Malalas 17.18 1–14 = 35–48 (Thurn)
1 (35)
Μετὰ δὲ τὸ ὄγδοον ἔτος τῆς αὐτοῦ Ἰουστίνου βασιλείας καὶ μηνῶν
θʹ καὶ ἡμέρας εʹ συνεβασίλευσεν αὐτῷ ὁ θειότατος Ἰουστινιανὸς ὁ συγ-
5 (39)
θικῷ τῷ καὶ ἀπριλλίῳ κατὰ τοὺς Ῥωμαίους τῆς εʹ ἰνδικτιῶνος, καὶ τῷ
φοεʹ ἔτει κατὰ τοὺς Ἀντιοχεῖς τῆς Συρίας ἐπὶ τῆς ὑπατείας Μαβορτίου.
ὅστις βασιλεὺς Ἰουστινιανὸς πολλὰ ἐχαρίσατο τῇ αὐτῇ τῶν Ἀντιοχέων
πόλει· καὶ εἰς πᾶσαν πόλιν τῆς Ῥωμαϊκῆς πολιτείας ποι ήσας μεγάλην
κατάστασιν· καὶ ἐν ἑκάστῃ δὲ πόλει κατέπεμψε θείας σάκρας, ὥστε
10 (44)
τιμωρηθῆναι τοὺς ἀταξίας ἢ φόνους ποιοῦντας, ὁποίου δ᾽ ἂν ὑπάρχωσι
μέρους, ὥστε μὴ τολμᾶν τινα τοῦ λοιποῦ τὴν οἱανδήποτε ἀταξίαν ποιῆ-
σαι, φόβον ἐνδειξάμενος εἰς πάσας τὰς ἐπαρχίας.
Ἐν δὲ Ἀντιοχείᾳ τῇ μεγάλῃ πρὸς ὀλίγον καιρὸν ἐγένοντο ἐν φιλίᾳ οἱ
δῆμοι.
Philologisch-Historischer Kommentar
1f./1 Μετὰ δὲ τὸ ὄγδοον ἔτος τῆς αὐτοῦ Ἰουστίνου βασιλείας καὶ μηνῶν θ’ καὶ ἡμέρας ε΄: Das achte Regierungsjahr Justins endete im Juli 526. Die Datierung nach Herrschaftsjahren ist in der Chronographia selten und hier sicher durch den besonderen Anlass – die Ernennung Justinians zum Mitkaiser – motiviert (vgl. zur ausführlichen Datierung des Herrschaftsantrittes der zeitgenössischen Kaiser bei Malalas XVII 1, 1ff. ; auch der Beginn der Alleinherrschaft Justinians wird zum Auftakt des letzten Buches betont präzise angegeben, vgl. XVIII 1). Die Jahreszahl ist um eine Monatsangabe (neun) ergänzt, die zu addieren ist und aus der sich (gerechnet ab dem Malal. XVII 1 gegebenen 9. Juli 518 als Tag des Amtsantrittes Justins) der April 527 ergibt. Aus dem slawischen Text kann die Tagesangabe ἡμέρας ε΄ ("am fünften Tag") ergänzt werden. Chron. Pasch. 616B wiederholt diese Datierung fast wortgleich. In der weiteren Überlieferung wird der April 527 unisono bestätigt; konkret wird dabei meist Gründonnerstag, der 1. April, als Datum genannt, so insbes. im Selbstzeugnis Justinians: Nov. Iust. 47,1; vgl. außerdem Marc. Com. ad ann. 527; Evagr. IV 9, auch Theoph. 173,13–14 de Boor (auf Malalas basierend: Mango/Scott 1997, 265 Anm. c). Ps.-Zach. IX 1 legt die Ernennung ohne konkretes Datum auf den Gründonnerstag; vgl. auch Procop. HA IX 53 (drei Tage vor Ostern, wobei die pietätlose Terminwahl betont wird). Kedrenos' Angabe (14. April und Osterfest, 641,23 Bekker) ist sicher fehlerhaft (Vasiliev 1950, 95 Anm. 73). Ernstzunehmen ist hingegen die Angabe Const. Porph. de cerem. 