Malalas 18.113 1–6 = 90–95 (Thurn)
Inhalt
Kapitel XVIII 113 beschreibt die Einweihungsprozession der Hagia Eirene im Stadtteil Iustinianai, die von den Patriarchen Menas von Konstantinopel und Apollinarios von Alexandria gemeinsam durchgeführt wird.
Philologisch-Historischer Kommentar
Parallelüberlieferung
Literatur
1 (90)
Εἰρήνης τῆς οὔσης πέραν ἐν Ἰουστινιαναῖς· καὶ ἐξῆλθον τὰ ἅγια λείψανα
τοῦ πατριάρχου Κωνσταντινουπόλεως καὶ Ἀπο λιναρίου τοῦ πάπα
τες ἐν τοῖς γόνασιν αὐτῶν τὰ τίμια λείψανα.
Philologisch-Historischer Kommentar
1/1 Μηνὶ σεπτεμβρίῳ ἰνδικτιῶνος ιεʹ: Die Einordnung in den September der 15. Indiktion (= September 551) wird von Theophanes und den Anecdota Graeca wortgleich bestätigt. Die Ausführungen zu der Kirche in Prokops Bauten (I 7,1–5) implizieren eine Errichtung durch Justinian, enthalten aber keine konkreten Anhaltspunkte zu Bauzeit oder Einweihung.
1f./6 τὰ ἐγκαίνια τῆς ἁγίας Εἰρήνης... ἐν Ἰουστινιαναῖς: Diese Stelle bezieht sich auf die Eirene-Kirche am Konstantinopel gegenüberliegenden Ufer des Goldenen Horns und nicht, wie der Verweis auf Procop. Aed. I 2,13 in Thurn 2000, 414 ad cap. 113 nahelegt, auf das gleichnamige Gotteshaus im Stadtzentrum nahe der Hagia Sophia. Die Eirene-Kirche kann möglicherweise im Bereich der heute in eine Moschee umgewandelten Kirche St. Paul in Galatai (XVIII 113, 2 ) lokalisiert werden: Janin 1964, 460; Müller-Wiener 1977, 79. Auch sie wird von Prokop erwähnt, der sie in topischer Form und ohne weitere Details für ihre Schönheit lobt: Aed. I 7,1. (Jonas Borsch)
2/8 ἐξῆλθον τὰ ἅγια λείψανα: Prozessionen in Verbindung mit Einweihungsfeierlichkeiten erwähnen auch Malal. XVIII 109 für die Apostelkirche, sowie Theoph. 217,16–22 und 238,18–24 de Boor für die beiden Kirchweihen der Hagia Sophia (vermutlich unter Rückgriff auf Malalas: XVIII 86, 1 , XVIII 143, 1f. ). Die ἅγια λείψανα bezeichnen wie schon in XVIII 109 die Heiligenreliquien der Kirche. Procop. Aed. I 7,2–16 berichtet im Zusammenhang mit dem Bau der Kirche über einen Reliquienfund: Demnach sei man – ähnlich wie im Falle der Apostelkirche: XVIII 109, 2f. – bei den Baumaßnahmen auf das Grab von Heiligen gestoßen, namentlich das der vierzig Märtyrer von Sebasteia (ODB 2 [1991], s.v. Forty Martyrs of Sebasteia, 799f. [A. Kazhdan; N. P. Ševčenko]). Justinian persönlich sei durch Berührung des Reliquienschreines von einer Krankheit kuriert, sein Purpurgewand dabei geheiligt worden (dazu XVIII 45, 1f. ). Es steht zu vermuten, dass es sich bei den Reliquien, die anlässlich der Kirchenweihung von der Hagia Sophia in die Eirene-Kirche überführt wurden, um eben jene Reliquien handelt, die feierlich an ihren alten Platz gebracht wurden (im Parallelfall der Apostelkirche ist eine solche Rückführung gesichert: XVIII 109, 2f. ). Mango/Scott 1997, 333 Anm. 2 zitieren einen unveröffentlichten Artikel von M. Mullett (Romanos’s hymns on the Forty Martyrs: date and significance, in: M. Mullet, O. Nicholson, and A. Wilson (Hrsg.), XL Martyrs of Sebasteia, Belfast), wonach das Kontakion des Romanos Melodos auf die vierzig Märtyrer aus Anlass dieses Ereignisses verfasst worden sei.
