Malalas 18.126 1–2 = 69–70 (Thurn)

Inhalt

Kapitel XVIII 126 informiert in knapper Form über den Tod des – anonym bleibenden – Bischofs von Caesarea in Kappadokien, für den ein gewisser Theokritos als Nachfolger bestimmt wird.

Philologisch-Historischer Kommentar
Parallelüberlieferung
Literatur

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Ἐν αὐταῖς δὲ ταῖς ἡμέραις τελευτᾷ ἐπίσκοπος Καισαρείας Καπ-
 
παδοκίας ἐν Βυζαντίῳ· καὶ ἐγένετο ἀντ’ αὐτοῦ Θεόκριτος.
Philologisch-Historischer Kommentar
1/1 Ἐν αὐταῖς δὲ ταῖς ἡμέραις: Eine weitere αὐτός-Zeitformel in der Malalas-Chronik, mit αὐτός vor dem Artikel in der Funktion eines Demonstratives: 'in jenen Tagen', XVIII 42, 1 zu ἐν αὐτῷ δὲ τῷ χρόνῳ.

Ἐν αὐταῖς δὲ ταῖς ἡμέραις kommt in der Malalas-Chronik nur noch einmal vor, in XVIII 78 (zu Justinians Edikt περὶ τῆς ὀρθοδόξου πίστεως aus dem Jahr 532/533, XVIII 78, 1).
(Laura Carrara)
1/1 Ἐν αὐταῖς δὲ ταῖς ἡμέραις: Die seltene und auf eine kurze Zeitspanne abzielende Formel (XVIII 126, 1) bezieht sich auf das im vorangegangenen Kapitel geschilderte Auftreten einer awarischen Gesandtschaft in Konstantinopel. Der Tod des namenlosen Bischofs von Caesarea muss damit zwischen Dezember 557 und Februar 558 fallen (XVIII 125, 1). (Jonas Borsch)
1f./6 τελευτᾷ ὁ ἐπίσκοπος Καισαρείας Καππαδοκίας ἐν Βυζαντίῳ: Es handelt sich um den hier anonym bleibenden Bischof von Caesarea in Kappadokien. Er kann möglicherweise mit Theodoros Askidas identifiziert werden, der im Jahr 537 zum Bischof dieser Stadt geweiht geworden war: So Diekamp 1897, 7. Dazu passt, dass von Theodoros überliefert wird, er habe sich in seiner Amtszeit überwiegend in Konstantinopel aufgehalten: Kyrill. Skythop. Vita Sabae 83; vgl. Meier 2004a, 281, Anm. 247. Theodoros Askidas ist als angebliche Triebfeder Justinians im so genannten "Dreikapitelstreit" (XVIII 97, 1f.) z.T. eine erhebliche Bedeutung für die zeitgenössische Kirchenpolitik zugesprochen worden.

Das kappadokische Caesarea (nicht zu verwechseln mit dem "palästinischen" Caesarea Maritima) liegt auf einem Hügelplateau ca. 2 km südlich des modernen Kayseri. Der ursprüngliche und noch lange gebräuchliche Name lautete Mazaka. Augustus benannte die Stadt in Caesarea um, bevor sie unter Tiberius 17 n. Chr. zur Hauptstadt der Provinz Cappadocia wurde. Nachdem 575 eine Belagerung durch Chosroes I. noch hatte abgewehrt werden können, wurde der Ort 611 von Chosroes II. sowie 646 und 726 von den Arabern erobert. Bekannt ist Caesarea v.a. als Wirkungsstätte des Kirchenvaters Basilius. Er amtierte hier von 370 bis 379 als Bischof, was u.a. zur Bedeutung dieses Bischofssitzes beigetragen hat, der in frühbyzantinischer Zeit die zweitwichtigste Diözese im kleinasiatischen Bereich nach Konstantinopel bildete. Zur Stadtgeschichte Hild/Restle 1981, 193–196; ODB 1 (1991), s.v. Caesarea, 363f. (C. Foss).