95, wo für den 4. April eine Versammlung im Delphax (XV 13, 15 ) bezeugt ist, bei der Justinian durch den Patriarchen gekrönt worden sei. Vasiliev 1950, 95 Anm. 73 kann sich nicht vorstellen, dass die Krönungszeremonie tatsächlich in der Karwoche stattgefunden haben soll und datiert die Amtseinsetzung deswegen (in Unkenntnis der justinianischen Novelle) auf den 4. April. Schon Anastasios war jedoch laut Malalas am Gründonnerstag zum Kaiser erhoben worden: Malal. XVI 1. Die dortige Angabe τῇ ἁγίᾳ πέμπτῃ τῆς μεγάλης ἑβδομάδος (wörtl.: "am heiligen Fünften der großen Woche") erklärt vielleicht auch die hiesige Formulierung ἡμέρας ε΄: Die fünf Tage sind nicht der Jahres- und Monatsangabe hinzuzufügen, sondern bezeichnen den fünften Tag der vorösterlichen Woche, i.e. den Gründonnerstag. Auch Malalas bestätigt demnach die Datierung auf den 1. April 527. Die abweichende Datierung auf den 4. April lässt sich am besten damit erklären, dass nach der Ernennung durch Justin am 1. April noch die bei Const. Porph. de cerem. 95 beschriebene öffentliche Bestätigungszeremonie mit Krönung durch den Patriarchen am Ostersonntag, den 4. April, stattfand: Stein 1949, 240. Diese Erklärung hat sich als communis opinio durchgesetzt, vgl. Mazal 2001, 309; Meier 2004a, 122f.; Croke 2007, 51; Leppin 2011a, 89f. (Jonas Borsch mit Olivier Gengler)
2/5 συνεβασίλευσεν αὐτῷ ὁ θειότατος Ἰουστινιανὸς: Zu Justinian XVIII 1, 2 . Anlass für Justinians Ernennung zum Mitregenten war nach Aussage mehrerer Berichterstatter eine schwere Krankheit des mehr als siebzigjährigen Justin, die fürchten ließ, dass er nicht mehr lange leben werde (Const. Porph. de cerem. 95; Zon. 150,18–151,1 Pinder). Justinian tritt von diesem Zeitpunkt an bis zu Justins Tod (1. August 527) in Münzprägung und Gesetzgebung gemeinsam mit seinem Onkel auf. Inwieweit Justin angesichts seiner Krankheit faktisch noch zur Führung der Regierungsgeschäfte in der Lage war, geht aus den Quellen nicht hervor. Eine offenbar hastige Umstellung der Münzprägung und neue Schwerpunkte in der Gesetzgebung, insbesondere sichtbar im verschärften Vorgehen gegen Häretiker, könnten aber darauf hindeuten, dass Justins Gesundheitszustand sich rapide verschlechtert hatte und dass Justinian das Regierungshandeln bereits in diesen vier Monaten maßgeblich bestimmte: Croke 2007, 51–53; contra Leppin 2011a, 90, demzufolge diese Verschärfung nicht zum religionspolitischen Vorgehen Justinians in dessen ersten Regierungsjahren passe. (Jonas Borsch)
4/2 στεφθεὶς ὑπὸ τοῦ θειοτάτου αὐτοῦ θείου Ἰουστίνου: Die Beschreibung der offiziellen Zeremonie anlässlich von Justinians Antritt als Augustus in Const. Porph. de cerem. 