten: Lebend aus den Trümmern Gerettete erwähnt etwa schon Cass. Dio in seiner berühmten Darstellung des Bebens von Antiocheia im Jahr 115 n. Chr. (Cass. Dio LXVIII 25,3–4). Ein mit dem bei Cassius Dio eng verwandtes Motiv bietet sehr viel später in einem genuin christlich-straftheologischen Kontext der Patriarch Severus (um 456–538 n. Chr.) in einem Bericht über ein wohl in das 5. Jh. n. Chr. gehörendes Beben, das sich ebenfalls in Antiocheia ereignete ([_PO_] 36,4, 119,23–25). In der Chronographia selbst schließlich finden sich ähnliche Details gerade in der exzeptionellen – in vielerlei Hinsicht vom in der Chronographia Üblichen abgehobenen –Beschreibung der gewaltigen Erdbeben- und Feuerkatastrophe von Antiochia im Jahr 526 n. Chr. (XVII 16).

Mehrere spätere Texte (von denen allerdings nicht alle eindeutig auf das hiesige Ereignis zu beziehen sind) berichten von Bittprozessionen in Konstantinopel oder andernorts, wobei z.T. die straftheologische Ausdeutung deutlich vor Augen tritt (Io. Eph. 241,1–16; Ps. Dion. 112–113 Witakowski; Vita Sym. Iun. 106 = 86/?? van den Ven). Die Notiz über die wunderhafte Rettung Einzelner lässt sich in einem ähnlichen Sinne theologisch ausdeuten: Bestrafung der Sündhaften – Rettung der Unschuldigen (vgl. die Homilie des Severus,[_PO_] 36,4, 119,23–25; siehe auch die Unterteilung in heil und verletzt Entkommene in Ps. Dion. 113 Witakowski). (Jonas Borsch)
8/2 μεθ’ ἡμέρας: Fester Ausdruck für „nach einigen Tagen“ in der Chronographia:VI 3, 22.
8/7 ἐπεκράτησεν ... ἡμέρας μʹ: Zu ἐπεκράτησεν mit ἐπί + Akkusativ bzw. mit simplem Akkusativ der Dauer bezüglich der zeitlichen Ausdehnung einer (Natur-)Katastrophe, XVIII 92, 6.
8/7 ἐπεκράτησεν δὲ ὁ αὐτὸς σεισμὸς ἡμέρας μʹ: Dass das Beben 40 Tage angehalten habe (es also für eine entsprechende Dauer zu Nachbeben kam), wird auch anderswo hervorgehoben. Der (freilich mit einer Datierung auf 551 versehene) Text des Ps. Dion. schildert, dass die stetige Wiederkehr der Beben die Menschen dauerhaft zu Gebeten und Bußhandlungen veranlasst habe; zu dieser Form des Bewältigungshandelns vgl. XVIII 55, 1f..

Zu ἐπεκράτησεν mit ἐπί + Akkusativ bzw. mit simplem Akkusativ der Dauer bezüglich der zeitlichen Ausdehnung einer (Natur-)Katastrophe, XVIII 92, 6. Während für viele der in den früheren Büchern der Chronographia thematisierten Erdbeben präzise Tageszeiten angegeben werden (VIII 24, 6), finden sich nur wenige Stellen, an denen die Dauer der Erschütterung thematisiert wird: Vgl. XVIII 27 (eine Stunde); XVIII 102 („ständige“ Erdbeben im Plural); nur in einem dieser Fälle wird mit einer ähnlichen Formulierung auf eine tagelang anhaltende „Serie“ von Erdbeben angespielt (XVIII 124: 10 Tage; vgl. allerdings die zweifache Verwendung einer vergleichbaren Formulierung in XVIII 135 zu Feuern in Konstantinopel). Auch in diesem neuen inhaltlichen Element könnte man ein Indiz zugunsten der These sehen, dass die letzten Abschnitte der Chronographia deutlich später abgefasst wurden als der Rest (vgl. etwa Jeffreys 1990b, 159; Croke 1990c, 21–25). Allerdings versteht es sich, dass Informationen zur Dauer des jeweiligen Erdbebens für zeitgenössische Fälle deutlich leichter einzuholen waren als für Jahrhunderte zurückliegende Ereignisse.
Parallelüberlieferung
Griechisch: Vita Sym. Iun. 106 = 86/108–109 van den Ven; Theoph. 222, 25–30 de Boor u. Theoph. 229, 5–10 de Boor u. Theoph. 229, 29–230, 3 de Boor (?); Georg. Mon. 642, 8–11 de Boor; Cramer Anecd. II 113, 24–30; Cedr. 415,1,1–3 und 8-11 Tartaglia; Meg. Chron. 43 Nr. 10 Schreiner = Nr. 8 Whitby. Syrisch: Ps.-Dion. 112–113 Witakowski; Mich. Syr. IX 29.
Literatur
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