3ff./5 μετὰ καὶ τῶν δύο πατριαρχῶν, λέγω δὴ Μηνᾶ τοῦ πατριάρχου Κωνσταντινουπόλεως καὶ Ἀπολιναρίου τοῦ πάπα Ἀλεξανδρείας: Von den anderen drei durch Malalas/Theophanes überlieferten Einweihungsprozessionen (vgl. XVIII 86, 109, 143 mit Parallelüberlieferung) unterscheidet sich diese durch die Beteiligung von gleich zwei Patriarchen. Zum konstantinopolitanischen Patriarchen Menas XVIII 83, 5 . Der alexandrinische Bischof Apollinarios war erst im Juli 551 von Justinian eingesetzt worden und stand in einem außerordentlich schlechten Verhältnis zu einem der Hauptbeteiligten des weiterhin schwelenden so genannten Drei-Kapitel-Streites, Papst Vigilius (XVIII 97, 1f. ). Er war zunächst in Konstantinopel verblieben – womöglich um sein Verhältnis mit dem Papst zu klären: Vgl. Stein 1949, 628f., 652–654. In diesem Zusammenhang interpretiert Leppin 2011a, 303 die Prozession als Demonstration kirchlicher Einheit.
5/5 ἐν τῷ βασιλικῷ ὀχήματι: Zum "kaiserlichen Wagen" für Reliquienfahrten XVIII 109, 4 .
Laut dem ausführlicheren Bericht bei Theophanes (siehe Theoph. 228, 11–13 de Boor) beschränkte sich die kaiserliche Teilnahme an der Einweihung dieser Eirene-Kirche nicht auf die Ausleihe des Wagens, sondern zeigte sich in persönlicher Anwesenheit beim Einweihungsakt: Der Kaiser ging selbst den zwei Kirchenführern entgegen und vollzog mit ihnen den Eröffnungsritus. Bis auf diesen Zusatz sind die beiden Berichte von O und von Theophanes nahezu identisch, siehe auch Rochow 1983, 470.
Laut dem ausführlicheren Bericht bei Theophanes (siehe Theoph. 228, 11–13 de Boor) beschränkte sich die kaiserliche Teilnahme an der Einweihung dieser Eirene-Kirche nicht auf die Ausleihe des Wagens, sondern zeigte sich in persönlicher Anwesenheit beim Einweihungsakt: Der Kaiser ging selbst den zwei Kirchenführern entgegen und vollzog mit ihnen den Eröffnungsritus. Bis auf diesen Zusatz sind die beiden Berichte von O und von Theophanes nahezu identisch, siehe auch Rochow 1983, 470.
5f./2 καὶ ἐκάθισαν ἀμφότεροι ἐν τῷ βασιλικῷ ὀχήματι κατέχοντες ἐν τοῖς γόνασιν αὐτῶν τὰ τίμια λείψανα: Die Nutzung des kaiserlichen Wagens bei der Prozession bedeutet hier einen zumindest indirekten Hinweis auf die Rolle des Kaisers; solche Hinweise sind im Zusammenhang mit der Darstellung des Dreikapitelstreites bei Malalas eher selten; vgl. Drecoll 2016, 54; XVIII 109, 3f. ; XVIII 111, 1 . Der Kaiser wird jedoch im Zusammenhang mit diesem Ereignis in Theophanes' Beschreibung als Akteur hervorgehoben: Er nimmt die Bischöfe nach Überquerung des Goldenen Hornes in Empfang und vollzieht mit ihnen die Eröffnung (XVIII 113, 5 ). Die hervorgehobene Rolle des Kaisers bei der Einweihung der – offensichtlich von ihm gestifteten (Procop. Aed. I 7,1) – Kirche wird auch durch Prokops Bericht über die Reliquienauffindung und Justinians Wunderheilung deutlich: XVIII 113, 2 .
Eine heute in Trier befindliche Elfenbeinminiatur, die nach verbreiteter Ansicht wohl aus Konstantinopel stammt und in das 6. Jh. n. Chr. gehören könnte, ist wiederholt mit dem hier dargestellten Ereignis in Verbindung gebracht worden (zuerst Strzygowski 1901, 85–89): Sie zeigt eine durch einen Kaiser angeführte Prozession, die sich auf eine als eben fertiggestellt gekennzeichnete Kirche zubewegt. Den Höhepunkt dieser Prozession bildet ein Wagen mit zwei Bischöfen, die gemeinsam ein eindeutig als Reliquiar zu identifizierendes Behältnis mit sich führen. Gerahmt wird die Szenerie von einem Tetrapylon (offenbar Ausgangspunkt der Prozession) und einer mehrstöckigen Galerie mit Zuschauern. Gegen die Identifizierung mit der Prozession zur Hagia Eirene spricht jedoch der Umstand, dass die Prozession von einer durch ihren Ornat als Kaiserin erkennbaren Frau empfangen wird – schließlich lebte Justinians Frau Theodora 551 bereits seit drei Jahren nicht mehr (Mango/Scott 1997, 333 Anm. 3). Zudem nahm nach Theophanes’ Beschreibung der Kaiser die Rolle des die Prozession Empfangenden ein, die in dem Elfenbein der Kaiserin zugestanden wird. Andere Identifikationen sind problemlos denkbar, so etwa mit dem bei Theophanes erwähnten adventus der Gebeine des St. Stephan unter Theodosius (427/28), bei dem die Kaiserin Pulcheria eine wichtige Rolle spielte: Holum/Vikan 1979; vgl. Theoph. 86,26 – 87,5 de Boor.