95 bezeugt, dass die eigentliche Krönung durch den Patriarchen Epiphanios vorgenommen wurde. Dass Malalas hier anders formuliert, kann womöglich als Indiz dafür gesehen werden, dass es zwei Krönungszeremonien gab (vgl. implizit Mazal 2001, 309). Vor allem aber bezeugt sie, dass die Ernennung durch Justin in der zeitgenössischen Wahrnehmung als eigentlich entscheidend angesehen wurde (darauf deutet auch die Zählung der Regierungszeit ab dem 1. April durch Justinian selbst, s.o.). Den Ablauf der Zeremonie vom 4. April und insbes. den Umstand, dass diese im Delphax (d.h. nicht-öffentlich) stattfand, interpretiert Meier 2004a, 122f. als Zeugnis für eine neue Politik, die dem Volk als Machtfaktor nur noch geringe Bedeutung beimaß und deswegen auf eine Krönung in der größtmöglichen Öffentlichkeit des Hippodroms verzichten konnte. Dagegen führt Croke 2007, 51 den späten Bericht des Zonaras (151,4–7) an, der eine separate Feier im Hippodrom explizit bezeugt. (Jonas Borsch)
4ff./9 μηνὶ ξανθικῷ τῷ καὶ ἀπριλλίῳ κατὰ τοὺς Ῥωμαίους τῆς ε’ ἰνδικτιῶνος, καὶ τῷ φοε᾿ ἔτει κατὰ τοὺς Ἀντιοχεῖς τῆς Συρίας ἐπὶ τῆς ὑπατείας Μαβορτίου: Der zweite Teil der Datierungsformel, z.T. nur im slawischen Text überliefert (s. aber unten), schließt die Indiktionsangabe, die Datierung nach der antiochenischen Ära und die Konsulangabe ein. Alle lassen sich mit der eingangs gegebenen Tagesdatierung (XVII 18, 1f. ) gut übereinbringen. Zum Konsul Mavortios: PLRE II (Vettius Agorius Basilius Mavortius 2), 736f.; vgl. für weitere Belege zu seinem alleinigen Konsulat im Jahr 527 Bagnall/Cameron/Schwartz/Worp 1987, 588f. Diese Datierungselemente kommen alle wieder in XVIII 1 vor, wo der Anfang von Justinians Regierungszeit rückwirkend am 1. April 527 festgelegt wird. Zum Monat Xanthikos: V 2, 27 . (Jonas Borsch mit Olivier Gengler)
7f./1 ὅστις βασιλεὺς Ἰουστινιανὸς πολλὰ ἐχαρίσατο τῇ αὐτῇ τῶν Ἀντιοχέων πόλει: Gleich als erste Amtshandlung des neuen Kaisers verzeichnet Malalas eine Schenkung an Antiochia (VIII 12, 23 ), die wahrscheinlich als Reaktion auf die kürzlich dort geschehenen Beben- und Brandkatastrophen (XVII 14 und 16) zu verstehen ist. Justinians und Theodoras Einsatz für den zerstörten Ort steht auch im folgenden Abschnitt im Mittelpunkt (XVII 19). (Jonas Borsch)
8ff./2 καὶ εἰς πᾶσαν πόλιν ... τὰς ἐπαρχίας: Diese Passage zeigt Justinian nochmals als alleinigen Handelnden, was insofern bemerkenswert ist, als dass es hier um jurisdiktionelle Maßnahmen geht, die in anderen aus der Zeit der Doppelherrschaft bekannten Fällen von Justin formal mitgetragen worden sind (dazu schon XVII 18, 2 ). Als Erklärung dafür kommt entweder in Betracht, dass die Rolle Justins vergessen wurde bzw. dem Autor nicht bedeutsam erschien, oder dass es sich bei der hier thematisierten Entsendung von Dekreten tatsächlich um eine von Justinian alleine verantwortete Maßnahme handelt. Beides spräche mehr oder weniger stark für eine gewisse Autonomie des neu ernannten Augustus bei der Entfaltung der Regierungsgeschäfte.