Die Chronographia enthält insgesamt nur drei Verweise auf diese Stadt, von denen einer die Namensgebung (IX 17) und einer den berühmtesten Sohn der Stadt, Basilius, betrifft (XIII 25; s. zu beiden Stellen XVIII 126, 1f.); irgendwelche Aktivitäten der zeitgenössischen Bischöfe oder ein anderer Wechsel auf der Bischofsposition fehlen bei Malalas hingegen. Grundsätzlich sind Nachrichten über die Ablösung von Bischöfen keine Ausnahmeerscheinung in der Chronographia; solche Einträge finden sich aber in wahrnehmbarer Zahl erst ab Buch XV und stehen häufig in Zusammenhang mit kirchenpolitischen Affären bzw. Richtungsstreits. Sie betreffen zudem fast durchgehend Antiochia (XV 1, 6; XVI 11; XVII 6, 22) oder Konstantinopel (XVI 11, XVIII 83, 98, 100, 115), mit nur zwei Ausnahmen: Die eine bildet Kyzikos, wo Zenon seinen minderjährigen Sohn als Bischof installiert haben soll (XV 7), die andere die hiesige Meldung. Da der Name des verstorbenen Bischofes anonym bleibt und sein Nachfolger Theokritos über Malalas hinaus nicht bekannt ist (kein PLRE-Eintrag), lässt sich nicht eruieren, ob dem Wechsel auf dem Bischofsstuhl vielleicht aus kirchenpolitischer Sicht eine größere Bedeutung zukam, z.B. bezüglich der konfessionellen Ausrichtung des Episkopates, wie etwa in Malal. XVII 6 (Ablösung des Miaphysiten Severos durch den Chalkedonier Paulos) und XVII 11 (Tod des Paulos und Einsetzung des Miaphysiten Euphrasios). Kirchenpolitische Kontroversen rund um den Bischofssitz von Caesarea hatten sich jedenfalls bereits früher entsponnen, etwa mit Blick auf den dem Miaphysitismus zuneigenden Amtsvorgänger des Theodoros Askidas, Soterichos, der von ca. 510/11 bis 536/37 amtierte: Theoph. 153–154 de Boor; vgl. dazu Honigmann 1953, 207–214; Menze 2008, 34–38.

Meier 2004a, 245, Anm. 49 listet die Passage unter den Belegen für das besondere Interesse zeitgenössischer Chronisten an kirchenpolitischen Fragen; in der vorliegenden, weitgehend neutralen Form bezeugt sie aber gleichzeitig im Sinne von Drecoll 2016 (zusammenfassend 55), dass kirchliche Themen in der Chronographie zwar regelmäßig begegnen, nähere theologische Details und kirchenpolitische Zusammenhhänge aber kaum ausgearbeitet werden (dazu auch XVIII 97, 1f.).

Dass der Bischof in Byzanz verstarb, ist nicht allzu außergewöhnlich angesichts des Umstandes, dass sich die Bischöfe des justinianischen Reiches nicht selten für längere Zeiträume in Konstantinopel aufhielten. Für die Präsenz ranghoher Geistlicher in der Hauptstadt innerhalb der Malalas-Chronik s. etwa XVIII 83, 2 (Papst Agapet), XVIII 97, 1f. (Papst Vigilius) XVIII 113, 3ff. (Apollinarios von Alexandria), XVIII 115, 3 (Eutychios, Apokrisiar von Amaseia). Neben dem möglicherweise prominenten Namen des Amtsinhabers, einer eventuellen Relevanz für die theologische Ausrichtung des Episkopates oder der allgemeinen Bedeutung des Bischofssitzes (s.o.) könnte die Erklärung dafür, dass der Vorfall in der Chronographie überhaupt Erwähnung findet, auch schlichtweg in dem Umstand liegen, dass die Affäre sich in der Hauptstadt abspielte. (Jonas Borsch)
1f./7 ὁ ἐπίσκοπος Καισαρείας Καππαδοκίας: Dieselbe Audrucksweise in Malal. XIII 25 ὁ ἐπίσκοπος Βασίλειος Καισαρείας Καππαδοκίας, dort allerdings ergänzt um den Eigennamen des Prälaten (Basilius der Große, der berühmte kappadokische Kirchenväter, Bruder von Gregor von Nyssa). Dieser Bischof bleibt hingegen in der O-Version des Malalas-Textes namentlich unerwähnt; zu seiner Identität XVIII 126, 1f..

Es ist nicht auszuschließen, das das Fehlen des Bischofsnamens auf eine Kürzung der ausführlichen Malalas-Vorlage zurückgeht, denn der Chronist hat grundsätzlich Interesse an solchen Personalien, vgl. bezeichnend Malal. XVIII 30 ἦσαν γὰρ ποιήσαντες οἱ αὐτοὶ Μανιχαῖοι καὶ ἐπίσκοπον ὀνόματι Ἰνδαράζαρ, wo sogar der Name des ersten manichäischen Bischofs im Perserreich ausfindig gemacht und berichtet wird. Zusammen mit der Bezeichnung ἐπίσκοπος – wie auch mit πατριάρχης, πάπας o.ä. – kommt in der Malalas-Chronik normalerweise auch der Eigennamen der gemeinten Person vor, wobei man eher von einer Tendenz als von einer strikten Regel sprechen kann (Ausnahmen sind Malal. XIV 12 ὑπὸ τοῦ ἐπισκόπου οἱ Ἀλεξανδρεῖς ἔκαυσαν ... Ὑπατίαν [der Eigenname Kyrill kommt allerdings am Ende des vorausgehenden Kapitels vor, Malal. XIV 11 Κύριλλον τὸν ἐπίσκοπον Ἀλεξανδρείας]; Malal. XIV 16 οἱ αὐτοὶ Κοτυαεῖς πολῖται φονεύσαντες ἐπισκόπους τέσσαρας [es handelt sich allerdings um eine Bischofsgruppe und es kommt nicht primär auf die Einzelidentitäten an]; Malal. XVII 22 καὶ ἔλαβεν μεθ’ ἑαυτοῦ τὸν ἐπίσκοπον Ἀμηδείας, ἄνδρα εὐλαβῆ [eine durchhaus mit vorliegender vergleichbar 'anonyme' Stelle]; Malal. XVIII 35 χρήσατο κακῶς καὶ τῷ ἐπισκόπῳ
τῆς αὐτῆς πόλεως; Malal. XVIII 39 τὸν δὲ ἐπίσκοπον Λαοδικείας οὐκ ἐλευθέρωσεν; Malal. XVIII 83 καὶ τῷ αὐτῷ ἔτει τελευτᾷ ἐν Βυζαντίῳ ὁ ἐπίσκοπος Ῥώμη.