Eine heute in Trier befindliche Elfenbeinminiatur, die nach verbreiteter Ansicht wohl aus Konstantinopel stammt und in das 6. Jh. n. Chr. gehören könnte, ist wiederholt mit dem hier dargestellten Ereignis in Verbindung gebracht worden (zuerst Strzygowski 1901, 85–89): Sie zeigt eine durch einen Kaiser angeführte Prozession, die sich auf eine als eben fertiggestellt gekennzeichnete Kirche zubewegt. Den Höhepunkt dieser Prozession bildet ein Wagen mit zwei Bischöfen, die gemeinsam ein eindeutig als Reliquiar zu identifizierendes Behältnis mit sich führen. Gerahmt wird die Szenerie von einem Tetrapylon (offenbar Ausgangspunkt der Prozession) und einer mehrstöckigen Galerie mit Zuschauern. Gegen die Identifizierung mit der Prozession zur Hagia Eirene spricht jedoch der Umstand, dass die Prozession von einer durch ihren Ornat als Kaiserin erkennbaren Frau empfangen wird – schließlich lebte Justinians Frau Theodora 551 bereits seit drei Jahren nicht mehr (Mango/Scott 1997, 333 Anm. 3). Zudem nahm nach Theophanes’ Beschreibung der Kaiser die Rolle des die Prozession Empfangenden ein, die in dem Elfenbein der Kaiserin zugestanden wird. Andere Identifikationen sind problemlos denkbar, so etwa mit dem bei Theophanes erwähnten adventus der Gebeine des St. Stephan unter Theodosius (427/28), bei dem die Kaiserin Pulcheria eine wichtige Rolle spielte: Holum/Vikan 1979; vgl. Theoph. 86,26 – 87,5 de Boor.
Parallelüberlieferung
Theoph. 228,6–13; Cramer, Anecd. Paris. 2,113,15–19
Thurn 2000, 414 ad cap. 113 listet zudem Procop. Aed. I 2,13; diese Stelle bezieht sich jedoch auf die Eirene-Kirche unweit der Hagia Sophia; zur Eirene-Kirche in Iustinianai Procop. Aed. I 7,1–5.
Literatur
Holum/Vikan (1979): Holum, K. G.; Vikan, G.: The Trier Ivory, Adventus Ceremonial, and the Relics of St. Stephen, Dumbarton Oaks Papers, 1979, 115–133.
Janin (1964): Janin, Raymond: Constantinople byzantine: Développement urbain et répertoire topographique. Deuxième édition, Paris, 1964.
Leppin (2011a): Leppin, Hartmut: Justinian. Das christliche Experiment, Stuttgart, 2011.
Mango/Scott (1997): Mango, Cyril and Scott, Roger: The Chronicle of Theophanes Confessor. Byzantine and Near Eastern History AD 284–813, Oxford, 1997.
Merz (1911): Merz, Ludwig: Zur Flexion des Verbums bei Malalas, Pirmasens, 1911.
Müller-Wiener (1977): Müller-Wiener, Wolfgang: Bildlexikon zur Topographie Istanbuls. Byzantion, Konstantinupolis, Istanbul bis zum Beginn des 17. Jahrhundert, Tübingen, 1977.
Rüger (1895): Rüger, Anton: Studien zu Malalas. Präpositionen und Adverbien. Das 18. Buch. Die konstantinischen Excerpte. Die tuskulanischen Fragmente, Bad Kissingen, 1895.
Stein (1949): Stein, Ernest: Histoire du Bas-Empire, Tome II. De la disparition de l’Empire d’Occident à la mort de Justinien (476–565), Paris/Bruxelles/Amsterdam, 1949.
Strzygowski (1901): Strzygowski, Josef: Orient oder Rom: Beitrag zur Geschichte der spätantiken und frühchristlichen Kunst, Leipzig, 1901.
Thurn (2000): Thurn, Johannes: Ioannis Malalae Chronographia, Berolini et Novi Eboraci, 2000.