Dass im Kontext der Bekämpfung von Unruhen gerade die Zirkusfaktionen (die hier wahrscheinlich mit μέρει gemeint sind: XVII 18, 11 ) ins Blickfeld rücken, ist angesichts der engen Verknüpfung der gerade auch bei Malalas regelmäßig geschilderten Aufstände mit dem Wirken der Zirkusparteien wenig verwunderlich; (allgemein zu den Zirkusparteien: XVIII 1, 8 ). Das Vorgehen gegen Missetäter jedweder Parteizugehörigkeit sorgt dabei für Furcht im ganzen Reich, was im Kontext klar positiv konnotiert ist. Der φόβος begegnet in der Chronographia wiederholt als Ergebnis harscher kaiserlicher Maßnahmen und wird dabei offensichtlich als legitimes Mittel zur Herstellung von Ruhe und Ordnung angesehen (s. XVIII 52, 1 ; dazu grundlegend Scott 1985, 103f.). So sind es an dieser Stelle die Stifter u.a. von Unordnung (ἀταξία), die bekämpft werden. (Jonas Borsch)
Dass im Kontext der Bekämpfung von Unruhen gerade die Zirkusfaktionen (die hier wahrscheinlich mit μέρει gemeint sind: XVII 18, 11 ) ins Blickfeld rücken, ist angesichts der engen Verknüpfung der gerade auch bei Malalas regelmäßig geschilderten Aufstände mit dem Wirken der Zirkusparteien wenig verwunderlich; (allgemein zu den Zirkusparteien: XVIII 1, 8 ). Das Vorgehen gegen Missetäter jedweder Parteizugehörigkeit sorgt dabei für Furcht im ganzen Reich, was im Kontext klar positiv konnotiert ist. Der φόβος begegnet in der Chronographia wiederholt als Ergebnis harscher kaiserlicher Maßnahmen und wird dabei offensichtlich als legitimes Mittel zur Herstellung von Ruhe und Ordnung angesehen (s. XVIII 52, 1 ; dazu grundlegend Scott 1985, 103f.). So sind es an dieser Stelle die Stifter u.a. von Unordnung (ἀταξία), die bekämpft werden. (Jonas Borsch)
11/1 μέρους: Regelmäßig wird μέρη, der Pl. von μέρος, in der Chronographia, in der Bedeutung 'Region' verwendet (dazu: XVIII 50, 2 ). Angesichts der Tatsache, dass hier auf Aufständische abgezielt wird und Aufstände häufig mit den Zirkusparteien, ebenfalls μέρη genannt (vgl. e.g. Mal. XIV 34; XVI 2; XVIII 71), in Verbindung stehen (vgl. bspw. Mal. XVI 6), scheint hier ein Bezug auf letztere wahrscheinlicher. (Florian Battistella)
Parallelüberlieferung
Euagr. IV 9; Chron. Pasch. 616,15–617,6 Dindorf; Theoph. 170,24–29 u. 173,15-17 de Boor; Cram. Anecd. Paris. II 109,26–30; 110,6–7; Joh. Nik. 90; Anon. Matr. 61,12–14; Cedr. 400,4–401,1 Tartaglia = 641,23–643,2 Bekker.
Vgl. Marc. Com. ad ann. 527; Procop. HA IX 53; Const. Porph. de cerem. 95; Zon. III 151,2–4 Pinder; Xanth. HE PG 157,236B; Theod. Scut. 94,16–17 Sathas = II 171 Tocci; Ps.-Zach. IX 1.
Literatur
Bagnall/Cameron/Schwartz/Worp (1987): Bagnall, Roger S./Cameron, Alan/Schwartz, Seth R./Worp, Klaas A.: Consuls of the Later Roman Empire, Atlanta, 1987.
Croke (2007): Croke, Brian: Justinian under Justin: reconfiguring a reign, Byzantinische Zeitschrift, 2007, 13–56.
Leppin (2011a): Leppin, Hartmut: Justinian. Das christliche Experiment, Stuttgart, 2011.
Mango/Scott (1997): Mango, Cyril and Scott, Roger: The Chronicle of Theophanes Confessor. Byzantine and Near Eastern History AD 284–813, Oxford, 1997.
Mazal (2001): Mazal, Otto: Justinian I. und seine Zeit. Geschichte und Kultur des Byzantinischen Reiches im 6. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien, 2001.
Meier (2004a): Meier, Mischa: Das andere Zeitalter Justinians. Kontingenzerfahrung und Kontingenzbewältigung im 6. Jahrhundert n. Chr., Göttingen, 2004.
Scott (1985): Scott, Roger D.: Malalas, The Secret History, and Justinian's Propaganda, Dumbarton Oaks Papers, 1985, 99-109.
Stein (1949): Stein, Ernest: Histoire du Bas-Empire, Tome II. De la disparition de l’Empire d’Occident à la mort de Justinien (476–565), Paris/Bruxelles/Amsterdam, 1949.
Vasiliev (1950): Vasiliev, Alexander A.: Justin the First. An Introduction to the Epoch of Justinian the Great (Dumbarton Oaks Studies l), Cambridge, MA, 1950.