Wie aus dieser Stellensammlung ersichtlich, häufen sich die Auslassungen der bischöflichen Eigennamen gegen Ende der Malalas-Chronik in Buch XVIII, was sich allgemein durch den stärkeren Eingriff des Epitomators erklären ließe. Spezifisch an vorliegender Stelle mutet merkwürdig an, dass der Nachfolger Theokritos mit Namen erwähnt ist, der verstorbene Amtsinhaber – möglicherweise eine sehr wichtige Persönlichkeit, XVIII 126, 1f. – hingegen nicht; dasselbe allerdings, zumindest laut O, in Malal. XVIII 83: Der Papst Agapet wird nicht mit Namen genannt, der Nachfolger Menas schon.

Was die Wortkombination 'Καισάρεια Καππαδοκίας' angeht, kommt sie in der Malalas-Chronik neben o.g. Stelle (Malal. XIII 25) auch bei der offiziellen Umbenennung der Stadt (vorher Mazaka) zu Beginn der römischen Herrschaft in Osten vor, in Malal. IX 17 Ἀρχέλαος βασιλεὺς καὶ τοπάρχης ἐκάλεσε Καισάρειαν Καππαδοκίας τὴν πρῴην λεγομένην Μάζακαν. (Laura Carrara)
2/2 ἐν Βυζαντίῳ: Zur Alternanz der Benennungen 'Konstantinopel' und 'Byzanz' für die Hauptstadt des östlichen Römischen Reiches in der Malalas-Chronik, insbesondere im Buch XVIII, und zu deren möglichen Implikationen bezüglich der Verfasserfrage bzw. Genese des finalen Teiles dieses Buches XVIII 77, 1. (Laura Carrara)
2/6 ἀντ’ αὐτοῦ: Die Präposition ἀντί wird in der Malalas-Chronik vergleichsweise selten und überhaupt erst ab Buch V verwendet (siehe die Statistiken von Rüger 1895, 7–8 u. 15, der 44 Belege zählt), dafür mit der üblichen Rektion (Genitiv, siehe Rüger 1895, 15) und Bedeutung 'an der Stelle von' (LSJ s.v. ἀντί III 1 in the place of), dabei "besonders bei Thronwechseln und in den Beförderungslisten der Patriarchen" (Rüger 1895, 26) - der zweite ist der Fall hier. (Laura Carrara)
Parallelüberlieferung
Keine
Literatur
Diekamp (1897): Diekamp, Franz: Das Zeitalter des Erzbischofs Andreas von Cäsarea, Historisches Jahrbuch, 1897, 1–36.
Drecoll (2016): Drecoll, V.: Miaphysitische Tendenzen bei Malalas?, Die Weltchronik des Johannes Malalas. Autor – Werk - Überlieferung, 2016, 45–57.
Hild/Restle (1981): Hild, Friedrich/Restle, Marcell: Kappadokien (Kappadokia, Charsianon, Sebasteia und Lykandos), Wien, 1981.
Honigmann (1953): Honigmann, E.: Heraclianus of Chalcedon (537 A. D.?), Soterichus of Caesarea in Cappadocia and Achillius, Patristic Studies, 1953, 205–216.
Meier (2004a): Meier, Mischa: Das andere Zeitalter Justinians. Kontingenzerfahrung und Kontingenzbewältigung im 6. Jahrhundert n. Chr., Göttingen, 2004.
Menze (2008): Menze, V.: Justinian and the making of the Syrian Orthodox Church, Oxford, 2008.
Rüger (1895): Rüger, Anton: Studien zu Malalas. Präpositionen und Adverbien. Das 18. Buch. Die konstantinischen Excerpte. Die tuskulanischen Fragmente, Bad Kissingen, 1895.
Thurn (2000): Thurn, Johannes: Ioannis Malalae Chronographia, Berolini et Novi Eboraci, 2000.